So soll die neue europäische Superbörse aussehen
Deutsche Börse und London Stock Exchange haben die Details ihrer Fusionspläne veröffentlicht. Beide Börsen wollen durch den Deal viel Geld sparen. Doch ein Risiko bleibt.
Deutsche Börse und London Stock Exchange haben die Details ihrer Fusionspläne veröffentlicht. Beide Börsen wollen durch den Deal viel Geld sparen. Doch ein Risiko bleibt.
Die Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) nimmt Fahrt auf: Am Mittwoch präsentierten beide Börsen das Übernahmeangebot für ihre Aktionäre. Das Dokument umfasst 1100 Seiten und listet Chancen und Risiken der Börsenhochzeit auf.
Deutsche Börse und London Stock Exchange wollen gemeinsam eine europäische Superbörse bilden, die gemessen an ihrer Marktkapitalisierung in einer Liga mit den amerikanischen Konkurrenten CME und ICE spielen würde. Die Anleger beider Börsen sollen ihre Aktien gegen die einer neuen Holding tauschen, die in London angesiedelt ist. So wolle man „einen global führenden, in Europa verankerten Marktinfrastrukturanbieter schaffen“.
Durch die Fusion wollen beide Konzerne viel Geld sparen. Die Umsatzsynergien sollen im fünften Jahr nach dem Deal bei rund 250 Millionen Euro pro Jahr liegen. Um dieses Ziel zu erreichen, fallen allerdings auch Kosten an: Von 100 Millionen Euro in den ersten zwei Jahren nach Abschluss des Deals ist die Rede. Schon im Vorfeld hatten beide Börsen angekündigt, dass durch die Hochzeit auch Umsatzsynergien in Höhe von 450 Millionen Euro anfallen sollen.
Für eine bisherige Aktie des Dax-Konzerns soll es ein Papier der neuen gemeinsamen Dachgesellschaft „HoldCo“ geben. LSE-Aktionäre haben je Aktie Anspruch auf 0,4421 Anteile der neuen Holding. Damit die Fusion im dritten Anlauf glückt, müssen bei der Deutschen Börse mindestens drei Viertel der Eigentümer die Offerte annehmen. Auch bei der LSE sind 75 Prozent Zustimmung erforderlich, allerdings müssen bei deren Aktionärstreffen nur mindestens 50 Prozent des Kapitals vertreten sein.
Der geplanten Fusion könnten nach Einschätzung der beiden Konzerne unter dem Strich 700 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Aktuell geht das Management davon aus, dass bis zu 1.250 Stellen abgebaut werden müssen, um das mittelfristige Ziel von 450 Millionen Euro jährlichen Kosteneinsparungen zu erreichen. Zugleich sollen in anderen Bereichen 200 neue Arbeitsplätze geschaffen und etwa 350 Jobs an bestehende Standorte innerhalb der Konzerne verlagert werden. Der Stellenabbau soll zu gleichen Teilen von beiden Partnern getragen werden.
Werden die vielen Hürden problemlos genommen?
Doch ein Risiko bleibt, denn am 23. Juni stimmen die Briten darüber ab, ob sie die Europäische Union verlassen wollen. Beide Börsen wollen die Fusion auch dann durchziehen, wenn sich Großbritannien für ein Verlassen der Europäischen Union entscheidet. Die Aktionäre erhalten aber Zeit bis nach dem Brexit-Referendum, um dem Deal zuzustimmen.
Bei der Deutschen Börse müssen 75 Prozent der Anleger dem Aktientausch zustimmen, damit der Deal gelingt. Eine erste Abstimmung läuft bis zum 12. Juli, womöglich kann die Frist bis zum 18. Juli verlängert werden. Aktionäre der London Stock Exchange (LSE) stimmen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 4. Juli über die Fusion ab. Auch zahlreiche Aufsichtsbehörden müssen noch grünes Licht geben. Börsenchef Carsten Kengeter hatte kürzlich angekündigt, dass die Hochzeit wohl frühestens im kommenden Frühjahr unter Dach und Fach kommt. Die beiden Börsenbetreiber brauchen zudem noch die Zustimmung von mehr als 20 Behörden.
Der Bankenverband begrüßt die Pläne für eine mögliche Börsenfusion. „Eine Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange ist eine Chance für Europa und den deutschen Finanzstandort“, erklärt Hans-Walter Peters, Präsident des Bankenverbandes und Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG. Mit dem Zusammenschluss werde eine der international leistungsstärksten und wichtigsten Handels- und Abwicklungsplattformen entstehen. Dies sei umso wichtiger, als die Bedeutung der regulierten Börsen zunehmen werde. „Damit Europa auch zukünftig im Wettbewerb mit den USA und Asien bestehen kann, brauchen wir eine leistungsstarke Börse“, betont Peters. „Nationale Systeme reichen auf Dauer nicht mehr aus.“
Voraussetzung sei allerdings, dass es zu einer fairen, den Interessen des Finanzstandortes Frankfurt dienenden Aufgabenverteilung komme. Für eine neue, leistungsstarke europäische Börseninstitution gelte es, die Standortvorteile Frankfurts konsequent zu nutzen. So müssten etwa Handel und Nachhandel in Frankfurt verbleiben, fordert Peters.
Als Gefahr für ein Scheitern der Pläne sieht der Bankenpräsident die bevorstehende Entscheidung Großbritanniens über einen Brexit. „Auch aus diesem Grund hoffe ich, dass die Briten für einen Verbleib in der Europäischen Union stimmen“, sagt der Präsident des Bankenverbandes. Sollte das Votum der Briten gegen Europa ausfallen, müssten nicht nur die Pläne für eine Börsenfusion neu überdacht werden. Handelsblatt / Michael Brächer