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Apple erfindet sich neu

Viele Investoren hatten Apple bereits abgeschrieben. Trotz sinkender iPhone-Käufe legt die Aktie wieder zu und sendet technische Kaufsignale. Mit neuen Produkten setzt das Unternehmen vermehrt auf die Entertainment-Sparte und verändert damit seine Strategie. Was das für Anleger bedeutet.

BÖRSE am Sonntag

Viele Investoren hatten Apple bereits abgeschrieben. Trotz sinkender iPhone-Käufe legt die Aktie wieder zu und sendet technische Kaufsignale. Mit neuen Produkten setzt das Unternehmen vermehrt auf die Entertainment-Sparte und verändert damit seine Strategie. Was das für Anleger bedeutet.

Das iPhone-Geschäft schwächelt. Angesichts der sinkenden Nachfrage nach den Smartphones stehen die Kalifornier vor einem radikalen Veränderungsprozess. Apple muss sich neu erfinden. Denn wer auf neue Entwicklungen nicht schnell genug reagiert, kann in einen Abwärtsstrudel geraten. Junge Unternehmen mit innovativen Ideen erobern den Markt, die alten zerbrechen an eingestaubten Geschäftsmodellen. Ein gutes Beispiel ist Nokia. Einst zählte das finnische Tech-Unternehmen zu den Vorreitern seiner Branche, ehe Apple-Guru Steve Jobs „One More Thing“ in Form der ersten iPhone-Generation vorstellte und in rasanter Geschwindigkeit an Nokia vorbeizog. Der Rest ist Geschichte. Bei der jüngsten Keynote im Steve Jobs Theater am Konzernsitz in Cupertino hält Apple-Chef Tim Cook keine Überraschung in die Luft. Schnell ist klar: Das Unternehmen steckt mitten in einem Strategiewechsel. Dieser kommt spät, die Konkurrenz ist mächtig.

Im Mittelpunkt der Innovationen steht ein eigener Streamingdienst, der den Großen Konkurrenz machen soll. „Die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber Streaming-Angeboten wächst und immer mehr Anbieter wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Durch Apple erhalten die Platzhirsche Netflix und Amazon Prime Video ernstzunehmende Konkurrenz, welches mit Apple Music bereits beweisen konnte, dass es Medieninhalte erfolgreich „as a service“ an den Verbraucher bringen kann“, meint Frank Schwarz, Fondsmanager des MainFirst Global Equities Fund. Das Ziel könnte ambitionierter nicht sein, schließlich hat Cook es mit den mächtigsten Gegnern der digitalen Unterhaltungsbranche zu tun - beide stecken Unsummen in Eigenproduktionen. In diesem Jahr sollen es allein beim Branchenpionier Netflix, der einen Vorsprung von zehn Jahren hat, 80 Prozent der 15 Milliarden-Dollar-Investition sein. Davon ist Apple weit entfernt. Zunächst gibt das Unternehmen eine Milliarde Dollar für eigene Inhalte aus und plant als zweites Standbein eine Sammelplattform für andere Streaming-Anbieter. Letztere müssen zwar einen Teil der Abogebühren an Apple abtreten, allerdings können sie so ihre Reichweite steigern – ein Vorteil, der die Wahrscheinlichkeit verringert, von Branchenriesen überrollt oder aufgekauft zu werden. Damit verabschiedet sich Apple von bis zum jetzigen Zeitpunkt unantastbaren Prinzipien: Mehr und mehr können User, die konzernfremde Geräte nutzen, auf Apple-Dienste zugreifen. Ein Beispiel ist Apples TV-App. Sie wird auf Fernsehern von Sony, Samsung, LG und anderen Herstellern – ja, sogar auf den Fire-TV-Boxen des Rivalen Amazon – verfügbar sein.

Die neue Strategie steht im direkten Zusammenhang mit den rückgängigen iPhone-Verkäufen. Cook weiß, dass er seine Kunden möglichst lang im Apple-Universum halten muss, wenn es schon nicht gelingt, ihnen alle zwei Jahren das neuste Smartphone zu verkaufen. Kurzum: Das Geschäft mit dem iPhone ist endlich. Das mussten auch Anleger beim Blick auf das Weihnachtsquartal 2018 feststellen. Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren schrumpfte der Umsatz und Gewinn des Konzerns. Anfang des Jahres musste Apple sogar seinen Quartalsausblick senken – ein Strategiewechsel schien unausweichlich. Doch das Geschäft mit Inhalten und Abonnements ist keine Verzweiflungstat. Immerhin wächst kein anderes Segment so schnell wie jene Dienste, zu denen Apple Music, das Cloud-Angebot und der AppStore zählen. 2018 legte die Sparte um rund ein Drittel auf fast 40 Milliarden Dollar zu. Damit macht sie inzwischen etwa 15 Prozent des Konzernumsatzes aus. Vom neuen Video-Streamingdienst verspricht sich Cook weiteres Wachstum. Daniel Ives, Technologie-Analyst beim US-Investmentunternehmen Wedbush spricht sogar von einem möglichen „Game Changer“. Innerhalb von drei Jahren könne Apple 100 Millionen neue Abonnenten gewinnen, die mit der Zeit sieben bis zehn Milliarden Dollar des Umsatzes ausmachten. Tatsächlich lässt sich das Potential schwer einschätzen – nicht zuletzt, weil immer mehr Bewerber im Showbusiness mitmischen. So auch Hulu und HBO now, oder Sky im deutschen Markt. Warner Media und Disney wollen noch in diesem Jahr an den Start gehen – Unternehmen, die wahrlich keine Fliegengewichte sind und auch für Apple ernstzunehmende Konkurrenz darstellen. „Allerdings gehen wir davon aus, dass die Konsumenten dazu übergehen werden, mehrere Streamingdienste gleichzeitig zu abonnieren und dafür lieber auf ihr Kabelpaket verzichten.“ Deshalb sei Potential für Wachstum vorhanden, erklärt Analyst Schwarz. Experten sind nicht einig über die künftige Entwicklung des Aktienkurses. Weil das neue Angebot des iPhone-Konzerns mehr in die Breite als in die Tiefe gehe, belässt JP Morgan die Einstufung auf „Overweight“ mit einem Kursziel von 228 Dollar. Goldman Sachs wiederrum belässt die Einschätzung bei „Neutral“ mit einem Kursziel von 140 Dollar. Analyst Rod Hall bemängelt vor allem fehlende Preisinformationen zum neuen Angebot.

Anleger reagieren wenig euphorisch auf den Strategiewandel. Investoren sind vor allem angesichts der wenigen Details zu den neuen Plänen enttäuscht: „In den USA ist der Streamingmarkt bereits gesättigt und es herrscht eine gewisse Konsummüdigkeit“, meint Analyst Colin Gillis von der Beratungsfirma Chatham Road Partners. Dass Apple auf mehr Originalinhalte als Netflix und Amazon bei ihren jeweiligen Markteinführungen komme, spiele da nur eine untergeordnete Rolle. Dabei hatte der Cook extra Hollywood-Stars wie Steven Spielberg, Jennifer Aniston, Oprah Winfrey und Reese Witherspoon auf die Bühne geholt. Eindruck konnte der Apple-Chef damit nur im entfernten Hollywood machen, Investoren blieben kühl.  

Doch damit nicht genug. Der Techriese aus dem US-Bundesstaat Kalifornien prescht mit weiteren Formaten vor. Neben der neuen Video-Strategie hat Cook eine App für Magazine und Zeitschriften, das Spieleportal Apple Arcade sowie eine neue Kreditkarte in Kooperation mit Goldman Sachs vorgestellt. Die Karte – ganz im minimalistischen Apple-Design – erweitert den Bezahldienst Apple Pay. Für den Kartenantrag, der ab Sommer von US-Nutzern gestellt werden kann, müssten Nutzer lediglich ihre Wallet-App öffnen und dort einige Angaben machen. Nach kurzer Prüfung sei die virtuelle Mastercard einsatzbereit. Kinderleicht quasi. Für den Fall, dass das Lesegerät kontaktloses Bezahlen via iPhone und Apple Watch nicht zulasse – aber immerhin liege die Akzeptanzquote im US-Handel bei 70 Prozent – wird der Kunde mit einer schlichten Karte aus Titanium inklusive Apfel-Logo und Name ausgestattet. Keine Kartennummer. Keine CVC-Nummer. Eine Designer-Karte eben. Das Besondere an der Apple Card: Einfache Bedienung, übersichtliche Darstellung der Transaktionen. Und tatsächlich werden die Ausgaben übersichtlich und nach Kategorien sortiert.

Apple reagiert mit seinen neuen Diensten auf das schwächelnde iPhone-Geschäft. Ob der Tech-Riese zu spät in den Video-Streaming-Markt einsteigt, bleibt abzuwarten. Mit der neuen Strategie würde sich aber noch etwas anderes ändern. Bislang verstand sich der Tech-Gigant aus Kalifornien überwiegend als Hardware-Lieferant, dem die Daten seiner Kunden relativ egal waren. Schwenkt Apple nun Richtung Dienstleistungsunternehmen, könnte sich das ändern. Bei der Präsentation der neuen Kreditkarte betont Cook, dass die Nutzerdaten in guten Händen seien, weil Apple gar nicht wüsste, was der Nutzer zu welchem Preis wo gekauft hat. Zwar seien die Daten Goldman Sachs bekannt, doch würden sie nicht zu Marketing- und Werbezwecken weiterverkauft. Dieses Versprechen hat man schon von vielen Unternehmen gehört.

Mit Apple haben langfristig orientierte Anleger sehr gutes Geld verdient – zumindest dann, wenn sie sich nicht von temporären Kursschwächen haben aus der Ruhe bringen lassen. Der Konzern verfügt nach wie vor über die höchste Marktkapitalisierung der Welt. Manch Anleger erhofft sich von den neuen Diensten die gleiche Strahlkraft wie vom iPhone-Geschäft. Hoffnung darf man haben, denn bei aller Skepsis und Kritik seitens Experten und Analysten: Apple wird wohl mal wieder in der Lage sein, sich auf neuen Geschäftsfeldern zu behaupten. Die neuen Dienstleistungen könnten wichtige Weichen für wieder steigendes Wachstum stellen.

Florian Spichalsky