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In Deutschland strahlen nur die Kleinen

Die Corona-Pandemie hat Deutschlands Großkonzerne fest im Griff. Krisengewinner jedenfalls sucht man im DAX vergebens. Unter den kleineren Werten hingegen, finden sich gleich einige. Privatanleger laufen Gefahr sie zu übersehen.

Bei Delivery Hero verdoppelten sich im ersten Quartal die Bestellungen. (Foto: Shutterstock)

Die Corona-Pandemie hat Deutschlands Großkonzerne fest im Griff. Krisengewinner jedenfalls sucht man im DAX vergebens. Unter den kleineren Werten hingegen, finden sich gleich einige. Privatanleger laufen Gefahr sie zu übersehen.

Es ist ja nicht so, als brächte diese Krise nicht auch Gewinner hervor. Zumindest an der Börse gibt es da inzwischen einige. Da sind die großen Tech-Konzerne aus den Vereinigten Staaten, allen voran Amazon, Netflix und Nvidia, deren Aktien inzwischen klar über Vorkrisenniveau notieren. Aber auch die Papiere von Pharmariesen wie Roche aus der Schweiz oder Johnson & Johnson aus den USA haben inmitten der Börsenturbulenzen neue Höhen erklommen. Der Aktienkurs von Gilead Sciences, einem großen US-Biotechunternehmen, ist regelrecht explodiert. Und selbst die Autoindustrie hat einen Gewinner – Tesla‘s Aktienkurs hat sich trotz Krise seit Jahresbeginn verdoppelt.

Blickt man jedoch auf Deutschlands im Dax gelistete Großkonzerne, sucht man vergebens nach Gewinnern dieser Art. Nicht eine Aktie hat ihr Vorkrisenniveau bislang wieder zurückerobern, geschweige denn übertreffen können. Ein Umstand, der einem das Fehlen von großen Digitalkonzernen in Deutschland einmal mehr schmerzlichst vor Augen führt. Dazu kommt beinahe ironisch daher, dass sich der einzige Hoffnungsträger, Wirecard, selbstverschuldet in eine Glaubens- und Vertrauenskrise gestürzt hat – offensichtlich unfähig die Ungereimtheiten in Sachen Bilanzierung endlich aufzuklären. Und Deutschlands größter Tech-Konzern baut mitten in der Krise seine Führung um.

Dax-Konzerne stehen von vielen Seiten unter Druck

Aber auch abseits der Tech-Branche fehlen dem Dax die Hoffnungsträger. Im Gegenteil: Die etablierten Auto-Hersteller, darunter die drei deutschen Dax-Konzerne Volkswagen, Daimler und BMW, trifft die Krise zur Unzeit und besonders hart. Ebenso Zulieferer, wie Continental oder die mit von der Branche abhängigen Chemiegrößen BASF und Covestro. Die Luftfahrt-Branche ist am Boden – das trifft die Lufthansa, aber auch den Turbinenhersteller und Dax-Neuling MTU. Auch der Finanzsektor spürt die Krise und die Deutsche Bank steckt ohnehin seit Jahren in großen Ertragsschwierigkeiten. Ein Pharmakonzern wie Bayer, der unter normalen Umständen wohl vom Branchenhype profitieren würde, hat weiter die Monsanto-Klagen an der Backe. Ein eigentlich stark aufgestellter Adidas-Konzern, muss wochenlang seine Läden schließen und sieht die Nachfrage im Eiltempo einbrechen. Und selbst die beiden großen Versicherer sind bei Anlegern nicht mehr gefragt – aus Angst davor, die Dividende könnte gestrichen werden. Sicher gibt es mit den Versorgern oder einer Vonovia Werte, die die Pandemie weniger hart trifft. Nur profitieren, das tun sie eben auch nicht. Und so bleiben auch hier die großen Kurssprünge aus.

Die großen Kursgewinne gibt es bei den „Kleinen“ - Hellofresh geht vorweg

Sollten Anleger ihr Glück also entsprechend anderswo, insbesondere in den USA, versuchen? Vielleicht, vor allem aber sollten sie sich nicht zu sehr von Deutschlands Leitindex verunsichern lassen. Denn es gibt sie sehr wohl auch hierzulande, die Krisenprofiteure und Unternehmen, deren Aktienkurse durch die Decke gehen. Nur handelt es sich um die vergleichsweise kleinen Firmen aus dem MDax und TecDax.

Die Papiere des Kochboxen-Versenders Hellofresh beispielsweise, haben in den vergangenen beiden Monaten 113 Prozent an Wert zugelegt. Auf Jahressicht sind es 365 Prozent. Entsprechend ist die Marktkapitalisierung auf 6,7 Milliarden Euro angewachsen, was dann zumindest dieser Kennzahl nach nicht mehr ganz so klein ist. Inzwischen ist das immerhin rund doppelt so viel, wie der Börsenwert der Lufthansa. Ein Großteil der Analysten rät weiter zum Kauf. Es gelte sich von der jüngsten Rally nicht täuschen zu lassen, schrieb JPMorgan-Analyst Marcus Diebel. Die Papiere seien immer noch günstig, während die Markterwartungen weiter steigen dürften. Im ersten Quartal steigerten die Berliner ihren Umsatz um 66,4 Prozent auf 699,1 Millionen Euro und schafften nach Verlusten im Vorjahreszeitraum mit einem Gewinn von 63,1 Millionen Euro klar den Sprung in die Profitabilität.

Ebenfalls stark präsentiert sich der Essenslieferdienst Delivery Hero, dessen Aktie in zwei Monaten 44 Prozent an Wert zulegte. Auf Jahressicht sind es über 100 Prozent. Wie Hellofresh steht der Kurs somit klar über Vorkrisenniveau. Delivery Hero legte zuletzt ebenfalls vielversprechende Zahlen vor. Von Januar bis März verdoppelten sich die Bestellungen im Vergleich zum Vorjahr. Der Umsatz wuchs um 92 Prozent auf 515 Millionen Euro. Die Analysten hoben reihenweise ihre Kursziele an.

Mit Zalando steht die Aktie eines weiteren Versandhändlers – wenn es nun auch um Mode gehen mag – deutlich über Vorkrisenniveau. Knapp 54 Euro kosten die Titel derzeit, 47 Euro waren es vor dem Corona-Crash. Ausgehend vom Tief bei 30 Euro steht ein Plus von 80 Prozent zu Buche. Trotz einem von Zalando erwarteten Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich für das laufende Jahr, bleiben einige Analysten ob des eher geringen Margenpotenzials vorsichtig.

IT-Dienstleister rocken den MDax

Vom Online-Handel zu Deutschlands versteckten Tech-Champions. Die Aktien der IT-Infrastruktur-Spezialisten Bechtle und Cancom sind zuletzt ebenfalls durchgestartet. Die Bechtle-Papiere kosten heute rund 70 Prozent mehr, als Mitte März. Und mit 153 Euro notieren sie klar über den 148 Euro von vor dem Crash. Bei Cancom sieht es ganz ähnlich aus. Bei einem aktuellen Kurs von 54 Euro fehlt zwar noch ein kleiner Hüpfer zu den knapp 56 Euro, die die Titel Ende Januar kosteten, ausgehend vom Krisentief hat die Aktie aber schon mehr als 60 Prozent zulegen können und gehört damit zu den besten deutschen Performern in der Pandemie. Cancom erwartet 2020 trotz Corona Zuwächse bei Umsatz und Gewinn.

Gleichzeitig performte zuletzt auch die Aktie der Software AG vielversprechend, obwohl noch ein paar Prozent fehlen, um das Vorkrisenniveau zu erreichen. Alles in allem haben sich die Papiere vieler Tech- und Softwareunternehmen im M- und TexDax in den zurückliegenden Wochen vergleichsweise stark entwickelt. Allen voran die Titel von Teamviewer, die ausgehend von Mitte März auf ein Plus von knapp 70 Prozent kommen. Inzwischen ist die Bewertung hoch – das KGV liegt bei fast 70, die Marktkapitalisierung bei neun Milliarden Euro. Und das bei einem für 2020 erwarteten Umsatz von 450 Millionen Euro. Doch das erste Quartal sei bombastisch gewesen, urteilte Analyst Armin Kremser. Die Wachstumschancen scheinen riesig. Kunden die sich nun an die Fernwartungssoftware gewöhnen, wollen sie womöglich über die Pandemie hinaus nutzen.

Technologie im Pharmabereich boomt

Als weiterer MDax-Star gilt die Sartorius AG. Die Aktie des international führenden Labor- und Prozesstechnologie-Anbieters konnte ausgehend ihres Crash-Tiefs schon über 60 Prozent an Wert zulegen und notiert mit 295 Euro inzwischen klar über den 238 Euro von vor Krise. Das erste Quartal lief deutlich besser als erwartet, für das Gesamtjahr sind die Göttinger optimistisch gestimmt. Das Umsatzwachstum soll bei 15 bis 20 Prozent liegen. Der Auftragseingang legte von Januar bis März schon mal um rund 30 Prozent auf 629,4 Millionen Euro zu. Weniger bekannt, aber ebenfalls mit Rekordhoch in der Krise, überzeugt die Aktie der Compogroup, eines der europaweit führenden E-Health-Unternehmen.

Im Gesundheitssektor geblieben, darf freilich auch die Drägerwerk-Aktie nicht vergessen werden. Zu Beginn der Pandemie ob des Großauftrags der Bundesregierung über 10.000 Beatmungsgeräte viel in der Presse, hat die Aktie groß profitiert. Zwischenzeitlich hatte sich ihr Kurs beinahe verdoppelt. Inzwischen allerdings hat sich die Euphorie spürbar gelegt. Mit 75 Euro je Papier, steht der Kurs aber nach wie vor höher als vor dem Crash. Da hatte er sich bei rund 55 Euro eingependelt.

Fernab der klassischen Gewinner-Branchen findet sich im MDax mit Gerresheimer aber sogar ein Kunststoffspezialist, dessen Aktienkurs inzwischen höher notiert als vor dem großen Beben. Und über die vergangenen knapp zwei Monate hat sich immerhin ein stattliches Plus von 40 Prozent summiert.

Lukrative Rendite-Chancen für Anleger

Schnell sind die kleineren Unternehmen an der Börse übersehen. Unter Privatanlegern kennen sicher die wenigsten alle Unternehmen aus dem MDax. Und noch weniger, deren Geschäftsmodell. Doch in der Krise laufen diese den „Großen“ den Rang ab. Das zeigt zum einen die alarmierende Schwäche der DAX-Konzerne, auf der anderen Seite bieten sich Anlegern so durchaus lukrative Rendite-Chancen. Es ist ja nicht so, als könnte man in einer Krise nicht auch gewinnen.

Oliver Götz

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