Frühlingsgefühle bei SAP
Europas größter Softwarekonzern schreibt rote Zahlen und erhöht gleichzeitig die Gewinnprognose / Mitarbeiterzahl soll ebenfalls steigen / Die Aktie geht auf Bergfahrt / Finanzinvestor Elliott steigt ein
Europas größter Softwarekonzern schreibt rote Zahlen und erhöht gleichzeitig die Gewinnprognose / Mitarbeiterzahl soll ebenfalls steigen / Die Aktie geht auf Bergfahrt / Finanzinvestor Elliott steigt ein
Rund 114 Euro kostet die SAP-Aktie derzeit. Nachdem der Aktienkurs diese Woche um mehr als 14 Prozent kletterte, ist das Softwareunternehmen etwa 140 Milliarden Euro wert – und das, obwohl Konzernchef Bill McDermott den ersten roten Zahlen seit Mitte 2002 vorzuweisen hat. An der Börse spielt ein Minus unter dem Strich eben nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest dann, wenn der Chef bessere Aussichten für das Tagesgeschäft in diesem Jahr und eine deutliche Steigerung der Profitabilität in den kommenden fünf Jahren verspricht. Für Zurückhaltung ist der McDermott ohnehin nicht bekannt. Der Amerikaner, der seit 2010 Vorstandschef des Softwareunternehmens ist, hatte bereits vor zwei Wochen angekündigt, dass sich der Börsenwert des Konzerns in den nächsten Jahren verdoppeln soll – ein ambitioniertes Ziel. Diese Woche ist der Konzernchef dem jedenfalls ein Stückchen nähergekommen: Die Aktie befindet sich auf einem Rekordhoch.
Konzernumbau
Im Januar hatte SAP angekündigt 4.400 der insgesamt 98.700 Mitarbeiter umzuschulen, auf andere Positionen zusetzen oder mit Abfindungen in den Vorruhestand zu schicken – das kostet Geld. Diese Veränderungsprozesse seien notwendig, damit der Konzern weiterhin konkurrenzfähig bleibe, heißt es aus der Führungsetage. Bis Anfang Mai können sich Beschäftigte für das Abfindungsprogramm anmelden. Trotzdem werde die Mitarbeiterzahl in diesem Jahr auf rund 98.700 wachsen, erklärt Vorstandschef McDermott. In der Führungsebene des Softwareherstellers war die Strategie zuletzt nicht gut angekommen. So kehrten zwei Vorstandsmitglieder dem Konzern innerhalb weniger Wochen den Rücken zu, hochrangige Tech-Experten verließen das Unternehmen.
Elliott steigt ein
Beim – in so mancher Führungsetage gefürchteten – Investor Elliott kam das radikale Change-Management indes sehr gut an. Der Hedgefonds gab quasi gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen seinen Einstieg bei SAP bekannt und schlug einen ungewohnt sanften Ton an: „Wir sind davon überzeugt, dass das Management-Team von SAP auf ein sehr erfolgreiches Ergebnis zusteuern kann“, erklärten Elliott-Partner Jesse Cohn und Portfolio-Manager Jason Genrich. Elliott steigt für rund 1,2 Milliarden Euro – das sind weniger als ein Prozent der Aktien – ein. Der Großinvestor, gegründet vom New Yorker Paul Singer, gilt üblicherweise als aggressiv. Immer wieder mischt er sich in die Unternehmensstrategie ein und drängt den Vorstand zu weitreichenden Entscheidungen. Zuletzt ist der Finanzinvestor etwa bei der Thyssenkrupp eingestiegen. Kurze Zeit später gingen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Chefaufseher Ulrich Lehner, außerdem kündigte das Unternehmen seine Aufspaltung an. In den USA ist Elliott im Tech-Sektor unter anderem am Computerhersteller Dell, am IT-Dienstleister Cognizant und am Onlinehändler Ebay beteiligt. Was der Investor bei SAP vorhat, ist unklar, sorgte bei den Anlegern aber für Fantasie.
Gute Quartalszahlen
Die Analystin Stacy Pollard von der Investmentbank JP Morgan beurteilt das erste Quartal ebenfalls sehr positiv und verweist auf das zufriedenstellende Tagesgeschäft bei Umsatz und Betriebsergebnis. In Zahlen heißt das: Der Konzern hat einen Verlust von 108 Millionen Euro gemacht nach einem Plus von 708 Millionen vor Jahresfrist, während der bereinigte Betriebsgewinn um 13 Prozent auf 1,47 Milliarden Euro – mehr als von Analysten erwartet – gestiegen ist. Finanzchef Luka Mucic veranschlagte alleine für den Umbau im ersten Quartal 886 Millionen Euro. Das dürfte den Angaben zufolge, den Großteil der Ausgaben ausmachen. Im Folgequartal rechne Mucic mit weitaus geringeren Kosten und deshalb mit einem hohen Gewinn für 2019.
Der Umsatz kletterte um 16 Prozent auf 6,12 Milliarden Euro. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Cloud-Geschäft, das zu Jahresbeginn erstmals in einem Quartal über 1,5 Milliarden Euro liegt. Mit einem Zuwachs von 48 Prozent gilt diese Geschäftssparte als eine der wichtigsten bei dem deutschen Softwarehersteller, der bis 2023 im Cloud-Geschäft eine Bruttomarge von bis zu 75 Prozent anstrebt – im ersten Quartal des Jahres betrug diese rund 66 Prozent.
Ein Kurssprung von rund 14 Prozent bei einem DAX-Titel ist mehr als ordentlich. Und da SAP am Mittwochmorgen seine Quartalsbilanz vorgelegt hat, brachte man fast einheitlich diese Rallye mit diesem Ergebnis in Verbindung. Aufwärts geht es für die SAP-Aktie aber bereits seit Anfang des Jahres. Sollten jetzt Gewinnmitnahmen auf den Kurs treffen und Anschlusskäufe ausbleiben, könnten die Bären ihre Krallen wieder ausfahren. Anleger, die diesem Kurssprung jetzt noch hinterherlaufen, investieren mit großem Risiko.
Florian Spichalsky