Saving Face(book)
Hat der amerikanische Social-Media-Gigant Facebook noch eine Chance, sein Gesicht zu wahren? Und ist das überhaupt sein Interesse? Man könnte dieser Tage an beidem zweifeln, und das wohl eher nicht, weil Technikpannen in der letzten Woche seine virtuellen Produktionsstätten lahmlegten, als da wären vorwiegend Facebook selbst, WhatsApp und der Ableger Instagram.
Hat der amerikanische Social-Media-Gigant Facebook noch eine Chance, sein Gesicht zu wahren? Und ist das überhaupt sein Interesse? Man könnte dieser Tage an beidem zweifeln, und das wohl eher nicht, weil Technikpannen in der letzten Woche seine virtuellen Produktionsstätten lahmlegten, als da wären vorwiegend Facebook selbst, WhatsApp und der Ableger Instagram.
Von Reinhard Schlieker
Das reichte für Ärger und Kursverluste, aber verheerender für den Konzern waren sicher die Aussagen der ehemaligen Facebook-Topmanagerin Frances Haugen. Die 37jährige, die auf lange Erfahrung bei Internetkonzernen, darunter Google, zurückblicken kann, stellte dem Netzwerk ein vernichtendes Zeugnis aus – prominent verbreitet vorab in einer Serie des Wall Street Journal, das bekanntlich seine Auflage nicht mit Industriebashing macht. Im Falle Facebook aber spricht auch in den Augen der Anleger vieles dafür, dass die als „Whistleblower“ bezeichnete Ex-Angestellte ihre entlarvenden Preisgaben gut belegen kann. So soll unter anderem in internen Studien glasklar erwiesen worden sein, dass der Konzern im Interesse höherer Werbeeinnahmen sogar die psychische Gesundheit junger Nutzer zumindest gering geschätzt, wenn nicht aufs Spiel gesetzt hat.
Die erste Einlassung des Unternehmens dazu kam von Chef Mark Zuckerberg selbst am vergangenen Mittwoch: Das alles sei nicht wahr, und außerdem schätze Facebook den Schutz Minderjähriger extrem hoch ein. Sein nur momentan ausgesetztes Vorhaben, künftig spezielle Angebote für zehn- bis zwölfjähre Kinder und Jugendliche online zu stellen, verteidigte er ebenfalls gegen Angriffe entsetzter Fachleute mit dem Hinweis, diese jungen Menschen seien ja ohnehin online unterwegs, und dann besser bei Facebook als bei dubiosen anderen Diensten. Ein Argument, das auf den Urheber zurückfallen könnte, sollte sich die Ansicht durchsetzen, dass Facebook selbst einer der größten unter den dubiosen Diensten sein könnte.
Zumindest der US-Kongress lässt sich in Anhörungen, bei denen ebenfalls wieder Frances Haugen eine Schlüsselrolle spielt, über den womöglich bedenklichen Kurs des Imperiums unterrichten. Gleichzeitig ergaben Blitzumfragen unter vorwiegend jüngeren Nutzern, dass der Ausfall der Netzwerke für viele von ihnen eine erhebliche Einschränkung bedeutet habe. Das wird Facebook noch recht gern hören, nicht jedoch die mögliche Schlussfolgerung der Kritiker daraus: dass der Konzern bereits Abhängigkeitsmerkmale bei seiner Hauptzielgruppe erzeugt haben dürfte.
In den USA, wo nach wie vor auch für den weltweit tätigen Soziale-Netzwerke-Anbieter hauptsächlich die Musik spielt und über Wohl und Wehe entschieden wird, gibt es Bestrebungen, den Konzern wegen seiner Marktmacht aufzuspalten; analog erging es so dem Fernmeldekonzern Bell vor vielen Jahrzehnten. Dass die Aufteilung direkte Ursache für das heutige Vorhandensein zahlreicher konkurrierender Telefonanbieter sei, behauptet jedoch niemand mehr. In Deutschland, wo Alleingänge von Politik und Aufsichtsbehörden ohnehin kaum Erfolg versprechen, weil sie zudem auf EU-Ebene Anklang finden müssten, bleibt es auch angesichts der neuesten Enthüllungen bei eher hilflos wirkenden Appellen aus der zweiten Reihe.
Die SPD-Kovorsitzende Esken fordert nun, den Umgang mit diesen Diensten zum Gegenstand des Schulunterrichts zu machen – eine kluge Idee sicherlich, weil dann in Zukunft die Schüler bei genügend Zeit endlich ihren Lehrern den alltäglichen Umgang mit Facebook oder Instagram erklären könnten. So wird vermutlich alles beim Alten bleiben: Facebook versucht, die Nutzer mit allen Tricks so lange wie möglich auf seinen Plattformen zu halten, die Werbeeinnahmen steigen, und bei Hass und Gewaltaufrufen oder dem verbreiteten Mobbing via Instagram, wo sich Kinder wegen Nichtigkeiten als Opfer widerlicher Kampagnen robusterer Mitschüler wiederfinden, folgen hilflose Eingriffe überforderter Algorithmen und allenfalls Aktionen menschlicher Löschteams, die erkennbar das Problem oft nicht verstanden haben.
Dies alles wissen natürlich auch Aktionäre, und die Facebook-Aktie ist und bleibt demnach einfach Geschmacksache. Der zeitweise Rückgang nach den jüngsten Kalamitäten von etwa 320 auf 290 Euro mag Großanleger viele Millionen, den Chef gar Milliarden gekostet haben, aber ein Blick auf den Kurs von rund 30 Euro vor nicht einmal einem Jahrzehnt illustriert die Gewinn-und-Verlust-Verhältnisse recht deutlich. Themen-Fonds, und spezialisierte ETFs ohnehin, kommen an Facebook nicht vorbei. Dass das Netzwerk analog zu den Herstellern von Massenvernichtungswaffen in ethikbasierten Aktienfonds schon mal rein gar nichts zu suchen habe, ist bislang meist nur Meinung überzeugter Datenschützer und wahrscheinlich von einigen Fondsmanagern, die minderjährige Kinder haben. Kurz gesagt: Das Depot, in dem Facebook nicht ist, vermisst vielleicht aber auch nichts.
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