Microsoft: Vorsicht vor der Konkurrenz!
Tradition ist dies bei Microsoft nicht unbedingt: Der Blick ist konzentriert nach vorne gerichtet. Mit immer neuen Innovationen will sich der Softwaregigant einerseits in starken Geschäftsbereichen behaupten, andererseits neue Märkte erobern. Doch die starke Konkurrenz macht den geplanten Siegeszug zum holprigen Unterfangen.
Tradition ist dies bei Microsoft nicht unbedingt: Der Blick ist konzentriert nach vorne gerichtet. Mit immer neuen Innovationen will sich der Softwaregigant einerseits in starken Geschäftsbereichen behaupten, andererseits neue Märkte erobern. Doch die starke Konkurrenz macht den geplanten Siegeszug zum holprigen Unterfangen.
Wer bei Google mehr über Microsoft erfahren möchte und nach dem Jahresbericht sucht, der findet. Und zwar einerseits die aktuellen Zahlen des US-Konzerns, andererseits eine „Word“-Vorlage für Jahresberichte. Microsoft in a nutshell, sozusagen. Doch das Unternehmen ist natürlich weit mehr als nur Entwickler von Office-Programmen. Es ist weltweit führender Hersteller von PC-Software, darunter Betriebssysteme, Serversoftware, Anwendungsprogramme oder auch Unterhaltungsangebote. Microsoft hat internationale Standards gesetzt und ist eine der wertvollsten Marken des Planeten. Damit das auch so bleibt, soll nun ausgerechnet das ursprüngliche Softwaregeschäft überwunden werden: Die „Post-PC-Ära“ ist eingeleitet.
Verantwortlich dafür ist unter anderem der neue CEO bei Microsoft, erst der dritte der Unternehmensgeschichte. Satya Nadella wurde im Februar offiziell auf diesen Posten befördert. Er knüpfte umgehend an die begonnenen Umstrukturierungsmaßnahmen seines Vorgängers an: Steve Ballmer, vierzehn Jahre lang der erste Mann beim IT-Giganten, hatte 2013 die Strategie „One Microsoft“ ausgerufen. Nach innen wurde die Organisation auf vier Kernbereiche reduziert: Betriebssysteme, Hardware, Anwendungen und Cloud. Nach außen soll Microsoft als ein einheitliches Unternehmen mit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von Konsumenten und Märkten werden. Das sei eine Reaktion auf das schnelllebige Branchenumfeld und die starke Konkurrenz. Nadella weiß: Das neue Ziel „ist die mobile-first- und cloud-first-Welt. Es ist eine reichhaltige Leinwand für Innovation und eine große Wachstumschance für Microsoft quer durch alle unsere Kundensegmente.“
Beliebtester Arbeitgeber Deutschlands – unbeliebtester Browser der Welt
Wachstum kann der Konzern schon jetzt vorweisen: Der Umsatz stieg 2013 auf 77,8 Milliarden US-Dollar, das waren 4,1 Milliarden mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig liegt die Umsatzrendite seit rund zehn Jahren zwischen 25 und 33 Prozent. Das sind der großen Zahlen noch nicht genug: Microsofts Marktkapitalisierung beträgt zirka 255 Milliarden US-Dollar bei einer Mitarbeiterzahl von 99.000 (2013, ohne Nokia). Laut dem aktuellen Ranking von „Great Place to Work“ ist das Unternehmen sogar der beliebteste Arbeitgeber Deutschlands mit etwa 2.700 Angestellten. Das operative Geschäft vermieste den Redmondern übrigens die EU-Kommission: Das Kartellverfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung von 2009 wurde unter der Bedingung eingestellt, dass Microsoft seinen Kunden mehr Browser-Vielfalt bietet, statt nur den eigenen Internet Explorer zu bewerben. Weil das aber nicht genügend umgesetzt wurde, setzte es 2013 eine Strafe in Höhe von 561 Millionen Euro.
A propos Internet Explorer: Das einstige Maß der Dinge unter den Webbrowsern ist mittlerweile zum Gespött der Netzgemeinde avanciert. Zu langsam, zu rückständig sagen viele im Vergleich zum neuen Primus Google Chrome. Vielleicht ist gerade deshalb der Schritt zu mobilen Geräten und Cloud-Diensten der richtige. Trotz beständiger Marktdominanz im PC-Segment, einem Anteil von rund 90 Prozent, haben sich die Gewohnheiten der Konsumenten verändert. Smartphone und Tablet haben auch die Internetnutzung revolutioniert und fordern Innovationen an allen Ecken. Tradition hat im Softwarebereich ohnehin nichts verloren, findet Satya Nadella. Mit den Voraussetzungen haben sich auch die Akteure verändert: Microsofts Konkurrenten der Gegenwart und Zukunft heißen Apple, Google und Amazon. OneDrive oder iCloud, Google Drive oder Amazon Cloud Drive? Für den Kunden bedeuten diese Dienste meist mehrere Gigabyte kostenlosen Speicherplatzes, mehr gibt es schon für wenig Geld. Microsoft koppelt dies zukünftig an die neue Bürosoftware Office 365: Für das Abo gibt es ein Terabyte gratis. Preiskampf ist angesagt, und der kostet alle Beteiligten zunächst einmal viel Geld.
Nachhaltige Investitionen? Das muss sich zeigen
Während man sich früher über den 256MB-USB-Stick als Werbegeschenk sehr freute, sind die Ansprüche heute offenbar ganz anders. Höher, viel höher. Das sogenannte Cloud-Computing spielt auch für Unternehmen eine zentrale Rolle und ist seit einiger Zeit der Megatrend der IT-Branche. In Deutschland liegt der Anteil derzeit bei rund 40 Prozent. Daher zählen Investitionen in die digitale Infrastruktur mittlerweile zu den wichtigsten Komponenten einer nachhaltigen Unternehmensstrategie – auch für Microsoft.
Eng damit verbunden ist der andere Teil des „neuen Microsoft“. Der ursprünglichen Vision der Gründer Gates und Allen steht jetzt eine neue Entwicklung entgegen. „Ein Computer auf jedem Schreibtisch und in jedem Zuhause“, das war 1975 revolutionär. Für die meisten ist der Home-PC selbstverständlich geworden, lieber sind wir nun unterwegs online. Dort finden sich interessanterweise die gleichen großen Namen wie im Cloud-Geschäft. Apple, Google, Microsoft und neuerdings auch Amazon kümmern sich um die nötige Hardware. Sie haben noch ein Nokia-Telefon? Kein Problem, schließlich hat das einmal unantastbare finnische Unternehmen seine Gerätesparte an Microsoft verkauft. „Die Fähigkeiten, die Nokia einbringt, werden unsere Transformation beschleunigen“, meinte dazu Nadella beim Abschluss des Deals im April. Mehr als 5,44 Milliarden Dollar fließen dafür nach Finnland, Espoo. Vom Partner wird Microsoft zum Konkurrenten für andere Hersteller, aber Nadella will weiter kooperieren.
Mit Selbstironie in neue Märkte
Das Geschäft mit den mobilen Geräten nimmt also auch immer größere Dimensionen an. Windows Phone, der tragbare kleine Bruder von Windows XP, 7, 8 und Co., läuft auf den hauseigenen Windows Phones 8X von HTC genauso wie auf Nokia-Produkten. Der Erfolg ist als ausbaufähig zu bezeichnen – mit iOS oder Android hält es noch lange nicht mit. Die Tablets enttäuschten bislang: Ein Marktanteil von drei Prozent und ein Umsatz in Höhe von 500 Millionen Dollar sind im Vergleich zum 7,6 Milliarden-Dollar-Umsatz von Apple ernüchternd. Die neue Generation soll es jetzt richten – die Tests der Experten laufen noch.
Beim Sprachassistenten ist Microsoft nun ein kleiner Clou geglückt, der besonders die Spielefans rührte. Dem schlichten „Siri“ von Apple setzt man ein klangvolles „Cortana“ entgegen. Der Protagonist der Kultreihe „Halo“ namens Master Chief (ja, manchmal ist es zum Grinsen), verlässt sich bei seiner Mission zur Rettung der Menschheit seit jeher auf die Künstliche Intelligenz Cortana. Da Microsoft für die Reihe als Publisher verantwortlich zeichnet, lag die kleine Anleihe nicht allzu fern. Sogar die englische Stimme wurde für die Beta-Version übernommen.
Flexibilität, auf eine harte Probe gestellt
Zum xBox-exklusiven Titel Halo produziert Microsoft natürlich auch die passende Konsole. Seit Ende 2013 ist die xBox One auf dem Markt, sie liegt in den Verkaufsstatistiken aber recht abgeschlagen hinter der PlayStation 4 von Sony. In diesem Punkt war Microsoft den Kunden wohl etwas zu ganzheitlich: Eine zunächst angekündigte, verpflichtende Online-Anbindung beim Konsolenbetrieb verursachte regelrechte Stürme der Entrüstung im Netz. Microsoft gab nach und sah ein, dass einige ihr Wohnzimmer doch nicht zum High-End-Multimedia-Entertainment-Zentrum ausbauen wollen. Trotzdem dominiert die Cloud auch im Konsolenbereich.
Satya Nadella würde sich heute wohl blitzschnell an die Stirn tippen, wenn sich jemand beim Wort „wolkenlos“ freut. Er hat in seinen mehr als 22 Jahren bei Microsoft fast die komplette Entwicklung ins „digitale Zeitalter“ hinein mitgemacht und es bis an die Spitze geschafft. Der Anspruch des Konzerns ist nach eigenen Angaben auch heute kein geringerer, als das Leben der Menschen überall auf der Welt zu verbessern. Das börsenbezogene Wohlbefinden der Microsoft-Aktionäre dürfte derzeit immerhin blendend sein. Die Aktie befindet sich seit Mitte 2013 in einem recht gemächlichen Aufwärtstrend und liegt bei knapp 42 US-Dollar. Markus Friebel, Analyst von Independent Research, hatte erst kürzlich in einer Analyse die Halteempfehlung für das Microsoft-Papier bekräftigt und das Kursziel von 40 auf 42 USD angehoben. Noch am gleichen Tag wurde es erreicht. Positiv am derzeitigen Trend ist vor allem, dass er der allgemeinen Konsolidierung am Gesamtmarkt standhält. Gilt also bald: „Mobile first, cloud first“? Ist dies das neue „Microsoft first“?
An einem wird Microsoft auch in Zukunft festhalten. Mit der hauseigenen Software soll jede nur mögliche Hardware zu bedienen sein. Word, Excel, PowerPoint und Konsorten werden neuerdings als sogenannte „Freemium“-Programme für Apple iPads angeboten. Der Kunde erhält Basisfunktionen umsonst, in den vollen Genuss kommt er nur mit einem Jahresabonnement. Auf Seiten der Kunden traf dies allerdings eher auf gemischte Gefühle. Bevor Microsoft mit seinen Strategien wieder voll ins Schwarze trifft, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Doch der geniale Bill Gates sagte der Zeit bereits im letzten Jahrtausend, 1999: „Die Atmosphäre bei Microsoft ist offen genug, um auch schwere Fehler zuzugeben und dann schnell zu korrigieren. Unsere großen Konkurrenten sind nicht so konsequent, weil sie keine reinen Softwarefirmen sind. Ihnen fehlt der Perfektionismus.“ Ob das heute noch so oder so ähnlich zutrifft, weiß niemand. Eine Garantie gibt es nirgends – außer für die Unzerstörbarkeit von Nokia-Handys.