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Daimler – Ein Stern verblasst

Nach der dritten Gewinnwarnung innerhalb eines Jahres geht Daimler an der Börse auf Talfahrt. Auch, weil Analysten schon vor einer vierten warnen. Zwischen Abgasskandal, Diesel-Sterben und Handelskonflikt droht den Stuttgartern ein Fiasko.

BÖRSE am Sonntag

Nach der dritten Gewinnwarnung innerhalb eines Jahres geht Daimler an der Börse auf Talfahrt. Auch, weil Analysten schon vor einer vierten warnen. Zwischen Abgasskandal, Diesel-Sterben und Handelskonflikt droht den Stuttgartern ein Fiasko.

Der Start ins Börsenjahr 2019 war für Daimler ein guter. Sogar ein sehr guter, blickt man auf die völlig verkorksten zwölf Monate davor zurück, als der Aktienkurs des deutschen Auto-Großkonzerns auf dem Chartbild ausschließlich gen Süden wanderte und so in aus Aktionärssicht bitterster Kontinuität von rund 73 auf zirka 47 Euro abstürzte. Zu Beginn des laufenden Jahres setzte er zur Erholung an, Annährungsversuche im Handelskonflikt zwischen China und den USA sowie ein überraschend starker Dax hoben ihn bis in den April hinein zurück auf rund 60 Euro. Ein Plus von 34 Prozent. In der Folge jedoch zeigte sich, dass es sich nur um ein kurzes Aufbäumen gehandelt haben sollte. In Sachen Handelskonflikt wurde aus Ent- noch ernstere Verspannung, die Europawahl und der mit ihr in Deutschland verbundene Siegeszug der Grünen machten deutlich, dass ein Großteil der Bevölkerung im eigenen Land die Energiewende will und damit auch wenige bis keine Verbrenner-PKW mehr auf den Straßen sehen möchte, und dann rückten auch noch Abgasskandal und Dieselaffäre zurück in den Fokus.

Daimler und das Glaubwürdigkeitsproblem

So ordnete das Kraftfahrtbundesamt am vergangenen Freitag erneut einen Rückruf für 60.000 Mercedes-Benz GLK 220 an. Im Rahmen von Untersuchungen will die Behörde eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung festgestellt haben. Daimler widersprach, wie es quasi zur Tradition geworden ist, wenn es um die Rolle der Stuttgarter im Abgasskandal geht. Erst vergangenen August riefen die Behörden 690.000 Mercedes-Benz-Diesel wegen des Verdachts auf illegale Abschalteinrichtungen zurück. Darunter der Kleintransporter Vito wie weitere Modellvarianten des GLC, GLE, GLS, der C-, E- und S-Klasse. Auch hier bestreitet Daimler, illegale Software verwendet zu haben.
Daimlers Problem: Inzwischen glaubt dem Konzern kaum noch wer. Vor allem nicht an der Börse. Zu groß ist die Angst davor, der Skandal könnte sich in VW-Größenordnungen ausweiten. Die Wolfsburger haben inzwischen rund 30 Milliarden Euro für ihre Schummeleien bezahlen müssen. Für Daimler wäre eine solche Summe deutlich schwieriger zu stemmen, gerade in der jetzigen Situation, wo Handelskonflikte, Rezessionssorgen und ein sich rasch beschleunigender Mobilitätswandel aufs Ergebnis drücken.

Folgen weitere Gewinnwarnungen?

Und so legte der Aktienkurs des Konzerns mit dem Stern im Eiltempo den Rückwärtsgang ein, fiel von Mitte April bis Ende Juni um 20 Prozent, auf zuletzt 48 Euro. Zum großen Teil Schuld daran hat Daimlers jüngste Gewinnwarnung, die nicht nur die dritte innerhalb eines Jahres war, sondern einmal mehr die genannten Sorgen zu bestätigen pflegte. Während Ende Juni 2018 zunächst von einem Ebit leicht unter Vorjahresniveau die Rede war, wurde Mitte Oktober desselben Jahres ein „deutlich unter Vorjahresniveau“ daraus, 2019 nun soll es  „in etwa auf Vorjahresniveau“ liegen, anstatt um fünf bis 15 Prozent zu steigen, wie ursprünglich anvisiert. Inzwischen gelten also die zurechtgestutzten Ziele des vergangenen Jahres als Maximal-Ziel. Und ob dieses hält, ist mindestens fraglich. Er fürchte, dass die Gewinnwarnung des Autokonzerns nicht die letzte in diesem Jahr war, schrieb beispielsweise Warburg Research-Analyst Marc-Rene Tonn in einer Studie. Auch Jose Asumendi von der US-Bank JP Morgan schloss zumindest nicht aus, dass Daimler im Jahresverlauf noch weitere Rückstellungen vornehmen müsse. Die jüngste liegt im hohen dreistelligen Millionenbereich, wohl bei fast einer Milliarde Euro. Allein für die laufenden Verfahren und die Dieselumrüstung von Mercedes-Benz-PKW. „Da können weitere Dinge hochkommen“, warnt Evercore ISI-Analyst Arndt Ellinghorst. „Was passiert, wenn man feststellt, dass auch andere Baureihen betroffen sind?“, fragte er mit Blick auf die mit 60.000 betroffenen Fahrzeugen geringe Anzahl. Darüber hinaus könnten Daimler in den USA ähnlich wie VW Sammelklagen drohen. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler gab darüber hinaus zu bedenken, dass nicht nur die Extrakosten und die kriselnde Van-Sparte – diese könnte 2019 operativ in die roten Zahlen rutschen – für die Gewinnwarnung verantwortlich seien, sondern auch das Kerngeschäft, sprich das mit Autos der Marke Mercedes-Benz, in keiner besonders guten Verfassung sei.

Verliert Daimler den Anschluss?

Immerhin die Nachfrage in China entwickelte sich zuletzt besser als erwartet. Die Absätze von Premium-Autobauern boomten weiter, schrieb Robin Zhu vom Analysehaus Bernstein Research. Allerdings rage vor allem BMW im Mai mit einem Absatzplus von 30 Prozent heraus, Mercedes-Benz zeige mit einem Plus von 0,6 Prozent eine stabile Entwicklung. Doch stabil ist in der jetzigen Situation zu wenig. Schließlich dürften der Handelskonflikt wie vor allem auch Chinas Drängen auf einen Wandel hin zur E-Mobilität in Zukunft die Geschäfte deutscher Automobilhersteller im Reich der Mitte erschweren. Wenn es für Daimler schon jetzt nur stabil läuft, was ist dann in ein paar Jahren?

Für Ola Källenius, der seit dem 22. Mai als Nachfolger von Dieter Zetsche an der Daimler-Konzernspitze steht, wird es ein unruhiges erstes Jahr werden, so viel steht fest. Und für den Moment sieht es ganz danach aus, als könnten die folgenden Jahre nicht viel ruhiger werden. In Sachen E-Mobilität muss Daimler eine Menge aufholen, auch mit Blick auf die deutsche Konkurrenz. Volkswagen und BMW scheinen inzwischen zielgerichteter unterwegs. Die Aktie indes lockt freilich mit ihrer extrem günstigen Bewertung (KGV: 6,6) und einer Dividendenrendite von 6,5 Prozent. Wohl auch deshalb liegt das Kursziel der Analysten im Schnitt noch klar über 50 Euro. JP Morgan sieht die Aktie zum Jahresende sogar bei 69, Bernstein Research bei 73 Euro. Insgesamt raten 29 Analysten dazu, die Daimler-Aktie zu kaufen, 43 dazu, sie zu halten, nur drei würden das Papier verkaufen.

Nach großen Kursgewinnen sieht es derzeit jedoch nicht aus. Anleger dürften bei Daimler zunehmend einen langen Atem brauchen. Es könnte dauern bis der Stern zu alter Strahlkraft zurückfindet, momentan verblasst er.

Oliver Götz

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