Facebook-Absturz: Alles halb so wild?
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr stürzt die Facebook-Aktie heftig ab. Der Grund: Das soziale Netzwerk verliert an Beliebtheit. Allein der Datenskandal hat daran nicht Schuld, vielmehr das sich verändernde Nutzerverhalten der jungen Generation. Die meldet sich inzwischen lieber bei Instagram an. Die App jedoch gehört zu Facebook. Wo also liegt das Problem? Die Börsianer sagen, dass ihre Erwartungen enttäuscht sind. Zu deutsch: Facebook wächst, aber es geht den Zockern an den Märkten zu langsam. Sie hofften auf mehr.
Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr stürzt die Facebook-Aktie heftig ab. Der Grund: Das soziale Netzwerk verliert an Beliebtheit. Allein der Datenskandal hat daran nicht Schuld, vielmehr das sich verändernde Nutzerverhalten der jungen Generation. Die meldet sich inzwischen lieber bei Instagram an. Die App jedoch gehört zu Facebook. Wo also liegt das Problem? Die Börsianer sagen, dass ihre Erwartungen enttäuscht sind. Zu deutsch: Facebook wächst, aber es geht den Zockern an den Märkten zu langsam. Sie hofften auf mehr.
Ein nachbörsliches Minus von fast 25 Prozent am Vorabend – negativ aufsummiert in nur wenigen Stunden. Auf dem Parkett dann ein historischer Wertverlust von rund 120 Milliarden Dollar – entstanden innerhalb eines einzigen Tages. So groß war noch nie das Volumen des Sturzes einer einzigen Aktie an nur einem Tag. Auf den ersten Blick konnte einem ziemlich viel Angst machen, was da am Donnerstag mit Facebook an der Börse passierte. Ein Börsenbeben.
Ein Vorbeben waren dieVerluste nach Bekanntwerden des Datenskandals Mitte März. Doch davor ging es für die Aktie des Social-Media-Konzerns seit dem Börsengang 2012 kontinuierlich aufwärts. Genauer gesagt um 620 Prozent. In fast schon gewohnter Regelmäßigkeit übertraf Facebook Quartal um Quartal die Erwartungen der Analysten, Umsatz und Gewinn stiegen im mittleren bis hohen zweistelligen Prozentbereich. Auch die Zahlen zum ersten Quartal 2018 bestätigten den Trend. Dementsprechend optimistisch waren unter Anlegern und Analysten auch die Erwartungen mit Blick auf das im Juni zu Ende gegangene zweite Quartal. So stieg der Aktienkurs allein in den letzten rund viereinhalb Monaten um knapp 50 Prozent. An Cambridge-Analytica und neue Datenschutzverordnungen dachte da kaum einer mehr.
Dann kam der 26. Juli
Facebook veröffentlichte die Zahlen zum zweiten Quartal. Und einmal mehr lagen die Analysten falsch. Diesmal jedoch gefährlich falsch, denn Facebook übertraf die Erwartungen nicht, der Zuckerberg-Konzern unterbot sie völlig überraschend. Die weltweite monatlich aktive Nutzerzahl kletterte so nur geringfügig von 2,2 auf 2,234 Milliarden. Mit einem Anstieg auf mindestens 2,25 Milliarden war dagegen im Schnitt gerechnet worden. Viel stärker noch viel ins Gewicht, dass die monatlich aktive Nutzerzahl in Europa sogar von 377 auf 376 Millionen zurückging, die Zahl der täglich aktiven Nutzer von 282 auf 279 Millionen. Mark Zuckerberg selbst schob die Rückgänge auf den Image-Verlust infolge des Datenskandals. Er mag damit Recht haben, zumindest eine Stagnation mit Blick auf die Nutzerzahl kündigte sich auf den mehr und mehr gesättigten Märkten in den USA und Europa aber schon lange an. Und dürfte weniger mit Facebooks Datenveruntreuung in Verbindung stehen. Aber dazu später mehr.
Die schwindende Nutzerzahl in Europa und die kaum steigende auf globaler Ebene waren nämlich nicht der einzige Grund für diesen für Facebook so rabenschwarzen Donnerstag. Noch nie übrigens hat ein börsennotierter Konzern an einem Tag so viel Wert verloren. Intel führte die Liste bislang mit 91 Milliarden Dollar an. Facebook verlor mit den bereits erwähnten 150 Milliarden Dollar mehr als die gesamte Markkapitalisierung des Bitcoin oder von SAP, immerhin mit umgerechnet 146 Milliarden Dollar Deutschlands wertvollster Konzern.
Auch das Umsatzwachstum flachte ab und lag mit einem Plus von 42 Prozent auf 13,23 Milliarden Dollar unter den von Analysten anvisierten 13,36 Milliarden Dollar. Darüber hinaus kündigte Facebook an, dass sich die Wachstumsraten im nun folgenden zweiten Halbjahr weiter verlangsamen dürften. Im dritten und vierten Quartal sollen sie gegenüber dem Vorjahr wohl im oberen einstelligen Prozentbereich sinken. Gleichzeitig sollen die Kosten im laufenden Jahr um 50 oder sogar 60 Prozent steigen, da die Kalifornier sowohl mehr in Datensicherheit investieren müssen, als auch in Marketing und Inhalte investieren wollen. Ein sich abschwächendes Wachstum gepaart mit steigenden Kosten, das kam an der Börse noch nie gut an.
Dass die Aktie aber in solch einem Ausmaß in die Tiefe stürzte, lag wohl auch daran, dass ihr Kurs in den Wochen zuvor so stark gestiegen war. Im Juli lag er so weit von der 200-Tage-Linie entfernt wie nie zuvor. Eine Korrektur wurde damit ohnehin immer wahrscheinlicher. Am Ende mischte sich also ein zu großer Optimismus seitens der Anleger mit überraschend pessimistischen Aussichten des Social-Media-Giganten. Dass der Datenskandal noch nicht lange zurückliegt und seine langfristigen Folgen gewiss noch nicht abzusehen sind, dürfte ebenfalls seinen Teil beigetragen haben. Und natürlich stecken Facebook-Aktien in vielen ETFs und großen Hedgefonds. Kommt es hier zur Auflösung von Positionen, ist die eine oder andere Milliarde an Börsenwert ziemlich schnell weg.
Bleibt die Frage, wie es nun weitergeht...
Ganz grundsätzlich bieten solche Abstürze – auf den zweiten Blick – oft auch günstige Einstiegsgelegenheiten. Was, wenn der Facebook-Kursverfall völlig übertrieben ist? Gerade mit Blick auf die Nutzerzahlen lohnt ein Blick auf Facebook als Gesamtkonzern. Denn ja, die Nutzerzahlen des Kern-Netzwerks stagnieren in den USA und gehen in Europa nun sogar zurück. Dafür jedoch hat sich die Zahl der monatlich aktiven Instagram-Nutzer von 600 Millionen Ende 2017 auf inzwischen rund eine Milliarde erhöht. Auch die Messaging-Dienste WhatsApp und Facebook-Messenger kommen auf über eine Milliarde Nutzer im Monat. Facebook verliert also quasi Nutzer an sich selbst. Dass dies trotzdem ins Gewicht fällt, liegt daran, dass sowohl Instagram als auch WhatsApp bei weitem noch nicht so sehr monetarisiert wurden wie Facebook. Dies wäre jedoch zu jeder Zeit möglich. Ohnehin werden Kunden bei absteigender Attraktivität des Kernnetzwerks in Zukunft lieber Werbung auf Instagram und WhatsApp schalten.
Das Datenschutzproblem könnte sich darüber hinaus als kurzfristiges und vor allem hauptsächlich europäisches erweisen. Wobei selbst in Europa die große Mehrheit der Nutzer der weiteren Datenauswertung für personalisierte Werbung zugestimmt habe, betonte Mark Zuckerberg. Und ohnehin ist der US-Markt für Facebook viel einträglicher. Pro Nutzer machen die Kalifornier in der Heimat 25 Dollar Umsatz, in Europa sind es nur 8,60 Dollar.
Was darüber hinaus in all der Aufregung über schwindende Nutzerzahlen beinah unterzugehen scheint: In Sachen Gewinn hat Facebook die Analystenschätzungen erneut übertroffen. Er stieg um 31 Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar, was 1,74 Dollar je Aktie entspricht. Analysten hatten nur 1,70 Dollar erwartet. Angesichts dessen, dass Facebook kurzfristig mit deutlich höheren Kosten zu kämpfen hat, eigentlich ein recht gutes Ergebnis.
Facebook verdient also weiter Geld. Und zwar ziemlich viel. Dies ließe sich nicht nur in Aktienrückkäufe oder Dividendenzahlungen investieren, sondern freilich auch in intelligente Zukäufe. Zuletzt kündigte Zuckerberg beispielsweise an in den Online-Dating-Markt einsteigen zu wollen. Nicht unmöglich, dass da auch ein Konzern wie die Match Group, zu der unter anderem die erfolgreiche Plattform Tinder gehört, langfristig auf der Einkaufsliste steht.
Fazit
Am Ende macht der erneute und besonders heftige Kurssturz klar: Facebook ist nicht mehr immun gegen schlechte Nachrichten. Anleger werden zunehmend nervös. Und so war der Börsenwert vielleicht einfach zu schnell zu hoch gestiegen und nach dem Datenskandal im März zu viel Positives zu plötzlich im Kurs eingepreist. All das ändert jedoch nichts daran, dass Facebook immer noch eine Geldmaschine ist und wohl mindestens mittelfristig auch bleibt. Das wiederum kann auch Türen und Tore mit Blick auf den Einstieg in neue Wachstumsmärkte öffnen.
Oliver Götz