Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Aktien >

Vorsicht Inflation: So reagieren Anleger richtig!

Die Preise dies- und jenseits des Atlantiks steigen rasant. Ökonomen beschwichtigen und verweisen auf die Sondersituation in Folge der Pandemie. Anleger sollten sich darauf nicht verlassen. Es könnte anders kommen.

(Foto: telesniuk / Shutterstock)

Die Preise dies- und jenseits des Atlantiks steigen rasant. Ökonomen beschwichtigen und verweisen auf die Sondersituation in Folge der Pandemie. Anleger sollten sich darauf nicht verlassen. Es könnte anders kommen.

Für Preisstabilität sorgen. Das ist eine der innersten Kernfunktionen einer Notenbank. Besonders für die Europäische Zentralbank (EZB) ist es das oberste Ziel. Sie soll die Inflationsrate im Euroraum bei knapp unter zwei Prozent halten, womit die Preise stabil blieben. Steigt die Rate über den Zielwert, muss sie eingreifen, beispielsweise die Zinsen erhöhen.

So war mal die Theorie. Die Praxis, zeigt sich, sieht ganz anders aus. Jetzt, da es so weit wäre und die Mechanismen greifen sollten, schauen die Währungshüter nur zu. Nach Jahren stagnierender Preise und zum Teil deflationären Tendenzen, also im Schnitt fallenden Preisen, ist die Inflation im Zuge der Corona-Pandemie zurückgekehrt. Und das mit unvorhergesehener Wucht. In den USA stiegen die Preise im August um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Juli waren es 5,4 Prozent. In Deutschland lag die Inflationsrate im Juli bei 3,8 und im August bei 3,9 Prozent. In der Eurozone zeichnet sich mit 2,2 und drei Prozent ein moderateres Bild. Dennoch: Die Teuerungsrate im August entspricht der höchsten seit 2011 – und liegt klar über den anzustrebenden „knapp zwei Prozent“.

Dies- und jenseits des Atlantiks zeichnet sich also eine Entwicklung ab, die bei Notenbankern eigentlich längst die Alarmglocken schrillen lassen müsste. Jetzt müssten die obersten Währungshüter eingreifen oder sich zumindest auf einen Eingriff vorbereiten. Doch es tut sich nichts. Ende des Jahres könnte die Inflationsrate so auch in Deutschland um die fünf Prozent erreichen, schätzt Bundesbankpräsident Jens Weidmann. EZB-Chefin Christine Lagarde bat in einer Zinssitzung jüngst um „Geduld“ und propagierte eine Politik der „ruhigen Hand“. Eine Sitzung vorher hattet die EZB bereits entschieden, dass neue Inflationsziel möge nun bei zwei Prozent liegen, vorübergehende Überschreitungen wolle man darüber hinaus tolerieren. Ifo-Chef Clemens Fuest sieht überdies „keinen Grund zur Sorge“ und Jeremy Powell, Präsident der US-Notenbank Fed verdeutlichte auf der Notenbankkonferenz in Jackson Hole Ende August noch einmal, dass er die hohe Inflation für ein temporäres Phänomen hält. In den nächsten Monaten dürfte sich die Dynamik abschwächen. Auch die EZB glaubt an eine bald wieder niedrigere Inflation. 2022 kalkuliert sie mit im Schnitt 1,5 Prozent, 2023 mit 1,4 Prozent.

Und wenn es anders kommt? Darauf gibt es bis dato von höchster Ebene keine Antworten. Offenbar will man sich damit gar nicht erst aufhalten, weil es dann mindestens kompliziert wird. Bert Flossbach, Gründer und Vorstand des Vermögensverwalters Flossbach von Storch, warnt: „Es wäre illusorisch zu glauben, man könne die Inflation derart präzise vorhersagen und steuern. Gut möglich, dass die Vertreter der EZB mit diesen Progosen allein signalisieren wollen, dass kein Inflationsrisiko besteht. Alles vorübergehend, alles bald schon wieder vorbei. So ließe sich aus Sicht der EZB rechtfertigen, an ihrer lockeren Geldpolitik festzuhalten. Wenn kein Inflationsrisiko besteht, muss auch der Zins nicht angepasst, müssen die Anleihekäufe nicht eingestellt werden.“

Dabei fehlen schlicht die Werkzeuge, um der Lage Herr zu werden. Die Zinsen können nicht steigen, weil die horrenden Staatsschulden dann nicht mehr zu bedienen wären, zudem der Aufschwung nach der Pandemie gefährlich ins Stocken geraden könnte. Also passt man, wie die EZB, einfach die Ziele neu an – und beschwichtigt. Für Ruhe Sorgen, lautet das Gebot der Stunde in den obersten Etagen der Notenbanken. „Die Zentralbanken haben sich längst in die Gefangenschaft der Staaten und Finanzmärkte begeben und ihre Kraft zur Inflationsbekämpfung verloren. Ihnen bleibt nur noch übrig, den Furchtlosen zu spielen“, konstatiert der Volkswirt und Leiter des Flossbach von Storch Research Institute, Thomas Mayer. Ob sie also ehrlich sorglos, gefährlich sorglos oder sogar bewusst sorglos sind, das lässt sich von außen nur schwer erahnen. Einen Kontrollverlust könnten Lagarde oder Powell im Fall der Fälle jedenfalls kaum zugeben. Massive Vertrauensverluste in die Währungen, in die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik und damit wohl auch ein handfester Börsencrash, wären die Folge.

Der aktuell eingeschlagene Alles-halb-so-wild-Kurs sollte Anlegern deshalb zumindest eine Warnung sein. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Sondereffekten, die die Inflation aktuell antreiben. Der Aufschwung nach dem Abschwung, Aufholeffekte im Konsum und damit einhergehende Lieferengpässe, die insgesamt hohe Nachfrage nach Rohstoffen und der stark steigende Ölpreis, in Deutschland die Mehrwertsteuersenkung im vergangenen Jahr. Aber: Auch die Zinsen sollten einmal kurzfristig niedriger ausfallen, ehe daraus eine Niedrigzinsphase wurde, die inzwischen droht, gegen unendlich zu laufen.

Das billige Geld und die hohen Staatsausgaben sind beispielsweise Inflationstreiber, die nicht nur kurzfristiger Natur sind. Und je länger die Sondereffekte in Folge der Pandemie bleiben, desto brenzliger wird die Gesamtsituation. Noch steigen nur die Preise, doch die ersten Stimmen erheben sich bereits, die Lohnerhöhungen wegen der aus dem Ruder laufenden Teuerungsrate fordern. „Wer davon ausgeht, dass die Preise künftig stärker steigen, wird das auch bei seinen Gehaltsverhandlungen berücksichtigen und mehr Lohn fordern“, ist Bert Flossbach überzeugt. Es droht die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale, die sich dann nur schwer wieder einfangen ließe. Wer außerdem von steigenden Preisen ausgeht, ist eher bereit schon heute hohe Preise zu bezahlen. Auch das lässt die Teuerungsrate weiter klettern.

Es ist aller Beschwichtigungsmaßnahmen zum Trotz also nicht ausgemacht, ob die hohen Inflationsraten einfach so wieder verschwinden. Es gibt Gründe dafür, aber auch einige dagegen. Für Anleger wird das Thema daher zum Risiko. Möglich, dass die Notenbanker irgendwann nicht mehr anders können, als den Zins doch anzuheben, zumindest leicht. Möglich auch, dass sie Inflationsraten von drei bis fünf Prozent längerfristig tolerieren (müssen).

Wie lassen sich solche Szenarien im Depot berücksichtigen?

Eine beliebte Option ist und bleibt der Goldkauf. Besonders in Deutschland ist das Edelmetall das bevorzugte Investment, um sich gegen Wertverluste abzusichern. Daten des World Gould Council nach, haben die Deutschen im zweiten Quartal 2021 so viel Münzen und Barren gekauft, wie zuletzt vor zehn Jahren. In Gold investiert, kann Geld aber auch nicht mehr für seinen Besitzer arbeiten. Das Edelmetall „wächst“ nicht, es generiert keine Umsätze und Gewinne, damit auch keine Dividenden und seine Kurssteigerungen sind zu einem großen Teil allein von den gerade vorherrschenden Wertvorstellungen seiner Käufer abhänging. Gold gibt also eine gewisse Sicherheit, schützt bei Inflationsraten aber auch nicht zwingend vor Wertverlust.

Bleibt das ähnlich beliebte Betongold als zweite Option. Hier kauft man sich mit der Immobilie einen Werterhalt und bekommt über Mieten eine jährliche Rendite, die die Inflation ausgleichen kann. Was einfach klingt, ist allerdings gerade für viele Kleinanleger finanziell kaum zu stemmen. Zwar lässt sich über diverse Immobilienfonds anteilig partizipieren. Im alleinigen Besitz der Immobilie ist man dann aber nicht und bleibt immer auch abhängig von Entscheidungen des Fondsmanagements.

Der schnellste und einfachste Weg, um sich vor der Inflation zu schützen, dürfte daher für viele Privatanleger die Aktie sein, denn es gibt eine Reihe von Branchen und Unternehmen, die von einem Mix aus anziehender Inflation und womöglich leicht steigender Zinsen profitieren könnten.

Drei Beispiele

Die Luxusgüterbranche: LVMH

Darunter befindet sich beispielsweise der französische Luxusgüterkonzern LVMH. Die Branche ist erwartungsgemäß gut durch die Coronakrise gekommen. Weltweit blieb das gut betuchte Klientel auf finanzieller Sicht weitgehend unbeschadet. Im Gegenteil: Die Wertsteigerungen bei Immobilien und an den Aktienmärkten haben den Wohlstand der Wohlhabenden noch erhöht. Nun kommen Aufholeffekte im Konsum dazu. Geld, das unter normalen Umständen vielleicht für teure Reisen ausgegeben wird, ist jetzt übrig für eine Louis-Vuitton-Handtasche. Überdies stimmt der Trend in der Branche seit Jahren. Die Branche erfreut sich also an erstklassigen Zukunftsaussichten, einem von steigenden Zinsen wenig berührten Geschäftsmodell und einer deutlichen Aufbesserung der ohnehin schon starken Margen durch Preiserhöhungen, die sich im Luxus-Segment traditionell sehr einfach durchsetzen lassen. Die LVMH-Aktie ist auf Sicht von Zwölf-Monaten um fast 50 Prozent gestiegen. Aktuell kostet das Papier 631 Euro. Die Analysten von Jefferies und der UBS lobten jüngst Kursziele von 750 und 748 Euro aus.


Die Versicherer: Allianz

Für Europas größten Erstversicherer lief es an der Börse zuletzt weniger gut. Die Aktie lief von  März an zunächst seitwärts, während der Dax beinahe täglich ein neues Rekordhoch erreichte. Im Sommer wurde aus der Seitwärts- dann sogar eine Abwärtsbewegung, nachdem milliardenschwere Rechtsrisiken in den USA bekannt wurden. Pensionsfonds aus den USA hatten die Allianz auf Schadenersatz verklagt. Es geht dabei um einige Hedgefonds der Tochter Allianz Global Investors, die im Zuge der Coronakrise massive Verluste machten. Zwei dieser Fonds wurden sogar liquidiert. Nach der Wertpapieraufsichtsbehörde SEC untersucht nun auch das US-Justizministerium den Fall.
Noch immer hat die Aktie deshalb ihr Vorkrisenniveau nicht erreicht. Nach wie vor drücken auch die Unsicherheit bezüglich dem weiteren Pandemieverlauf auf den Kurs. Aber auch die niedrigen Zinsen sind für die Versicherer nicht erst seit heute eine große Herausforderung. Entsprechend würde die Branche von wieder steigenden Zinsen und Anleiherenditen profitieren. Die Aktie der Allianz könnte sodann eine ausgeprägte Erholungsrally starten, schließlich sind die Münchner ein kerngesunder Konzern mit hohen jährlichen Gewinnen. Über die Töchter PIMCO und Allianz Globale Investors verdient man außerdem am Börsenboom mit. Die Bewertung an der Börse kommt mit einem KGV von 10 aktuell vergleichsweise moderat daher. Die Dividendenrendite liegt dazu bei erstklassigen 4,8 Prozent.

Die Konsumgüterbranche: Procter & Gamble

Steigen die Preise, gehören Konsumgüterriesen wie Procter & Gamble zu den Profiteuren der ersten Stunde. Sie verfügen über unzählige bekannte Marken und Produkte, die im Alltagsleben fast aller Menschen dann und wann benötigt werden und damit über eine große Marktmacht. Konsumenten können Preiserhöhungen nur schwer aus dem Weg gehen. Halten sie sich in Grenzen werden sie also meist problemlos mitgetragen. Steigende Zinsen sind für die wenig wachstumsorientierten, eher defensiven und stabilen Konsumgüterunternehmen ebenso weniger ein Problem, als für die vielen stark wachsenden, aber oft noch verlustreichen kleinen bis mittleren Unternehmen aus der Tech-Branche. Steigen bei Procter und Gamble die Gewinne, profitieren Aktionäre zudem nicht nur über einen steigenden Kurs. Der US-Konzern schüttet seit nunmehr 130 Jahren eine Dividende aus. Seit 64 Jahren erhöht er diese jährlich. In diesen Zeiten nennt man so eine Aktie wohl Basisinvestment.