Lieber Mastercard als PayPal
Auch vor den Payment-Aktien macht die Umschichtung von Growth zu Value nicht Halt. Während junge Bezahldienstleister an der Börse bluten, werden die herkömmlichen Kreditkartenanbieter von Investoren als sichere Häfen angefahren. Besonders PayPal steckt aber auch aus einem anderen Grund in einer tiefen Krise.
Auch vor den Payment-Aktien macht die Umschichtung von Growth zu Value nicht Halt. Während junge Bezahldienstleister an der Börse bluten, werden die herkömmlichen Kreditkartenanbieter von Investoren als sichere Häfen angefahren. Besonders Paypal steckt aber auch aus einem anderen Grund in einer tiefen Krise.
Es gibt Dinge, die sind unbezahlbar – für alles andere gibt es Mastercard. Es ist vielleicht einer der bekanntesten Werbeslogans der Welt. Nur, das Mastercard in der jüngeren Vergangenheit dieses „alles andere“ nicht mehr nur mit den beiden anderen Kreditkartengrößen Visa und American Express hatte teilen müssen, sondern immer öfter auch mit den „Neuen“ am Markt, wie Square, Klarna und insbesondere dem Mobile-Payment-Riesen Paypal.
Paypal und Square, inzwischen in Block umbenannt, gehörten deshalb an der Börse auch zu den Highflyern der Pandemie. Innerhalb kürzester Zeit haben beide Unternehmen beeindruckende Kursrallys aufs Parkett gezaubert. Die Paypal-Aktie hatte sich nach dem Coronacrash bis zur Mitte des vergangenen Jahres fast vervierfacht, die Aktie von Block versiebenfacht. Die Pandemie war für die Bezahldienstleister ein echter Goldgrubenfund. Das bargeldlose Bezahlen wurde mancherorts von der Möglichkeit zur Pflicht, um keine Münzen und Scheine anfassen zu müssen. Unternehmer wie Verbraucher entdeckten so die Vorteile des digitalen Bezahlens. Mancher rief bereits das bargeldlose Zeitalter aus. Paypal und Block hatten dazu im Gegensatz zu Mastercard und Co. die technologische Hipness auf ihrer Seite. Im Zuge der allgemeinen Tech-Euphorie an den Börsen hatten es ihre Aktien leicht auf Klettertour zu gehen.
Ein gutes halbes Jahr später liest sich diese Rückschau allerdings wie ein Märchen. Von der Goldgräberstimmung am Markt ist nichts mehr übrig. Im Gegenteil: es herrscht brutalste Tristesse. Die Paypal Aktie hat seit Jahresbeginn fast die Hälfte ihres Werts verloren und notiert nun in etwa wieder auf Vorkrisenniveau. Ganz ähnlich das Chartbild bei Block. Von fast 300 US-Dollar im Sommer 2021 sind nur noch knapp über 90 Dollar übrig. Seit August des vergangenen Jahres geht es für die beiden Payment-Größen an der Börse bergab, seit Beginn dieses Jahres im unaufhaltsamen Sinkflug.
Was ist da los? Das fragen sich nicht nur investierte Anleger. Schließlich hat sich branchenspezifisch doch so viel nicht geändert. Der Trend zum bargeldlosen Bezahlen ist nach wie vor in Takt, der Trend zum Onlineshopping ebenso. Hier lässt sich die Zeit auch bei einem Ende der Pandemie nicht zurückdrehen. Hinzu kommen mit Blick auf einen wohl vergleichsweise coronafreien Sommer wieder anziehende Hotel-, Reise- und Flugbuchungen, die traditionell eher bargeldlos bezahlt werden. Auch der internationale Tourismus dürfte sich deutlich erholen und könnte Paypal deutliche Zuwächse beim Umsatz bescheren.
Doch all das scheint Investoren nicht mehr zu beeindruckenden. Dafür gibt es im wesentlichen drei Gründe. Einer davon trifft besonders auf Paypal zu.
1. Die maßlose Überbewertung
Paypal und Block steht noch immer eine ertragreiche Zukunft bevor. So viel gleich vorweg. Während Block vor allem vom Kryptoboom profitiert und noch ganz am Anfang der Wachstumsphase steht, ist vor allem Paypal längst ein erfolgreicher und etablierter Konzern. Und war das auch schon weit vor dem Ausbruch des Coronavirus. Von 2016 bis 2020 hat Paypal seinen Umsatz von 10,8 auf 21,4 Milliarden US-Dollar fast verdoppelt. Der Nettogewinn verdreifachte sich. Auch 2021 lief es insgesamt stark. Der Umsatz kletterte um 18 Prozent auf 25,4 Milliarden Dollar, das Zahlungsvolumen legte um über 30 Prozent auf 1,25 Billionen Dollar zu und die Kundenzahl stieg ebenfalls deutlich, um 49 auf 426 Millionen aktive Kunden.
Erschreckt hatte Anleger allerdings die schwächere Performance im vierten Quartal. Hier war der Gewinn um fast 50 Prozent eingebrochen und die Umsätze steigen nur um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir waren auf einen wenig überzeugenden Ausblick eingestellt. Das, was nun kommuniziert wurde, war auf breiter Basis eine Enttäuschung“, schrieb JPMorgan-Analyst Tien-tsin Huang. Mehrere Analysten stuften die Aktie in der Folge ab.
Erfolgreich dürfte Paypal allerdings dennoch bleiben. Für 2022 erwartet das Unternehmen aus Palo Alto bis zu 20 Millionen Neukunden und ein Zahlungsvolumen, das noch einmal um zirka 20 Prozent ansteigt. Das große Problem für die Aktie war – und ist es vielleicht immer noch: die Bewertung. Die Paypal-Aktie war genauso, wie die Papiere von Block, maßlos überteuert. Der Kurseinbruch könnte daher wenig fundamentale Gründe haben, sondern hauptsächlich börsenpsychologisch zu erklären sein. An der Börse war Paypal zwischenzeitlich mit über 200 Milliarden US-Dollar bewertet. Das wäre womöglich gerechtfertigt, hätte Paypal eine Quasimonopolstellung inne. Doch gerade der Markt für Zahlungsdienstleister wird immer umkämpfter, die Eintrittsbarrieren sind nicht besonders hoch. Das führt zu Grund Nummer Zwei.
2. Die alte und neue Konkurrenz
Lange war Paypal im Bezahldienstleistersegment das, was Tesla gerade im Bereich der E-Autos ist. Vorreiter, Innovationstreiber, First Mover. Doch inzwischen haben sich ernstzunehmende Konkurrenten entwickelt. Das betrifft einmal den Bereich Mobile-Payment. Musste man, um mit dem Smartphone bezahlen können vor wenigen Jahren noch Paypal besitzen, kann inzwischen jeder über ApplePay oder ähnliche Dienste bezahlen, indem er einfach seine Kredit- oder Bankkarte aufs Handy zieht. Paypal ist damit die Marktlücke abhanden gekommen. Gleichzeitig profitieren die schon abgehängt geglaubten Kreditkartenanbieter nun plötzlich mit am Bezahlen über das Smartphone. Zweitens spürt Paypal auch die Konkurrenz in der Zahlungsabwicklung. Für Entsetzen bei Anlegern sorgt die Ankündigung von Ebay nicht mehr nur auf Paypal, sondern nun auch auf den niederländischen Bezahldienstleister Adyen zu setzen. Allein das schickte den Kurs zwischenzeitlich um 15 Prozent nach unten. Ebays Entscheidung zu Ungunsten von Paypal sei ein schwerer Rückschlag für den Bezahldienstleister, ordnete Gil Luria, Analyst bei D. A. Davidson & Co., den Schritt des Online-Auktion-Portals ein. Adyen könne nun ein ernsthafter Konkurrent werden. Auf dem Vormarsch befindet sich auch der schwedische Bezahldienstleister Klarna. Neben Europa zunehmend auch auf dem US-Markt.
3. Die Umschichtung von Growth zu Value
Das Hauptproblem dürfte für Paypal, sowie die gesamte „neue“ Bezahldienstleister-Branche jedoch die großangelegte Portfolioumschichtung von Investoren sein, die im Zuge der angekündigten Zinserhöhungen der Fed, Wachstumstitel abverkaufen und die jahrelang in Ungnade gefallenen Value-Titel dafür verstärkt auf dem Zettel haben. Das betrifft auch die Payment-Branche. Wäre das Umfeld noch das von vor rund einem Jahr, wären schlechte Prognosen bei weitem nicht so sehr ins Gewicht gefallen, wie sie es aktuell tun. Während Paypal, Block und Co. also rasend schnell an Wert verlieren, kletterten die Aktien von Mastercard und AmericanExpress zuletzt auf neue Rekordhochs. Und auch die Visa-Aktie, hat sich von ihrem zwischenzeitlichen Kurstief erholt.
Das Fazit: Auch an der Börse scheint man gerade manches für unbezahlbar zu halten, und greift im Zweifel lieber zu Mastercard, als zu Paypal.
Oliver Götz
Lesen Sie auch: MunichRe erfreut die Aktionäre