Elon Musk: „Tesla stand ernsthafter Todesgefahr gegenüber“
Das laufende Jahr konnte Elon Musk mit einem überraschend starken dritten Quartal gerade eben noch retten. Grundlegendste Herausforderungen sind damit jedoch noch lange nicht vom Tisch. Und bald schon könnten die etablierten Automobilhersteller zu ernsthafteren Konkurrenten werden, als Tesla lieb sein kann. Den Kaliforniern läuft die Zeit davon. Das nächst Krisenjahr droht.
Das laufende Jahr konnte Elon Musk mit einem überraschend starken dritten Quartal gerade eben noch retten. Grundlegendste Herausforderungen sind damit jedoch noch lange nicht vom Tisch. Und bald schon könnten die etablierten Automobilhersteller zu ernsthafteren Konkurrenten werden, als Tesla lieb sein kann. Den Kaliforniern läuft die Zeit davon. Das nächst Krisenjahr droht.
„Tesla stand während des Anlaufs der Model 3-Produktion wirklich einer ernsthaften Todesgefahr gegenüber“, sagte Elon Musk vor kurzem im TV. Man habe wie verrückt Geld verloren und kurz vor der Pleite gestanden, gab der nach zuletzt unzähligen Eskapaden nicht mehr unumstrittene Tesla-Gründer und Chef überraschend ehrliche, aus Investorensicht aber auch beängstigende Einblicke in das Innenleben seines Unternehmens.
Dass Musk so etwas überhaupt wieder sagen kann, ohne dass im Anschluss die eigene Aktie den Rückwärtsgang einlegt und im Höchsttempo in die falsche Richtung davonfährt, liegt an einem für Tesla-Verhältnisse fast schon phänomenalen dritten Quartalsergebnis, dass die Aktie mit Vollgas und im Vorwärtsgang fast bis auf Rekordhoch – und damit in die richtige Richtung – rasen lies.
Model 3 fährt Tesla in die schwarzen Zahlen
312 Millionen Dollar Gewinn erzielte Tesla in den Monaten Juli, August und September. Der höchste in der Geschichte des 2003 gegründeten Unternehmens und überhaupt erst der dritte insgesamt. Nach einem Verlust von 718 Millionen Dollar im Vorjahresquartal kann man, wie es Musk tat, wohl tatsächlich von einem „wahrhaft historischen“ Ergebnis sprechen. Nicht zuletzt deshalb, da auch der Umsatz-Anstieg mit einem Plus von 130 Prozent auf 6,8 Milliarden Dollar die Erwartungen deutlich übertraf. Neben Einnahmen und Erträgen steigerte Tesla auch die liquiden Mittel, der Cashflow lag im abgelaufenen Quartal bei positiven 881 Millionen Dollar.
Grundlegenden Anteil an diesem Erfolg hatte Teslas Model 3, das Experten nicht nur als wichtiger Türöffner zum Massenmarkt gilt, sondern auch endlich in den lange Zeit anvisierten aber immer wieder aufs Neue klar verfehlten Stückzahlen vom Band rollte und dazu ganz allein für Umsätze in Höhe von drei Milliarden Dollar verantwortlich zeichnete. Insgesamt verließen im dritten Quartal 56.065 Model 3 die Produktionshallen. Gegen Ende des dreimonatigen Zeitraums sollen es 5.300 Stück pro Woche gewesen sein, womit das Produktionsziel von 5.000 Wagen pro Woche sogar übertroffen werden konnte. Und mit Blick auf das kommende Quartal sind sie in Kalifornien optimistisch. Man wolle in der Gewinnzone bleiben, auch den Cash-Flow erwarte man erneut positiv, erklärte Musk.
Nicht nur Loup-Expertin Gene Muster sprach damit einhergehend vom ermutigendsten Zeichen für nachhaltige Rentabilität, das man in den vergangenen drei Jahren gesehen hätte. Viele Analysten zeigten sich überrascht von der Deutlichkeit der Zugewinne. Jeffries-Analyst Philippe Houchois hob sein Kursziel für die Aktie von 360 auf 450 US-Dollar mit am deutlichsten an. Der Autobauer habe sich gut entwickelt und im dritten Quartal sein Potenzial in Sachen Gewinn und Finanzierung unter Beweis gestellt, schrieb er in einer Studie.
Aktie steigt in schwierigem Marktumfeld um 50 Prozent
Anleger reagierten ebenfalls und kauften eifrig Anteile hinzu. Innerhalb weniger Wochen kletterte der Kurs der Tesla-Aktie so um 50 Prozent von 250 auf 376 Dollar in die Höhe. Bevor sich das Papier dann allerdings endgültig dazu aufmachen konnte, sein Rekordhoch von 384 Dollar aus dem Juni 2017 anzugreifen, ging es manch Aktionär dann offenbar etwas zu schnell zu steil bergauf, weshalb Mitte Dezember wieder die Verkäufer das Steuer übernahmen und die Aktie bis auf 337 Dollar einbremsten. Damit hat der Tesla-Anteilsschein den US-Aktienmarkt im Herbst aber immer noch deutlich outperformt, gemessen an einem sehr schwachen Marktumfeld also eine überaus gute Entwicklung hingelegt. Mit Blick auf die damit einhergehende Marktkapitalisierung von 62 Milliarden Dollar ist man an der Börse wieder deutlich mehr wert als die größten US-Autobauer General Motors und Ford.
Gegenwärtige Performance verschleierte zukünftige Herausforderungen
Was sich gut liest, verschleiert jedoch grundlegendste Probleme und Herausforderungen, die Tesla bislang noch immer nicht lösen konnte beziehungsweise die mit den bevor stehenden Elektro-Offensiven etablierter Hersteller, wie nicht zuletzt die der Big Three aus Deutschland, Volkswagen, BMW und Daimler, hinzukommen werden.
Noch immer plagen Tesla gewaltige finanzielle Verpflichtungen, sprich zehn Milliarden Dollar Schulden, von denen die Kalifornier bis März 2019 1,3 Milliarden Dollar begleichen müssen. Allein dies dürfte das Konzernergebnis dann wohl wieder ins Minus drücken. Solange Tesla operativ weiter Gewinn erwirtschaftet, wäre dies nicht weiter schlimm, doch auch mit Blick auf diese Zahl gibt es einige Fragezeichen. Zunächst freilich dich, ob die jüngsten beziehungsweise noch höhere Stückzahlen auf Dauer machbar sind. Davon abgesehen aber vor allem die, inwiefern sich das Auslaufen der US-E-Auto-Prämie von immerhin 7.500 Dollar je Fahrzeug im kommenden Jahr auf Bestellungen und Verkäufe auswirkt. Noch immer hat es Tesla nicht geschafft ein günstigeres, für die breite Masse erschwingliches Modell auf den Markt zu bringen. Denn das Model 3 gibt es nach wie vor nicht für die ursprünglich einmal versprochenen 35.000 Dollar, sondern nur in deutlich teureren Sonderversionen ab 45.000 Dollar, die zwar punktuell die Gewinnspanne erhöhen, sich jedoch auf Dauer nur wenige werden leisten können. Auch das Model 3 für den europäischen Markt – ab Februar 2019 soll es zu haben sein – kostet in der günstigsten Version 57.400 Euro.
Kapitaldecke bleibt dünn
Noch liegen Tesla rund 400.000 Reservierungen für das Model 3 vor, doch um in Zukunft wirklich Großkonzerne wie Volkswagen oder Toyota angreifen zu können, braucht es weitere Investitionen. In neue Modelle, in eine verbesserte Produktion, in neue Produktionsstätten. Also in genau das, worüber Daimler, BMW und Co. schon längst verfügen. Sie müssen – salopp gesagt - eigentlich nur den Verbrenner mit einem E-Motor tauschen – und schon sind sie äußerst ernsthafte Konkurrenten. Darüber hinaus hätten sie für Investitionen ihrerseits finanzielle Mittel in einer Größenordnung, von der Tesla bislang nur träumen kann. Die Kapitaldecke der Kalifornier ist mit drei Milliarden Dollar nach wie vor dünn und die Ausgaben dürften hoch bleiben.
Handelskonflikt trifft Tesla hart
Hinzu kommt der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Tesla bereits jetzt besonders hart zu treffen scheint. Im Oktober verkaufte man auf dem weltgrößten Automarkt gerade einmal 211 Fahrzeuge und damit 70 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Das Fehlen einer Produktionsstätte macht sich in schmerzhafter Art und Weise bemerkbar – China hat die Zölle auf importierte US-Autos auf 40 Prozent erhöht. Nun sollen zwar bereits im kommenden Jahr sowohl Model 3 als auch später das neue Model Y nahe Shanghai vom Band laufen – doch bis dort profitabel produziert werden kann, dürfte es einmal mehr eine ganze Zeit lang dauern.
Zeit, die Tesla spätestens seit beinahe jeder große Automobilhersteller des Planeten große E-Auto-Offensiven plant, nicht mehr hat. Das sieht auch David Tamberrino, Analyst bei der US-Investmentbank Goldman Sachs so: Tesla dürfte im kommenden Jahr mit mehr Konkurrenz von Seiten der traditionellen Autobauer rechnen müssen, schrieb er in einer Studie und rät mit einem Kursziel von gerade einmal 225 Dollar klar zum Verkauf der Aktie.
„Man sollte nie selbstgefällig werden, also müssen wir weiter hart arbeiten – aber ich denke, wir sind übern Berg“, sagte Musk im November gegenüber „Recode“. Mit Blick auf den ersten Teil dürfte er Recht behalten. Was den zweiten angeht – und das dürfte er selbst am besten wissen – wohl nicht so ganz.
OG