Ruhe ist die erste Regierungspflicht
Zur Halbzeit im Sommer 2015 will die herrschende Große Koalition die wesentlichen Punkte abgearbeitet haben. Das könnte gut klappen, wenn man rechtzeitig definiert, was denn wesentlich zu sein hat. Und den Rest einfach als Kleinkram aussortiert. Die großen Vorhaben, das waren dann wohl Mütterrente und Rente mit 63 und dergleichen Wohltaten für wenige – bezahlt von vielen.
Zur Halbzeit im Sommer 2015 will die herrschende Große Koalition die wesentlichen Punkte abgearbeitet haben. Das könnte gut klappen, wenn man rechtzeitig definiert, was denn wesentlich zu sein hat. Und den Rest einfach als Kleinkram aussortiert. Die großen Vorhaben, das waren dann wohl Mütterrente und Rente mit 63 und dergleichen Wohltaten für wenige – bezahlt von vielen.
Vor allem von heute jungen Leuten, denen die Rechnung präsentiert wird, wenn niemand mehr von den Regierenden des Jahres 2015 spricht. Eine Erklärung dafür, dass man an der Spitze der Koalition sich nicht um künftige Probleme schert, war im November zu besichtigen und viel erschütternder, als dies das Medienecho nahelegte. Da wunderte sich die Bundeskanzlerin (und freute sich, dass sie sich wunderte), warum denn wohl der kommende Mindestlohn schon vor seiner Einführung die Wirtschaftslage beeinflussen sollte – das jedenfalls ließ sie verlauten, als die sogenannten Fünf Weisen ihr Wirtschaftsgutachten überreichten.
Die Sachverständigen wirkten einfach nur ziemlich geplättet, und man kann es ihnen kaum verdenken. Hätten sie der Kanzlerin, die offenbar mechanistische Vorstellungen aus dem Grundkurs Physik auf wirtschaftspsychologische Gegebenheiten überträgt, am Ende noch eine Vorlesung spendieren sollen? Sie müssen ja so schon damit leben, dass ihr Gutachten mit offensichtlicher Geringschätzung entgegengenommen wird, so, als wolle die Politik der Wählerschaft signalisieren: Wir scheren uns nicht um diese Klugschwätzer, und finden das auch gut so. Woraufhin die subventionsgetriebenen deutschen Wirtschaftssubjekte nicht anders können als applaudieren. Offener denn je geht es im Lande um reine Verteilung des Vorhandenen. Da darf einem die Folge dieser Haltung, nämlich die durchaus vorauseilende Reaktion derjenigen, die die Wirtschaft am Laufen halten, nicht wundern. Wer im späten 2014 noch nicht seine Weichen gestellt hat für den künftigen Mindestlohn, der manchen Unternehmer das komplette Geschäftsmodell kosten kann, der wird vom Leben bestraft werden, wenn es denn dann hereinbricht.
Solange die Früchte der hart eingeschlagenen Agenda 2010 noch zu ernten sind, fällt die Schieflage nicht ins Gewicht. Der Dampfer Deutschland wird noch eine Weile auf Kurs bleiben, ehe die fatale Wirkung des Geschehenen sich entfaltet: Der Weg zurück zum kranken Mann Europas ist erst beschritten, nicht absolviert. In einem Land, dessen Finanzminister und seine Kabinettskollegen allen Ernstes behaupten, das Steuergeld reiche nicht für Sanierung und Reform, während Rekordeinnahmen sprudeln, und wo das bei der Mehrheit nicht einmal ein Kopfschütteln auslöst, in einem solchen Land hält man viel aus an Widersinn. Noch kann man anderen gute Ratschläge geben, kann Griechen aufrütteln und Frankreich bestürmen, und Besserwissen als Sport betreiben. Das wird vielleicht in wenigen Jahren nur noch um den Preis eines höhnischen Gelächters aus der Nachbarschaft möglich sein. Deutschland will seine Ruhe, und die bekommt es von seiner Regierung – für einen absehbaren Zeitraum.