Wut und Misstrauen bei Innogy
Deutschlands Energie-Riesen aus Essen und Düsseldorf wagen die Neustrukturierung. Während sich Eon zukünftig verstärkt auf das Netz-Geschäft konzentrieren will, plant RWE eine Fokussierung auf den Erzeugungs-Sektor. Bei Innogy bleiben nur Wut auf die nun wieder als Mutter der Energieerzeugung auftretende RWE und tiefes Misstrauen gegen den neuen Netzbetreiber Eon.
Deutschlands Energie-Riesen aus Essen und Düsseldorf wagen die Neustrukturierung. Während sich Eon zukünftig verstärkt auf das Netz-Geschäft konzentrieren will, plant RWE eine Fokussierung auf den Erzeugungs-Sektor. Bei Innogy bleiben nur Wut auf die nun wieder als Mutter der Energieerzeugung auftretende RWE und tiefes Misstrauen gegen den neuen Netzbetreiber Eon.
Von Oliver Götz
Innogy ist zum Spielball zweier Energie-Großmächte auf der Suche nach Erfolg geworden. RWE und Eon, Deutschlands leidgeplagte Stromversoger, stellen sich zulasten des vor kurzem noch als Hoffnungsträger gehandelten Energieversorgers, der das „inno“ wie „innoviativ“ schon im Namen trägt, neu auf. Damit überrumpeln sie nicht nur Anleger und Aktionäre, selbst Innogy-Chef Uwe Tigges erfuhr wohl erst am Samstagabend von den Plänen, die nicht weniger als die Aufspaltung seines Unternehmens bedeuten könnten. „Im Rahmen eines weitreichenden Tauschs von Geschäftsaktivitäten und Beteiligungen“ nämlich, soll Eon 76,8 Prozent an Innogy bekommen, sprich genau den Anteil, den RWE als Innogy-Mutterkonzern derzeit noch hält. Im Gegenzug wiederum soll RWE mit 16,7 Prozent an Eon beteiligt werden.
Doch damit nicht genug. So ganz hergeben will die Mutter ihre Tochter nämlich nicht, das Geschäft mit erneuerbaren Energien soll bei RWE bleiben. Eon übernimmt mit Verteilnetz- und Vertriebssparte den Rest. Eine Innogy-Aufspaltung wird damit wahrscheinlich. Nicht nur für den Vorstandvorsitzenden Tigges dürfte dies so etwas wie ein Schlag ins Gesicht sein. Erst vor zwei Jahren wurde Innogy von RWE – hauptsächlich im Rahmen einer Ausgliederung des Geschäfts mit erneuerbaren Energien – aus der Taufe gehoben. Und das nicht zuletzt als Hoffnungsträger. An der Börse lief es gut, mit Blick auf die Marktkapitalisierung liegt man inzwischen sogar vor Eon. Doch nun könnte alles vorbei sein. Sowohl beim Management als auch bei den knapp 40.000 Mitarbeitern herrscht Unsicherheit. Was auf Innogy genau zukommt, wagt derzeit noch niemand abzuschätzen. Wechseln am Ende nur Anteile ihren Besitzer, oder verschwindet der Name Innogy alsbald komplett von der Bildfläche?
Das dürfte noch eine Weile unklar bleiben. „Wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt in angemessener Weise äußern”, sagte Tigges nur. Klar dagegen ist, dass im Zuge der Deals noch weitere Geschäftsteile und –aktivitäten zwischen Eon und RWE hin und her wechseln werden. So bekommt RWE neben dem Erneuerbare-Energien und Gasspeicher-Geschäft von Innogy, sowie dessen Anteil an dem österreichischen Energieversorger Kelag, auch noch einen großen Teil von Eons EE-Sparte und Beteiligungen der Eon-Tochter Preussen-Elektra an den Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen, die RWE selbst betreibt. Alles in allem muss RWE für den Deal so sogar noch 1,5 Milliarden Euro an Eon zahlen.
Zahlen muss auch Eon. Im Rahmen eines freiwilligen Übernahmeangebots bieten die Düsseldorfer den Innogy-Aktionären derzeit 40 Euro je Aktie. 36,76 Euro in bar und 3,24 Euro in Form von Dividenden. Das freilich kam unter Anlegern hervorragend an. Innogy-Aktien setzten sich mit einem beeindruckenden Plus von 13 Prozent deutlich an die MDax-Spitze. Mit einem Kurs von knapp 39 Euro liegt die Bewertung des Papiers nun also etwa in dem Bereich des Übernahmeangebots von Eon. Da allerdings die 3,24 Euro in Form von Dividenden gezahlt werden, die Aktionäre ja ohnehin bekommen hätten, liegt der Wert der Aktie genau genommen schon über der Eon-Offerte. Gefragt waren auch die Aktien von RWE und Eon und platzierten sich mit einem Plus von 7,8 und einem von 4,7 Prozent auf den ersten beiden Plätzen im Dax. Die RWE-Anteile waren am Morgen sogar um 14 Prozent gestiegen, im Tagesverlauf knickte der Kurs dann allerdings ein. Dies dürfte durchaus als Anzeichen von Skepsis unter den Investoren zu sehen sein.
Denn zunächst einmal müssen dem Deal noch Aktionäre und Kartellamt zustimmen. Und selbst dann gilt nicht als sicher, dass diese Art der Neustrukturierung RWE und Eon weiter aus der Krise führt. RWE schließlich, gibt mit der Verteilnetzsparte seiner Noch-Tochter ein Geschäft ab, dass bei Innogy für drei Viertel des Gesamtgewinns verantwortlich war. Zudem berge jenes im Zuge von Digitalisierung und Dezentralisierung ein enormes Wachstumspotenzial, so Analyst Stephan Wulff von der Investmentbank Oddo Seydler. Eon bekomme mit dem Energie-Netz-Geschäft die Kronjuwelen von Innogy, bringt es Societe Generale-Analyst Lüder Schumacher auf den Punkt.
Die Düsseldorfer geben dafür Anteile an Kernkraftwerken ab, deren Zukunft beschränkt ist. Das klingt nach einem klaren Zugewinn für Eon, doch diesen scheinen sie teuer zu bezahlen, in dem sie einen Großteil ihres zukunftsorientierten EE-Geschäfts RWE überlassen. So verlieren am Ende beide wichtige Sparten, gewinnen gleichzeitig aber natürlich auch erfolgsversprechende Geschäfte hinzu. Das kann gut gehen, da sich beide Großkonzerne somit nochmals spezialisiert haben. Genauso könnte Innogy als ein von Atomausstieg und Energiewende unbelastetes Unternehmen RWE nun vor allem an der Börse als zukunftsorientiertes Zugpferd fehlen. Und Eon darunter leiden, dass die Energiewende in Deutschland nun wohl Konkurrent RWE betreut.
Alles in allem setze die Dreiparteien-Einigung Wert frei, glaubt JPMorgan Analyst Christopher Laybutt. Doch noch gebe es einige Hindernisse zu überwinden. Und Laybutt sieht Eon durch den Deal nun in einer besseren Position. RWE derweil, hätte sich selbst geschwächt, so der Experte.
Insgesamt ist die Analysten-Mehrheit nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes für Deutschlands große Energieversorger aber positiv gestimmt. Für Innogy dagegen bewegen sich die Einschätzungen zwischen „Halten“ und „Verkaufen“. Da liegt einerseits an der Bewertung, die aus den bereits genannten Gründen eigentlich schon über dem Übernahmeangebot von Eon liegt, andererseits sicher auch an den eher bescheidenen Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr. Innogy hat 2017 bereits eine Gewinnwarnung ausgegeben, die nun quasi bestätigt wurde. Zwar stieg im vergangenen Jahr das Ergebnis des Versorgers vor Zinsen und Steuern um drei Prozent auf 2,8 Milliarden Euro und das um Sondereffekte bereinigte Nettoergebnis um neun Prozent auf 1,2 Milliarden Euro, vor der Gewinnwarnung hatte Innogy aber noch mit deutlich mehr gerechnet.
Anleger derweil müssen wohl weiterhin mit allem rechnen. Wie die Reise für die Anteilsscheine von RWE und Eon an der Börse weitergeht scheint unklar. Erst einmal weckt die Neustrukturierung Phantasien und setzt Wert frei, ob sie langfristig aber zum Erfolg führt und ob vor allem beide Energie-Konzerne davon profitieren können bleibt abzuwarten.