Rekordstrafe: Google zahlt 4,3 Milliarden Euro an EU
Es ist die höchste Wettbewerbsstrafe, die die EU mit Blick auf ein einzelnes Unternehmen je verhängt hat: 4,3 Milliarden Euro! Der Vorwurf lautet auf Marktmissbrauch via Android. Schafft Google nicht sofort einen freieren Marktzugang, werden schon in 90 Tagen weitere Milliarden fällig. Die Kalifornier klagen. Donald Trump faucht. Und die Aktie steigt.
Es ist die höchste Wettbewerbsstrafe, die die EU mit Blick auf ein einzelnes Unternehmen je verhängt hat: 4,3 Milliarden Euro! Der Vorwurf lautet auf Marktmissbrauch via Android. Schafft Google nicht sofort einen freieren Marktzugang, werden schon in 90 Tagen weitere Milliarden fällig. Die Kalifornier klagen. Donald Trump faucht. Und die Aktie steigt.
Ob es Zufall ist, dass diese Strafe jetzt kommt? Jetzt, mitten im Handelskonflikt mit den USA? Vielleicht, das Verfahren läuft schließlich schon seit 2015. Vielleicht aber auch nicht, denn in ihrer Höhe ist sie weit mehr als eine bloße Bestrafung eines einzelnen Konzerns, sie ist auch eine Warnung an Donald Trump, dass die EU genauso auf unfaire Praktiken amerikanischer Konzerne reagieren kann, wenn sie denn will. Ein kritischer Tweet des US-Präsidenten, in dem er indirekt mit Gegenmaßnahmen drohte und Google als einen der großartigsten Konzerne des Landes adelte, ließ dementsprechend nicht lange auf sich warten. Die Gründe für die Rekordstrafe: „Illegale Beschränkungen“ mit Blick auf Googles Betriebssystem Android. Dieses ist inzwischen auf etwa 86 Prozent aller verkauften Smartphones vorinstalliert und damit mehr oder weniger auf allen, die nicht aus dem Hause Apple stammen.
Smartphone-Hersteller wie beispielsweise auch Großkunde Samsung müssen für Android keine Lizenzgebühren an Google entrichten, dafür aber App-Pakete der Kalifornier auf die Geräte vorinstallieren. Will Samsung seinen Kunden beispielsweise Zugriff auf den Play-Store gewähren, also das Google Pendant zum App-Store, verlangt der Konzern um CEO Larry Page gleichzeitig beispielsweise die Installation der Google-Suchmaschinen-App oder des Google-Browsers Chrome. Und der Nutzer nehme dann nun mal meistens auch das, was mit dem Gerät komme, erklärt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Hinzu kommt: Samsung – um bei einem Beispiel zu bleiben – darf als Android-Kunde nicht gleichzeitig Smartphones oder Tablets mit einem abgewandelten Betriebssystem auf Android-Basis verkaufen. Und: Samsung bekommt nur dann einen Teil von den Werbeerlösen aus Googles Suchmaschine, wenn diese exklusiv auf den verkauften Geräten vorinstalliert ist. „Auf diese Weise hat Google Android dazu verwendet, die marktbeherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu festigen.“ Alles in allem sei Wettbewerbern so die Möglichkeit genommen worden, innovativ und konkurrenzfähig zu sein, Verbraucher derweil um die Vorteile eines freien Wettbewerbs, fasste Vestager ihre Anklage zusammen.
Google selbst hat derweil sofort Berufung eingelegt und alle Anschuldigungen von sich gewiesen. Gut möglich, dass sich nun ein langer Gerichtsprozess anschließt. Den Kaliforniern geht es da freilich ums Prinzip, denn die 4,3 Milliarden Euro-Strafe zahlen sie bei Google aus der Portokasse. Mutter Alphabet hat allein im ersten Quartal des laufenden Jahres einen Gewinn in Höhe von 9,4 Milliarden Dollar erzielt. Darüber hinaus dürften die Barreserven des Konzerns bei rund 90 Milliarden Dollar liegen.
Das wissen freilich auch Anleger, weshalb sie den nach Apple und Amazon wertvollsten Konzern der Welt an der Börse auch nicht abstraften. Kaum nennenswert ging es zum Wochenschluss nach unten. Ob die Milliardenstrafe daran überhaupt einen Anteil hatte, mag man bezweifeln. Mit einem Kurs von 1.200 Dollar notiert die Aktie nur knapp unter ihrem vor wenigen Tagen aufgestellten Rekordhoch bei 1.220 Dollar. „Ein Quasi-Monopol bei mobilen Betriebssystemen ist den Aktionären einfach mehr wert als eine Strafe.“, urteilte CMC-Markets-Analyst Jochen Stanzl. In der kommenden Woche legt Alphabet die Zahlen fürs zweite Quartal vor. Darauf scheinen Anleger wie Analysten ohnehin wesentlich gespannter zu schielen, als auf die Nachrichten aus Brüssel.
Klar sind die ein Fingerzeig, auch weil Margarethe Vestager gleich nachlegte und – sollte Google innerhalb von 90 Tagen nicht reagieren – weitere Sanktionen androhte. Vor allem auch, da Vestager Google bereits 2017 wegen unfair platzierter Shopping-Angebote zu Strafen in Höhe von 2,42 Milliarden Euro verdonnert hatte. Dass sie also nicht locker lässt, das dürfte inzwischen auch im Silicon Valley angekommen sein.
Und dennoch: Mit Geldstrafen kann man die großen Internetkonzerne vielleicht ärgern, mit Glück an der ein oder anderen Stelle zum Nachdenken bringen, wirklich etwas anhaben aber kann man ihnen damit nicht. Nun könnte man natürlich mit Verboten drohen, aber damit verärgert man am Ende mehr die eigene Bevölkerung als den Konzern. Schädigt am Ende die eigene Wirtschaft mindestens genauso sehr wie Google. Schließlich ist auch die europäische Internetwelt abhängig von den Angeboten und Diensten aus dem Valley.
Oliver Götz