Kolumne: Wir sind der Volkswagen
Man höre sich noch einmal solche Vorwürfe an, wie sie immer wieder kommen, sogar aus der früher so titulierten „Mitte der Gesellschaft“: Dass man den Kapitalismus (haben wir hier zwar nicht, aber egal) zähmen müsse und den Markt einhegen und kontrollieren – das scheint breiter Konsens zu sein.
Man höre sich noch einmal solche Vorwürfe an, wie sie immer wieder kommen, sogar aus der früher so titulierten „Mitte der Gesellschaft“: Dass man den Kapitalismus (haben wir hier zwar nicht, aber egal) zähmen müsse und den Markt einhegen und kontrollieren – das scheint breiter Konsens zu sein.
Dabei gibt es doch hierzulande ein großes, ja sehr großes Unternehmen, das aufs Herrlichste all jenes vereint, was dem Deutschen für kuscheliges Wirtschaften steht: eine traditionsreiche, starke Familie; ein starker Staat, der das Volkswohl hütet und das Volkseigentum schützt; historisch ehrfurchtgebietende Gewerkschaften, die dafür sorgen, dass kein Arbeitnehmer unter die Räder des eigenen Volkswagens kommt. So ein Unternehmen, richtig, ist zu Recht weltweit zweitgrößter Hersteller ausgezeichneter Mobilitätsprodukte; fast alles, was Räder hat, wird in Wolfsburg erdacht und anschließend in der weiten Welt, und nicht nur dort, konstruiert und verkauft. Ein Idyll, fürwahr! Was kann da noch schiefgehen? Nun ja, eine ganze Menge. Egomanen mit Familienanschluss machen „ihr Ding“; angestellte Manager halten sich für Fürsten, der Staat weiß nicht so recht „wie“ und „was“, aber macht ordentlich mit, und die Gewerkschaften sorgen dafür, dass die Rendite niedrig bleibt, damit die Kapitalisten nicht übermütig werden.
In der kommenden Woche sind sowohl der kürzlich geschrumpfte und flugs wieder aufgefüllte Aufsichtsrat ein Thema als auch die Hauptversammlung der Aktionäre, des Volkes also, wenn man so will, und beides wird scharf beobachtet werden. Der Rückzug des „Alten“, des Porsche-Enkels Ferdinand Piëch und seiner Frau aus dem Aufsichtsgremium, nachdem sie von den übrigen Anteilseignern ausgebremst und der eigenen Verwandtschaft, den Porsches, düpiert wurden: es ist damit zu rechnen, dass man auf Vergeltung sinnt, die aber kommt später. Zunächst einmal sind all die Probleme, die Piëch wohl sah und die der Chef, Martin Winterkorn, für nicht so gravierend zu halten scheint, noch da – und wollen gelöst werden. An der Konzernspitze bereitet sich ein neuer VW-Markenvorstand auf seinen Einsatz unter und gleichzeitig neben Winterkorn vor: Herbert Diess von BMW. Rendite soll er bringen.
Das verspricht hübschen Ärger. Der Stamm derer von Porsche, auf die Piëch traditionell herunterblickt, verhält sich ruhig, um des Friedens willen. An der Spitze der Konzernmarke Porsche steht ein Manager, Matthias Müller, dem man Aufstieg zugesagt hat (Piëch), der dann leider ausfallen musste. Müller sitzt mit Winterkorn zusammen im Vorstand. Wenn man sich diese lustige Runde vorstellt, muss man froh sein, dass der Aufsichtsrat zumindest nun von einem vernünftigen Kenner geleitet wird – Berthold Huber, Ex-IG-Metall-Chef, der sich auskennt und ruhig, aber entschlossen vermittelnd tätig werden kann. Wie auch vom mächtigen, aber nicht übermütigen Gewerkschafter du Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh bisher noch die konstruktivsten Vorschläge kamen, wie Milliardenreserven bei VW zu heben wären. Zum Glück gibt es noch solche verdienstvollen Leute, echte Kapitalisten im besten Sinne des Wortes. Man möge ihre Löhne steigern und ihre Verträge verlängern.