Wie ein Familienvermögen verdunstet
Die Schaefflers haben Pech mit ihren Investitionen. Unter den Vermögenden der Welt müssen sie derzeit mit dem Titel der größten Geldvernichter leben.
Die Schaefflers haben Pech mit ihren Investitionen. Unter den Vermögenden der Welt müssen sie derzeit mit dem Titel der größten Geldvernichter leben.
Deutsche landen selten auf den vorderen Plätzen, wenn Magazine wie „Forbes“ oder „Fortune“ ihre Listen der reichsten Menschen veröffentlichen. Hier finden sich Amerikaner wie Amazon-Gründer Jeff Bezos oder Mr. Microsoft alias Bill Gates. Aus Europa erhalten in der Regel nur ein paar ausgewählte Franzosen wie Bernard Arnault eine Topposition, der – wie sollte es anders sein – sein Vermögen unter anderem mit Champagner gemacht hat. Die reichste Frau ist auch eine Französin, die mit Schönheit ihr Geld verdient: Francoise Bettencourt-Meyers ist Erbin des L'Oréal-Vermögens. In diesem Jahr aber kommt Leben in diese Listen und zwar aus Deutschland. Die Familie Schaeffler hat es auf Platz eins gebracht – allerdings in einer nicht so schmeichelhaften Kategorie: Das Magazin „Fortune“ hat ihnen den inoffiziellen Titel der größten Geldvernichter verliehen.
Vor zweieinhalb Jahren hatte das noch ganz anders ausgesehen. Anfang 2018 wurde Georg Schaeffler mit seinen Anteilen am Automobilzulieferer Continental, an dem er und seine Mutter - Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann - maßgeblich beteiligt sind, zu einem der reichsten Deutschen auf der Liste gekürt. Zu dieser Zeit belief sich das geschätzte Vermögen der Familie auf knapp 35 Milliarden Euro.
Jedes Jahr ärmer geworden
Heute, im Sommer 2020, sind diese Beteiligungen nur noch weniger als ein Drittel von dem wert, was sie damals darstellten. Das liegt zum Teil an der Corona-Pandemie, die die Autoproduktion verlangsamt und den Absatz erheblich gebremst hat. Es liegt aber auch am Schwenk der Branche weg vom Verbrennungsmotor, hin zum Elektroauto. Zulieferer wie Continental haben es nicht leicht, diesen Trend zu folgen und die Autobauer entsprechend zu beliefern. Die Folge sind sinkende Aktienkurse: Die Schaefflers beendeten jedes der vergangenen zwei Jahre weniger wohlhabend als sie es begonnen hatten. Und in diesem Jahr droht wieder das gleiche Schicksal. Laut dem Bloomberg Billionaires Index, einer Liste der 500 reichsten Menschen der Welt, haben beide in diesem Jahr bisher etwa ein Viertel ihres Vermögens verloren.
Nun ist es nicht so, dass die Familie deswegen Sozialhilfe beantragen muss. Laut Bloombergs Vermögensindex sind die Beteiligungen der Familie noch immer deutlich mehr als acht Milliarden Euro wert. Nur gehört das Minus auf den Konten der Schaefflers zu den größten im Index und ist damit Ausdruck eines fundamentalen Wandels in der Automobilbranche: Denn Georg (55) und Maria-Elisabeth (78) kontrollieren ebenfalls die Schaeffler AG, den deutschen Maschinenbaukonzern, der einem ähnlichen Druck ausgesetzt ist wie Continental. Die Aktien beider Unternehmen sind in diesem Jahr deutlich gefallen.
Schaeffler hat mit der Auswahl seiner Investitionen eine Grundregel an der Börse missachtet: Lege nie alle Eier in einen Korb, heißt die. Lieber breit diversifizieren, so dass sich Schwankungen untereinander ausgleichen können. Die Strategie führt in der Regel dazu, dass sich Familienvermögen, die oft mehrere Generationen zusammengetragen haben, nicht mal eben in einer Generation, die kein glückliches Händchen hat, pulverisieren. „Während Gründer bei ihren Aktivitäten zielstrebig sein können, versuchen ihre Erben häufig, Risiken zu verringern, indem sie sich in neue Unternehmen verzweigen“, berichten die Autoren des Magazins „Fortune“ von ihren Erfahrungen mit den reichen Familien. Sie nennen als Beispiel die Mars-Familie, die sich weg von den Süßwaren hin zu Tierpflegeprodukten entwickelt hat. Die Hälfte des Jahresumsatzes der Unternehmen kommen nun aus diesem Bereich und sorgen bei der Familie für ein stabiles Vermögen von 120 Milliarden US-Dollar. Als weiteres Beispiel für gelungene Diversifikation nennen die „Fortune“-Autoren den deutschen Reimann-Clan, der den Erlös seines Chemieunternehmens in ein Konsumgüterimperium umgewandelt hat, das in den USA die bekannten Restaurants Krispy Kreme Donuts und Panera Bread umfasst.
Comeback nicht ausgeschlossen
Allerdings sind die Schaefflers nicht allein. Während der Pandemie leiden auch andere mit der Autoindustrie verbundene Vermögen: Susanne Klatten und Stefan Quandt, Hauptaktionäre von BMW wie auch der Vorsitzende von Hyundai, Chung Mong-Koo, haben laut Bloomberg-Index in diesem Jahr einen Rückgang ihres Vermögens um zweistellige Prozentpunkte verzeichnet.
Aussichtslos ist die Lage der Schaefflers sowieso nicht. Sie haben schon einmal unter Beweis gestellt, dass sie zurückkommen können: Ihre Übernahme von Continental zwang sie, öffentlich über Staatshilfen nachzudenken, nachdem die Kreditmärkte in der Finanzkrise 2008 eingebrochen waren. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg dann jedoch zwischen 2009 und Anfang 2018. Die Familie hat damit in ihrer Laufbahn als Unternehmer bereits zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt. Als sein Vater 1996 starb, erbte Georg Schaeffler 80 Prozent des familieneigenen Kugellagergeschäfts, während seine Mutter den Rest übernahm. Beide sind in den Aufsichtsräten von Continental und Schaeffler tätig. Während Georg als Erbe eines Ingenieurimperiums aufwuchs, studierte Maria-Elisabeth Medizin und hatte nie erwartet, jene berufliche Laufbahn einzuschlagen, die dann vor ihr lag. Nervenschonender mit Blick auf die Finanzen wäre das eventuell gewesen.
oli