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Ist die Bayer-Aktie klar unterbewertet?

Die Bayer-Aktie scheint im freien Fall. Auf Jahressicht steht sie bereits mit mehr als 40 Prozent im Minus. Die Mega-Übernahme von Monsanto und die zunehmenden Klagen gegen dessen Unkrautvernichter Glyphosat belasten nach wie vor den Kurs. Und auch die jüngsten Quartalszahlen überzeugen nicht in Gänze. Vielen Analysten gilt die Aktie inzwischen dennoch als klar unterbewertet.

BÖRSE am Sonntag

Die Bayer-Aktie scheint im freien Fall. Auf Jahressicht steht sie bereits mit mehr als 40 Prozent im Minus. Die Mega-Übernahme von Monsanto und die zunehmenden Klagen gegen dessen Unkrautvernichter Glyphosat belasten nach wie vor den Kurs. Und auch die jüngsten Quartalszahlen überzeugen nicht in Gänze. Vielen Analysten gilt die Aktie inzwischen dennoch als klar unterbewertet.

Es ist ein Kursverlauf des Grauens, den sich die Bayer-Aktie da auf Jahressicht ins Chartbild gezeichnet hat. Ein Minus von 40 Prozent hat sich inzwischen angehäuft, mit Blick auf den Dax hat das im selben Zeitraum nur die Deutsche Bank noch schlechter hinbekommen. Mit einem derzeitigen Kurs von rund 63 Euro steht das Papier des Pharmakonzerns so tief wie seit mehr als sechs Jahren nicht mehr. Und das könnte noch immer nicht das Ende der nun schon seit 2015 andauernden Negativentwicklung sein. Charttechnisch fehlen die Unterstützungslinien, die Aktie befindet sich im freien Fall. Und ein stark schwächelnder Gesamtmarkt taugt derzeit auch nicht gerade als stabilisierender Faktor. Bayer muss sich aus seiner Misere an der Börse also zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt aus eigener Kraft befreien.

Fragt sich nur, woher diese Kraft kommen soll. Vor Kraft strotzen, das tun sie ja gerade nicht unbedingt in Leverkusen, was die jüngsten Quartalszahlen nun einmal mehr belegten. Die ganz bösen Überraschungen blieben zwar aus, in Teilen übertraf man sogar die Analystenerwartungen, doch ein Befreiungsschlag sieht wohl auch anders aus. So gab es zwar Zuwächse im Pharmageschäft – insgesamt legte das Ergebnis der Sparte um vier Prozent auf 1,6 Milliarden Euro zu – was jedoch nicht zuletzt an einem Einmalertrag aus der Entwicklungskooperation mit dem US-Konzern Johnson&Johnson in Bezug auf den Gerinnungshemmer Xarelto lag. Probleme bereiteten dagegen weiterhin ein träges Geschäft mit rezeptfreien Mitteln und gestiegene Produktionskosten sowie Lieferengpässe bei Bayers Verkaufsschlager Aspirin. Die US-Gesundheitsbehörde FDA forderte hier jüngst Anpassungen in der Produktion, die den Leverkusenern alles in allem um die 300 Millionen Euro kosten dürften.

Konzernergebnis leidet, Ebitda besser als erwartet

Einiges gekostet hat Bayer auch weiterhin die Integration von US-Saatgutriese Monsanto, dessen Geschäfte im dritten Quartal erstmals komplett in den Geschäftszahlen der Deutschen enthalten waren. Das Ebitda der Agrarsparte wuchs zwar dank Monsanto um rund 25 Prozent auf 386 Millionen Euro und von insgesamt 3,7 Milliarden Euro Umsatz in dem Sektor entfielen 2,2 Milliarden auf das US-Unternehmen, doch das Konzernergebnis litt erneut und sank von 3,9 Milliarden Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf nun 2,9 Milliarden Euro. Dass die Differenz so hoch ausfällt, lag allerdings auch an einer Reihe von positiven Sondereffekten, die Bayer im Vorjahr zu Gute gekommen waren. Ebenso litt Bayer im dritten Quartal unter ungünstigen Wechselkursen, zuvorderst unter der Schwäche des brasilianischen Real.

Den Umsatz freilich beeinflusste Monsanto positiv, er stieg um 25 Prozent auf 9,9 Milliarden Euro. Analysten hatten hier im Schnitt jedoch etwas mehr erwartet. Die Geschäfte der Amerikaner ausgenommen, stand ein Plus von 1,9 Prozent zu Buche. Das Ebitda lag mit 2,2 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau, übertraf damit die Analystenschätzungen von 2,05 Milliarden Euro. Hier wirkte sich aber eben auch der bereits erwähnte Einmalertrag aus der Kooperation mit Johnson&Johnson aus.
Alles in allem sind das solide Zahlen. Keine großen positiven Überraschungen, aber eben auch keine neuen Hiobsbotschaften. Das Problem ist nur: Solide Zahlen reichen Bayer nicht, um an der Börse endlich den Kursverfall der eigenen Aktie zu stoppen. Denn nach wie vor baumelt bei Bayer über allem ein Damoklesschwert namens Glyphosat. Und ein Großteil der Anleger scheint sich noch immer zu wundern, warum man sich dieses überhaupt und so unbedingt mit einer 63 Milliarden schweren Übernahme an die Konzerndecke hängen musste.

Glyphosat-Klagen häufen sich

Inzwischen haben sich in den USA mit Blick auf den umstrittenen Unkrautvernichter mehr als 9.300 Klagen angehäuft. Tendenz steigend. Im Oktober waren es bereits 600 mehr als noch im August. Und die Chancen für die Kläger scheinen in Nordamerika nicht so schlecht zu stehen. Im Sommer hatte bereits ein Krebspatient einen Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe zugesprochen bekommen. Später wurde die Summe zwar deutlich nach unten korrigiert und Bayer ging in Berufung, doch der Ausgang scheint mehr als ungewiss. Im März kommenden Jahres startet ein weiteres Verfahren, erneut haben zwei Krebspatienten geklagt, die Glyphosat über Jahre hinweg eingesetzt hatten. „Wir sind unverändert davon überzeugt, gute Argumente zu haben, und wir beabsichtigen, uns in all diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen“, blieb Konzernchef Werner Baumann zuletzt optimistisch.

Ist die Bayer-Aktie ein Schnäppchen?

Anleger sind es ganz offenkundig nicht. Und so schicken sie die Bayer-Aktie von einem Tief zum nächsten. Dabei könnte sich trotz oder vielleicht gerade aufgrund dieser überaus konstanten „Schlechtwetterlage“ allmählich wieder der Einstieg lohnen. Die große Mehrheit der Analysten jedenfalls glaubt an bald wieder bessere Zeiten. Die Aktie des Konzerns sei derzeit eine von neun besonders attraktiven europäischen Aktien aus fünf Branchen, schrieb beispielsweise Bernstein Research-Analystin Ann Larson in einer Studie. Bayer sei nach den jüngsten Kursrutschen klar unterbewertet, so die Expertin weiter. Ihr Kursziel beließ sie bei 90 Euro, was immerhin einem Aufwärtspotenzial von mehr als 40 Prozent entspricht. Die Latte mit einem Kursziel in Höhe von 125 Euro nochmal deutlich höher legt Tim Race von der Deutschen Bank. Das Aufwärtspotenzial beim Kurs bleibe groß, so der Analyst.

Mit Blick auf die längerfristigen Ziele ist die Aktie mit einem derzeitigen KGV von zirka 11 in der Tat äußerst günstig bewertet. Geht es nach Chef Baumann soll das bereinigte Ergebnis je Aktie von 2021 an im zweistelligen Prozentbereich liegen. Monsanto zudem ab 2019 erstmals einen positiven Beitrag zum Gesamtergebnis liefern und ab 2022 zu Einsparungen von jährlich rund 1,2 Milliarden Dollar führen. Und dann ist da ja auch noch eine stattliche Dividende von derzeit 2,80 Euro. Die Dividendenrendite liegt damit bei über vier Prozent. Und an der Ausschüttung will man bei Bayer nicht rütteln.

Doch auch wenn die Aktie dahingehend günstig bewertet ist, das Hauptrisiko blieben die Risiken im Zusammenhang mit Glyphosat, ist Credit Suisse-Analystin Jo Walton überzeugt. Sie hat ihr Kursziel deshalb von 95 auf 77 Euro gesenkt. Doch auch das entspricht bei dem derzeitigen Kurs noch immer einem Aufwärtspotenzial von 22 Prozent. Es scheint also nicht unmöglich, dass das Grauen in Sachen Kursverlauf bald ein Ende findet.

Oliver Götz