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US-Einzelhandel: Es knirscht an der Kasse

Im Leitmarkt des Konsums, den USA, gerieten gerade zwei Säulen des Alltagseinkaufs unter die Räder, Walmart und Target. Die Konzerne präsentierten ernüchternde Zahlen, und einen eher pessimistischen Ausblick. Warum Anleger die Schwergewichte trotzdem nicht komplett abshreiben sollten

Im Leitmarkt des Konsums, den USA, gerieten gerade zwei Säulen des Alltagseinkaufs unter die Räder, Walmart und Target. Die Konzerne präsentierten ernüchternde Zahlen, und einen eher pessimistischen Ausblick. Warum Anleger die Schwergewichte trotzdem nicht komplett abshreiben sollten

Von Reinhard Schlieker
 
Die allgemeine Depression an den Weltbörsen besitzt eine gute und nachvollziehbare Grundlage, und dementsprechend verhalten sich die Märkte auch, mit eingestreuten Tagen der Bullenfallenstellerei. Die Ursachen sind inzwischen vielfältig bekannt und benannt, je nach Präferenz finden sich Krieg, Not und Pestilenz in Verbindung mit Zinsfurcht und Inflationsbedrohung. Die Experten streiten sich eigentlich dieser Tage nur noch, was das Fürchterlichste an den Aussichten zu sein hat.
 
Wenige Unternehmen geraten mit positiven Aussichten ins Blickfeld, dies sind dann auch im wesentlichen Firmen, die mit und an Rüstung ihr Geld verdienen, nicht gerade Empfehlungen für die ethische Anlage, dafür wohl leider zeitgemäß. An Absteigern herrscht kein Mangel, und waren zunächst junge (und auch mitteljunge) Technologieunternehmen die ersten Opfer der Baisse, so trifft es mittlerweile solide, mitunter als langweilig geschmähte Konzerne.
 
Neuestes Beispiel: Der Einzelhandel. In Deutschland sind die meisten Ketten inhabergeführt oder Genossenschaften, sieht man mal ab von Ceconomy mit Saturn und Media-Markt oder Hornbach als bekanntere Vertreter an der Börse.  Anders im Leitmarkt des Konsums, den USA. Da gerieten gerade zwei Säulen des Alltagseinkaufs unter die Räder, Walmart und Target. Erstere sind weltweit im Geschäft mit inzwischen rund 10.500 Stores und Superstores in mehr als 20 Ländern. Target arbeitet mit rund 2000 Geschäften unterschiedlichen Zuschnitts in den USA.
 
Walmart präsentierte in der abgelaufenen Woche ernüchternde Zahlen, und einen eher pessimistischen Ausblick. Die Quittung: Ein in Etappen über drei Tage fallender Kurs von knapp 150 auf 120 Dollar. Die zweite Etappe des Verfalls wurde vom Konkurrenten Target angestoßen, der ebenfalls anlässlich der Bilanzzahlen vor der Zukunft warnte: Ein paar Hiobsbotschaften hatte die Kaufhauskette zusätzlich im Programm, nämlich den Verweis auf die dramatisch steigenden Frachtkosten und damit eine Schmälerung der eigenen Marge. Die Konzerne scheinen in einer Art Falle zu sitzen, in der sie daran gehindert sind, die allgegenwärtigen Preissteigerungen an die Kunden weiterzugeben, und gleichzeitig selbst höhere Zinsen für Verbindlichkeiten zahlen zu müssen. Hinzu kommt eben die teurere Logistik und weiter steigende Fixkosten wie Löhne, Mieten und Strom oder Gas. Kein rosiger Anblick, und erst recht kein solcher Ausblick.
 
Andererseits: Die Geschichte des Unternehmens Walmart ist von stetiger Expansion bei nur wenigen Rückschlägen geprägt. Deren bekanntester ist noch das Scheitern in Deutschland, wo man die Wertkauf-Märkte übernahm, aber nie richtig Fuß fassen konnte. Die Firmenphilosophie kam einfach nicht an – puritanisch geprägt, wollte man die Beschäftigten von Beziehungen untereinander abhalten, es gab eine Art Morgenappell und ähnliche Dinge, die deutschem Arbeitsrecht fremd und Gewerkschaften mehr als ein Ärgernis waren. Drei Milliarden Euro soll das Ganze bis zum Rückzug gekostet haben. In Japan konnte man sich auch nicht durchsetzen.

Abgesehen davon, gespiegelt im Aktienkurs, ging es stets bergauf, und auch nach dem letzten Einbruch steht Walmart unter seinem Chef Doug McMillon, kurz zuvor noch auf Allzeithoch, nicht schlecht da – der Kurs nach dem Absturz hat das Papier auf den Stand von 2019/2020 zurückgeworfen. Walmart richtet sein Angebot in den USA vor allem an Bezieher unterdurchschnittlicher Einkommen und ist von daher kaum in der Lage, seine Preise drastisch zu erhöhen. Auf der anderen Seite hat das Unternehmen in seiner bald 80jährigen Geschichte, von den ersten Anfängen des Gründers Sam Walton bis heute, zahlreiche Innovationen im Einzelhandel entwickelt und war damit technologisch führend. Nicht ohne Widerstände beispielsweise bei Fragen des Datenschutzes – Walmart hat im wesentlichen tatsächlich gläserne Kunden und verbindet deren Daten gern zum eigenen Vorteil.
 
Unvergessen die Empfehlung der Walmart-KI an eine Kundin, typische Schwangerschaftsartikel und Babyausstattung zu erwerben: Der Computer hatte festgestellt, dass sie exakt die Lebensmittel kaufte, die sonst vorwiegend von Schwangeren erworben werden. Der Computer hatte recht, die junge Frau war ebenso überrascht wie verärgert, dito übrigens auch die Familie der Minderjährigen. Technologie ist nie unumstritten, lernt man, aber hier war jedenfalls untadelig programmiert worden.
 
Ähnlich wie Walmart ist auch Target in punkto Aktienkurs lediglich auf den Stand von vor einem Jahr zurückgeworfen worden: Rund 150 Dollar kostet das Papier nach einem Allzeithoch von immerhin 235 Dollar noch im November 2021. Bis 2019 bewegte man sich lange Jahre um die 50 Dollar: Was für langfristig orientierte, dabei aber auch vorsichtige Anleger natürlich die Frage aufwirft, wie viel Luft auch jetzt noch in den Kursen ist und geräuschvoll entweichen könnte.
 
Die gerade veröffentlichen Produktionszahlen aus den USA wie auch die Einzelhandelsumsätze für April scheinen allerdings eher beruhigend – auch der Konsum ist stabil, der in Amerika zu 40 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Wo genau die Leute in Zukunft bevorzugt einkaufen werden, teilten die Notenbank und das Handelsministerium allerdings nicht mit.

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