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KGV von 3,3! Die VW-Aktie wird immer günstiger

Sorgen um die Konkurrenzfähigkeit im E-Zeitalter lassen die Aktie von Deutschlands größtem Autobauer einbrechen. Gleichzeitig sprudeln in Wolfsburg die Gewinne. An der Börse ist der Weltkonzern deshalb kurios niedrig bewertet.

(Foto: VW)

Sorgen um die Konkurrenzfähigkeit im E-Zeitalter lassen die Aktie von Deutschlands größtem Autobauer einbrechen. Gleichzeitig sprudeln in Wolfsburg die Gewinne. An der Börse ist der Weltkonzern deshalb kurios niedrig bewertet.

Die Volkswagen-Aktie verliert seit Monaten an Wert. Im Jahresverlauf steht sie mit 43 Prozent im Minus. Seit dem Zwischenhoch aus dem April 2021 bei 245 Euro geht es steil und beständig bergab. Anfang September kosten die Papiere der Wolfsburger nur noch 107 Euro. Das bedeutet einen Verlust von 57 Prozent innerhalb von zwei Jahren. Die Aktie kommt damit ihrem Corona-Tief immer näher, die darauffolgende Erholung ist in Gänze dahin. Aktuell hätte die Aktie auf Sicht von 16 Jahren nichts hinzugewonnen. Das ist beinahe absurd, bedenkt man, dass VW sein operatives Ergebnis in dieser Zeit vervierfacht und den Umsatz weit mehr als verdoppelt hat.

Auch in diesem Jahr läuft es fundamental deutlich besser, als der Aktienkurs dies anzeigt. Im ersten Halbjahr kletterte das operative Ergebnis auf 13,9 Milliarden Euro, die Umsatzerlöse um starke 18 Prozent auf 156,3 Milliarden Euro. Die Auslieferungen erreichten in den ersten sechs Monaten des Jahres ein Plus von 13 Prozent. Absolut bedeutet das 4,4 Millionen verkaufte Fahrzeuge. 

An der Börse erweisen sich diese Zahlen jedoch offenbar als wertlos. Die Aktie des zweitgrößten Autobauers der Welt fällt und fällt und fällt. Diese Gemengelage aus fundamentalem Erfolg und gleichzeitigem Ausverkauf an der Börse hat die VW-Titel fast schon absurd günstig werden lassen. Das KGV steht aktuell bei 3,3. Nur die Porsche Automobil-Holding, deren Kursentwicklung in weiten Teilen der von VW folgt, ist im Dax noch etwas günstiger bewertet. Dann folgen nur noch die Aktien derjenigen Konzerne, die aktuell Verlust machen. Die Dividendenrendite der VW-Aktie ist auf über acht Prozent angewachsen, Top-Wert im Dax.

Warum die Lücke zwischen realwirtschaftlichem Zustand und Finanzmarktperformance so groß ist, liegt wie so häufig an der Börse am Blick in die Zukunft. Anleger sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie im E-Zeitalter, allen voran um die von Volkswagen, da die Wolfsburger über die Kernmarke VW und weitere Töchter, wie beispielsweise Skoda, den Massenmarkt bedienen. Und in diesem Segment droht besonderes Ungemach in und aus China. Die einheimischen Hersteller dort haben über die vergangenen Jahre hinweg aufgeholt und sind nun dabei im Segment der günstigeren Klein- bis Mittelklassewagen etablierte Marken, wie VW, zu überholen. Der Gegenwind, dem Volkswagen sowohl auf globaler Ebene als auch in Europa durch chinesischen E-Autos ausgesetzt sei, werde unterschätzt, meint auch UBS-Analyst Patrick Hummel. Einige chinesische Hersteller seien auf dem Weg zu „neuen globalen Champions“. Sein Kursziel für die VW-Aktie senkte Hummel deshalb weiter ab, auf nur noch 100 Euro. Ferdinand Dudenhöffer, Deutschlands wohl einflussreichster Branchenexperte, sprach jüngst von einer „Zeitenwende, die Europa zum interessanten Markt für chinesische Elektroautos macht“.

Die Sorge ist groß, dass die aktuellen Rekordergebnisse ein Strohfeuer sind. Die hohen Gewinne gehen schließlich vor allem auf den Verkauf teurer Verbrenner zurück. In dem Segment sind die deutschen Hersteller um VW, Mercedes-Benz und BMW nach wie vor technisch und auch, was das Image der Marke betrifft, führend. Doch besonders in China zeigt sich, dass der Wandel hin zur E-Mobilität nicht mehr aufzuhalten ist. Das zukünftige Image bestimmen aller Voraussicht nach nicht mehr Motorsteuerung und PS-Zahl, sondern Software und Entertainment. Und diesbezüglich haben die chinesischen Entwickler Schritt gehalten. Der technischen Wettbewerbsnachteil, wie es ihn bei Verbrennern gibt, ist passé. Das weiß auch Chinas Regierung, die alles daran setzt, eine starke heimischen Autoindustrie aufzubauen und die eigenen Hersteller immer wieder finanziell unterstützt. Deshalb, aber auch aufgrund von günstiger Arbeitskraft sowie Vorteilen in der Wertschöpfungskette, kann Chinas Autoindustrie ihre E-Modelle deutlich günstiger anbieten als die Konkurrenz. Allein bei der Batterie hätten chinesische Autobauer einen Kostenvorteil von bis zu 2.000 Euro, erklärt Harald Proff, Branchenprofi der Unternehmensberatung Deloitte. Im ersten Halbjahr 2023 wurden erstmals mehr als die Hälfte alle in China abgesetzten Autos von inländischen Herstellern wie BYD, Nio oder Xpeng gebaut. Das trifft selbst Tesla, obwohl die Mark im E-Auto-Segment eine gigantische Strahlkraft hat. Die US-Amerikaner müssen hohe Rabatte aufbieten, um im Wettbewerb noch mithalten zu können. Doch die Auslieferungszahlen steigen noch. Ganz anders bei VW. Der Konzern musste seine Markführerschaft in China an BYD abgeben. Im Juli verkauften die Wolfsburger mit 260.400 Fahrzeugen 10,2 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Über die ersten sieben Monate hinweg schrumpfte der Absatz in der Volksrepublik um 2,7 Prozent. Dass Volkswagens Absatz insgesamt steigt, liegt am Wachstum in Europa und in den USA. An der Börse hilft VW das wenig, denn Anleger fragen sich wohl zurecht, was passiert, wenn die chinesischen Hersteller damit beginnen, VW und anderen auch auf westlichen Märkten Konkurrenz zu machen. Gerade, da es in China die schwachen E-Auto-Verkäufe sind, die VW, genauso wie Mercedes-Benz und BMW, belasten. Die Stuttgarter und Münchner haben immerhin noch das Premium-Argument auf ihrer Seite und versuchen sich aktuell sogar am Sprung ins Luxus-Segment. Weniger Absatz und Verluste auf dem Massenmarkt können sie so durch hochpreisige Modelle ausgleichen. Das könnte auch im E-Zeitalter funktionieren, da die Menschen bereits sind viel Geld für die Marke zu bezahlen. Volkswagen hat mit Audi und Porsche auch eine Menge Premium und Luxus aufzubieten, wird als Gesamtkonzern an der Börse aber natürlich weiterhin als Volumenhersteller wahrgenommen werden. Schließlich zählt die Konzernmarge, nicht die einzelner Marken. Zudem lässt sich in Porsche, also die Tochter mit der höchsten Marge, nach dem IPO nun auch gesondert investieren.

VW-Chef Oliver Blume hat die Risiken erkannt. Jüngst verkündete er den Einstieg von VW beim chinesischen Autobauer Xpeng. Zukünftig will man gemeinsam E-Modelle im Mittelklassesegment entwickeln und dazu die Plattform der Chinesen nutzen. Eine ähnliche Kooperation ist zwischen Audi und SAIC geplant. Aus Ergebnissicht ist das mittelfristig wohl ein kluger Schachzug, ob er langfristig hält, was er verspricht, sei einmal dahingestellt. Deutsche Bank-Analyst Tim Rokossa schrieb, dass sich VW mit dem Deal teilweise eine Niederlage eingestehe. Technologie von anderen Herstellern einzukaufen sei untypisch für den Konzern.

Allen Risiken und dem aktuell gefährlichen Gegenwind zum Trotz, sollte man die deutschen Hersteller und damit auch VW noch nicht abschreiben. „Auch wenn neue Hersteller aktuell die Nase bei der Batterietechnologie vorn haben und daher das Volumensegment besser bedienen können, ist das Rennen noch nicht entschieden“, sagt Deloitte-Experte Proff. Hebel dafür sei eine stärkere Zusammenarbeit, eine effizientere Produktion und technologischer Fortschritt beim Thema Batterie. Proff sieht durchaus die Chance für traditionelle Autobauer „Vorreiter in einer neuen Technologie zu werden“.

Tatsächlich ist auch schon jetzt nicht alles schlecht. Ein Blick auf Deutschland zeigt, dass Volkswagen Tesla als absatzstärksten E-Auto-Hersteller abgelöst hat. Das ist definitiv als Erfolg zu werten. Und an der Börse bewertet Berenberg-Analyst Romain Gourvil das Chance-Risiko-Verhältnis bei VW als attraktiv. Gourviel erwähnte zwar ebenfalls Nachfragesorgen und Margendruck, weshalb er auf Stock-Picking setzt. Diesbezüglich seien aber relativ niedrig bewertete Unternehmen mit Optimierungspotenzial in der Branche seine Favoriten. VW gehört dazu. Das Chartbild sieht zwar trübe aus, doch zur Wahrheit gehört auch: So schlecht, wie die Stimmung an der Börse, ist die Lage bei Volkswagen und der gesamten deutschen Autoindustrie nicht.

OG

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