Karstädtische Irrungen
Nun also ein Österreicher, jung an Jahren (37), reich an teils ungemütlichen Erfahrungen (Bewährungsstrafe wegen Korruption). Nach dem Retter Berggruen, der auf den Retter Middelhoff folgte, kommt jetzt in sozusagen letzter Minute die vielleicht letzte Rettung dieser Sorte.
Nun also ein Österreicher, jung an Jahren (37), reich an teils ungemütlichen Erfahrungen (Bewährungsstrafe wegen Korruption). Nach dem Retter Berggruen, der auf den Retter Middelhoff folgte, kommt jetzt in sozusagen letzter Minute die vielleicht letzte Rettung dieser Sorte.
René Benko, Gründer der milliardenschweren Signa Holding und dort nur noch im Beirat tätig (wegen eben der erwähnten Vorstrafe), ist Immobilien-, nun ja, -Spezialist. In dieser passionsgleichen Eigenschaft hatte er sich schon die Mehrheit an den Karstadt-Premiumhäusern wie KaDeWe oder Oberpollinger gesichert, zudem am Sport-Business des Warenhauskonzerns. Nachdem der an Karstadt völlig uninteressierte, beim Melken des stets fast bankrotten Unternehmens aber um so mehr begeisterte Investor Berggruen offenbar den Punkt erreicht hat, an dem die Erlöse aus den Markenrechten die völlig berechtigten Dauerbeschimpfungen nicht mehr kompensierten, wirft er nun dem Benko-Imperium die Brocken vor die Füße.
Benko ist nicht klamm, soweit man weiß; griechische Reeder und emirhafte Scheichs trauen ihm, und zwar alles Mögliche zu. Das Grundproblem der Warenhauskette, durchschnittliche Ware in teils seltsamer Sortierung zu nicht konkurrenzfähigen Preisen anzubieten, und das in teils heruntergekommenen Bunkern, das wird das Thema der künftigen Schicksale des Konzerns, der Mitarbeiter und der Kunden sein. Da könnte man sich Lorbeeren erwerben, aber auch einfach nur als der nächste Scheiterer berühmt-berüchtigt werden. Pure Verzweiflung spricht aus der Stellungnahme der Gewerkschaft Verdi, wenn sie als Existenzberechtigung von Karstadt nicht nur die Beschäftigten und die Kunden nennt, sondern auch die Rolle des Hauses bei der Belebung der Innenstädte.
Ob sich der schillernde Benko dieser gesellschaftlich hochehrenhaften Aufgabe stellen will? Jedenfalls, das ist zuzugestehen, haben die Beschäftigten ihren millionenteuren Beitrag geleistet, als man noch an Berggruen und sein Geschwafel glaubte. Die nächste Verzichtsrunde dürfte härter werden. Es ist keine so kühne Prophetie, wenn man vorhersieht, dass ohne Millionenbeträge keinerlei Besserung kommen wird. Die bisherige Unternehmenspolitik nach dem Motto Versuch & Irrtum jedenfalls ist die teuerste Variante. Wer erinnert sich noch an den britischen Warenhaus-Chef, der mit allerlei völlig unbekannten Modemarken und -stilen die Kunden scharenweise verjagte?
Näher dran ist da noch die Erinnerung an Frau Sjöstedt, die erst vor einigen Wochen schaudernd die Flucht ergriff, als sie Berggruens Windbeutelpolitik durchschaut hatte. Vielleicht sollte sie jetzt wiederkommen. Denn dass Warenhäuser nicht unnütz sind, sieht man an Galeria Kaufhof: Entscheidend ist die Warenauswahl; es ist Unsinn, zwar Nägel anzubieten, nicht jedoch einen Hammer dazu – und sinnbildlich sieht es in manchen Kartadt-Abteilungen dergestalt aus. Die Kunst der Beschränkung ist eben dies: eine Kunst. Was angeboten wird, sollte auch wirklich umfassend angeboten werden. Ansonsten: Mut zur Lücke! Der frühere Werbespruch „Karstadt bietet tausendfach alles unter einem Dach“ ist nicht mehr einzulösen, vor allem nicht, seit vor allem Feuer unterm Dach ist.