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IG-Metall plant Bad Bank für Autozulieferer

Conti, Schaeffler, ZF, Bosch – bei der Zulieferindustrie herrscht ein „Jobmassaker“. Die Beschäftigten gehen auf die Straße. Die Gewerkschaft will mit ungewöhnlichen Mitteln helfen: Sie hat einen eigenen Fonds gegründet, der in Not geratene Firmen übernehmen und abwickeln soll – und seinen Investoren eine hübsche Rendite beschert.

Conti, Schaeffler, ZF, Bosch – bei der Zulieferindustrie herrscht ein „Jobmassaker“. Die Beschäftigten gehen auf die Straße. Die Gewerkschaft will mit ungewöhnlichen Mitteln helfen: Sie hat einen eigenen Fonds gegründet, der in Not geratene Firmen übernehmen und abwickeln soll – und seinen Investoren eine hübsche Rendite beschert.

Abfahrt war morgens um 7 Uhr. An diesem Mittwoch sind neun Busse mit Menschen, die beim Automobilzulieferer Continental in Aachen arbeiten, Richtung Frankfurt zur Großdemo gefahren. Dort strömten sie zusammen mit anderen Conti-Beschäftigten aus ganz Deutschland. Ihr Arbeitgeber hat angekündigt, innerhalb der nächsten neun Jahre bis zu 20.000 Stellen zu streichen, und die Demonstranten wehren sich, dass es ausgerechnet ihr Job ist, der da wegfällt.

Organisiert wird die Demonstration gemeinsam mit der IG-Metall, die damit unter Beweis stellt, dass in der aktuellen Situation mit ihr zu rechnen ist. Sie kämpft gegen den Abbau von 20.000 Jobs bei Conti, von 15.000 Stellen beim Getriebehersteller ZF, von 9.500 Stellen bei der VW-Lastwagentochter MAN, von knapp 2.000 Stellen bei Bosch, gegen Kündigungen und Stellenabbau bei Mahle, Hella, Deutz, der Schaeffler-Gruppe und anderen. Es sieht so aus als habe sich das Who-is-Who der Zulieferindustrie zum Stellenstreichkonzert verabredet, weil Corona und Strukturwandel Richtung Elektroantrieb den herkömmlichen Zulieferbetrieben den Boden unter den Füßen wegziehen.

Mittelständler werden in ihrer Existenz bedroht und gezwungen sein, Arbeitsplätze zu streichen, klagt Christian Vietmeyer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie. Diejenigen unter den Zulieferern, die an der Börse sind, spüren auch von dort den Druck: Der Kurs der Conti-Aktie hat sich seit Jahresbeginn um knapp zwei Drittel reduziert, bei Schaeffler hat sich ein Drittel des Börsenwerts in der gleichen Zeitspanne pulverisiert. Wollen die Konzerne nicht zu billigen Übernahmekandidaten werden, müssen sie auf die Kostenbremse treten, was bedeutet, dass Stellen gestrichen werden. „Es ist ein Job-Massaker“, bringt es ein IG-Metall-Funktionär auf den Punkt.

Gewerkschaft finanziert mit

Was beim Aufmarsch in Frankfurt nicht durch die Megaphone und auf der Bühne nicht zum Thema gemacht wird, ist, dass die Gewerkschaft dieses Mal aber mehr zu bieten hat als aufgebrachte Betriebsräte, schrille Trillerpfeifen und rote Fahnen. Es sieht sogar fast so aus, als haben sich die Gewerkschaftsfunktionäre von jenen inspirieren lassen, die in den Bankentürmen sitzen, zwischen denen sich der Demonstrationszug hindurchschlängelt. Denn ganz wie die Fondsmanager in ihren Bankentürmen, möchte auch die IG Metall ein Instrument aus dem Vorratsschrank der Finanzindustrie nutzen, um der Krise bei den Automobilzulieferern zu begegnen: Es geht um zwei Fondsgesellschaften, die die Gewerkschaft auf den Weg gebracht hat.

Die eine, die harmlosere von beiden, trägt den Namen „Transformationsfonds“ und soll kleinen und mittelgroßen Unternehmen das notwendige Kapital für Investitionen und Innovationen verschaffen. Staat oder die staatliche Förderbank KfW sollen die Erstrisiken des Fonds bis zu einer bestimmten Höhe übernehmen. Für weitere Kapitalgeber winkt eine Verzinsung, wenn die Zulieferer sich erfolgreich in eine neue Richtung entwickeln.

Während dieses Modell aus zahlreichen Rettungsmanövern der vergangenen Monate bekannt ist, hat es die zweite Fondgesellschaft, die auf Vorschlag der Gewerkschaft gegründet und bereits ihre Arbeit aufgenommen hat, in sich. Sie trägt den Namen „Best Owner Group“ (BOG) und ist so etwas wie eine Bad Bank für die Automobilzulieferer, weil sie gezielt in Firmen investiert, die langfristig dem Untergang geweiht sind.

Das geht so: Auf der einen Seite haben Zulieferer für Verbrennungsmotoren zwar noch zu tun, weil auch über das Jahr 2030 hinaus Autos mit dieser Technik fahren werden, aber ihre Auftragseingänge sinken stetig. Die BOG auf der anderen Seite verfügt über Mittel, weil sich die IG-Metall selbst dort mit dem Geld ihrer Mitglieder in der Anfangsphase engagiert hat und weil die ersten Investoren bereits Interesse signalisiert haben. Dieses Geld soll verwandt werden, um kränkelnde Zulieferbetriebe mehrheitlich zu übernehmen und bis zum endgültigen Auslaufen ihrer Produkte sozialverträglich abzuwickeln – ganz wie bei einer Bad Bank.

Der Betrieb sei gewinnbringend, denn Entwicklungskosten sowie Ausgaben für Neuinvestitionen fielen weg. Der Personalabbau könne durch die noch lange Laufzeit entsprechend der Altersstruktur der Beschäftigten sozialverträglich geplant werden. Beschäftigte könnten außerdem über einen längeren Zeitraum für zukunftsfähige Tätigkeiten qualifiziert werden, meint IG-Metall-Chef Jörg Hofmann.

Arbeitsagentur-Chef wird Fondsmanager

Mit dem ehemaligen Chef der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamts für Migration Frank-Jürgen Weise und mit Bernd Bohr, der früher die Kraftfahrzeugsparte von Bosch geleitet hat, haben sich auch bereits zwei Hochkaräter als Fondsmanager für die Spitze der BOG begeistern können. Sie sollen jetzt mit der Aussicht auf Rendite weitere Investoren anlocken. Für die Beschäftigten bei Conti, ZF, Schaeffler und Co, könnte das zumindest eine Chance bedeuten. Auch wenn es für sie ungewohnt sein dürfte, sich mit einmal als Anlage- und Abschreibungs-Vehikel von Finanzinvestoren wiederzufinden.

Oliver Stock

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