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Krieg in der Ukraine: Ruhe ist die erste Anlegerpflicht

Der Krieg in der Ukraine hat die Börsen der Welt auf Talfahrt geschickt. Einige Anleger haben schnell reagiert, und so versucht, ihr Vermögen zu sichern. Zu schnell? Wer schon mehr Krisen erlebt hat, hält es mit den Profis. Die bleiben gelassen und wägen in Ruhe ab.


(Bild: Shutterstock)

Der Krieg in der Ukraine hat die Börsen der Welt auf Talfahrt geschickt. Einige Anleger haben schnell reagiert, und so versucht, ihr Vermögen zu sichern. Zu schnell? Wer schon mehr Krisen erlebt hat, hält es mit den Profis. Die bleiben gelassen und wägen in Ruhe ab.


Die russische Invasion hat den Anlegern schon das Frühstück verdorben, doch mit handelsbeginn folgte der zweite Hammer: Die Kurse sind abgestürzt. Der Dax durchbrach sogar die Marke der 14.000 Punkte nach unten. Viele Besitzer von Zertifikaten mussten zusehen, wie sich ihre Risikopapiere buchstäblich in Luft auflösten und satte Verluste hinterlassen haben. Dieser Flurschaden wird in manchem Depot nachwirken. Auch die Aktien und ETFs haben zum Teil arg gelitten. Doch am Ende dieser turbulenten Woche bewahrheitet sich die Weisheit vieler Krisen: Ruhe ist die erste Anlegerpflicht!

Am Freitagabend war der Dax wieder über der Marke von 14.500 Punkten. Das sind nur noch gut 500 Zähler vom Ausgangswert aus dem Wochenbeginn. Als Treiber galten kurzfristig auch Spekulationen über mögliche Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Also alles nur ein böser „Börsentraum“? Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass sich die Kurse schnell erholen. Nach dem Angriff auf die Doppeltürme in New York waren die Märkte nach einer Woche am Ausgangspunkt zurück. Auch der russische Vorstoß aus der Krim wirkte nicht nachhaltig nach. Anders der Einmarsch des Irak in Kuwait 1990, der eine schwierige Börsenphase nach sich zog.

Auch wenn es zynisch klingt: Die Märkte wägen emotionslos die wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen ab und suchen nach Chancen für neue Anlagen. Die Experten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) rechnen demnach mit einer volatilen Phase zumindest für die kommenden Wochen. Alles andere hänge von der weiteren politischen Entwicklung ab. Doch von den grundsätzlich guten Vorzeichen will man sich nicht verabschieden. Darum sehen Händler eher eine gute Gelegenheit günstig zuzukaufen. Wobei bei vielen kurzfristig die alte Krisen-Devise greifen wird: “Fly quality fly safty.“

LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer rechnet zwar mit einer Rezession im ersten Quartal, nachdem bereits das letzte Vierteljahr 2021 mit einem Minus abgeschlossen hatte. „Dem wird ein robuster Aufschwung folgen“, so Kraemer. Darum hält man an der Wachstumsprognose von 4,5 Prozent fest. Er verweist darauf, dass die Auftragsbücher in der deutschen Wirtschaft sehr gut gefüllt sind und daran ändere der Konflikt in der Ukraine und die jetzt verhängten Sanktionen gegen den Kreml prinzipiell nichts. Das Bruttoinlandprodukt Russlands entspreche dem von Belgien und der Niederlande zusammen. Als Handelspartner liege das Land hinter Ungarn auf Platz 13. Aus Sicht der EU ist Russland als Handelspartner sogar noch unbedeutender. Lediglich 0,5 Prozent der Exporte gehen dorthin. Und in den westlichen Bankbilanzen machen russische Titel etwa ein Prozent aus.  

China schaut genau zu

Für Kraemer hat sich Russland in ein politisches wie wirtschaftliches Abenteuer gestürzt: Die Ukraine wird unfassbar teuer. Das Regime wird deshalb auch innenpolitisch einen hohen Preis bezahlen.“ Man könne hier Parallelen zum Untergang der Sowjetunion erkennen. Der LBBW Chef-Ökonom mahnt klare Gegenmaßnahmen an: „China sieht genau zu“. Je nachdem wie sich der Angriff auf die Ukraine entwickelt, könnte dies Peking dazu verleiten in Taiwan einzumarschieren. Das würde dann wirklich massive wirtschaftliche Folgen nach sich führen“, so Kraemer, der daran erinnert, dass dort ein Großteil der Halbleiter für die Welt gefertigt werden. Seine Schlussfolgerung: „Wir müssen unabhängiger von Autokraten werden.“

Die Händler in Frankfurt sehen den alten Spruch bestätigt, dass politische Börsen "kurze Beine haben". Außerdem wird darauf spekuliert, dass die US-Währungshüter ihre ab März geplanten Zinsschritte doch noch in letzter Minute verschieben könnten. LBBW-Chefvolkswirt Kraemer sieht das anders. „Die Notenbanker müssen die Inflation bekämpfen.“ Jetzt erst recht, denn die weiter anziehenden Energiekosten würden die Preise weiter anheizen.  Der bevorstehende Kurswechsel bei der Zinspolitik hat bereits dafür gesorgt, dass die Anleger Tech-Werte untergewichten, weil für diese Unternehmen besonders viel Kapital für weiteres Wachstum benötigen.  Doch nur 30 Prozent der Fondsmanager, die von der Bank of America kurz vor dem Einmarsch Russlands befragt wurden, sehen für 2022 einen Bärenmarkt.

Nächster Schub für die Inflation

Entscheidend für die kommenden Monate wird sein, wie sich die Versorgung von Energie entwickelt. Wobei man beispielsweise bei der BASF durchaus gelassen ist. Dies obwohl man allein in Ludwighafen drei Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr verbraucht. Die Lieferanten säßen im Westen, versichert der Chemieriese, der allerdings einräumt, dass der Preissprung im vergangenen Jahr Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro verursacht hat – 800 Millionen allein im letzten Quartal. Die weitere Entwicklung will der Großabnehmen nicht voraussagen. Dazu seien die Ereignisse noch zu frisch. Gleichwohl veranschlagen die BASF-Experten einen Öl-Preis von 75 Dollar je Fass – was einer deutlichen Entspannung bedeuten würde.

In Ludwigshafen ist man überzeugt, dass die Preisexplosion beim Gas künstlich in Moskau angefacht wurde. Die Mehrkosten will der Chemieriese mit kräftigen Preiserhöhungen ausgleichen. Die Vorprodukte der BASF sind besonders für die wirtschaftliche Prognose interessant. Sie dienen beispielsweise als Fasern für Textilien, allerlei Kunststoffe und als Grundlage für unzählige Chemikalien. Hier bahnt sich also schon der nächste Schub für die Inflation an.

Der Konflikt in der Ukraine und die Inflation werden die Zeitpläner, der für dieses Jahr geplanten Börsengänge beeinträchtigen. So lässt man in Wolfsburg und Stuttgart offen, wann man Teile der Sportwagenschmiede Porsche aufs Parkett bringen will. Das Klima sei derzeit nicht günstig. Ähnlich geht es auch der BASF, die die Tochter Winterhall-Dea an die Börse bringen will. Auch hier liegen die Pläne vorerst auf Eis. Andere Unternehmen nutzen die volatilen Märkte hingegen als Gelegenheit, um günstig eigene Aktien zurückzukaufen. So hat die BASF allein in den vergangene Wochen 6,2 Millionen Aktien eingezogen.

Andreas Kempf

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