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Autobauer im IT-Rausch

Der künftige Mercedes der S-Klasse wird innen zumindest aussehen wie ein Tesla der höheren Klassen. Alles Software, alles knopffrei, Bildschirme und Touchpads rundum. Das Spitzenmodell wird häufig als Dienstfahrzeug geleast – nun wäre es eine sinnvolle Idee, gleich auch den Fulltime-Chauffeur mit einzuplanen.

Der künftige Mercedes der S-Klasse wird innen zumindest aussehen wie ein Tesla der höheren Klassen. Alles Software, alles knopffrei, Bildschirme und Touchpads rundum. Das Spitzenmodell wird häufig als Dienstfahrzeug geleast – nun wäre es eine sinnvolle Idee, gleich auch den Fulltime-Chauffeur mit einzuplanen.

Von Reinhard Schlieker

Die Bedienung auch simplerer Kraftfahrzeuge erfordert eine gewisse Technikaffinität, klar. Neben den beweglichen Teilen, die überschaubar sind, gibt es einen Haufen Datenleitungen, und wenn vor vielen Jahren, zugegeben, man noch damit prahlen durfte, keinen Videorecorder programmieren zu können, dann ist man in Sachen Autofahren ebenso obsolet wie der Videorecorder sowieso. Ja, auch der mit VHS. Die ständige Anpassung irgendwelcher Einstellungen muss nicht nur gelernt werden, sondern alsbald auch blind erfolgen können, will man nicht in einer fahrbaren Todeszone sitzen. Das mittlerweile den meisten bekannte Telefonierverbot, so das Gerät am Ohr festgedrückt wird, oder auch nur angefasst während der Motor läuft, wirkt grotesk unzureichend: Natürlich kann wirklich jeder ohne Nutzung der Hände telefonieren und die meisten beherrschen das auch dann und wann. In Spitzenfahrzeugen gibt kommunikativ längst nichts mehr ans Ohr zu bringen. Da klingelt das ganze Auto drahtlos.

Daimler also, deren Aktie heute in etwa halb so viel wert ist wie vor fünf Jahren, meldete gerade einen Quartalsverlust von grob 1,68 Milliarden Euro. Die Anleger atmeten sogleich auf, denn das war weniger als befürchtet. Trotzdem – eine Firma wie Wirecard wurde angesichts geringfügig höherer Fehlsummen kürzlich beerdigt, wobei das Geld wohl kriminell verschwunden ist und nicht wie bei Daimler von Topmanagern ordentlich regelkonform versenkt. Man pfeift daher auch in Stuttgart keineswegs auf dem letzten Loch, sondern nur im Walde. Denn was immer man tut im Autobau: Die Zahl der Kritiker oder wenigstens deren Fähigkeit, durchdringend zu schreien, nimmt zu. Wer nicht E-Mobile en gros baut und das Ende des Verbrenners fest ins Auge fasst, sollte wirklich bei „drei“ auf dem Baum sein. Dabei ist noch längst nicht ausgemacht, ob der E-Hype – vom weitgehend illusorischen Wasserstoff-Fahrzeug mal nicht zu reden – nicht in Wirklichkeit umweltschädigender Irrweg ist, womöglich gar eine Irrautobahn. Die Energiebilanz ist umstritten, und tatsächlich in großen Stückzahlen kostengünstig zu produzieren wäre eine E-Auto-Flotte wohl erst in einer technologisch höher entwickelten Welt als heute.

Doch gesetzt den Fall, man traut das alles den Schwaben, gewissen Wolfsburgern und Münchenern zu, ist immer noch nicht geklärt, ob das die Zukunft der deutschen Automobilindustrie wirklich retten kann. Zwar ließ Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche vor wenigen Monaten verlauten, der Abgesang auf die Branche ertöne nun schon seit vier Jahrzehnten, aber eine Versicherung für die nächsten vier ist das wohl auch nicht. Womit wir bei Tesla wären, dem wertvollsten Autokonzern der Welt, wenn man nicht eher Softwaregigant dazu sagen will. An dem hatte Daimler, mancher erinnert sich, einen gut neunprozentigen Anteil erworben – 2009 war das und es ging um 50 Millionen. 2014 verkaufte der Konzern seine Tesla-Anteile wieder für 800 Millionen Euro. Heute wäre das Paket 25 Milliarden Dollar wert. Nun gut, ein schwäbischer Autobauer ist halt kein Finanzinvestor. Die Differenz hätte Daimler allerdings ein paar Jahre mit Milliardenverlust verschmerzen lassen.

Aber auch ohne das viele Geld hat die Branche in Deutschland dem verschrobenen Visionär Elon Musk viel zu verdanken. Musk fährt mehrgleisig – mit seiner „Boring Company“ will er in Kalifornien Tunnel bauen, in denen seine E-Mobile herumrasen sollen, und er ist doch ziemlich erfolgreich in Richtung Weltraum unterwegs, mit Space-X. Nachdem nun alles in Angriff genommen ist, will er auch noch nach Brandenburg. Geld spielt keine Rolle für die neue Fabrik – 12.000 Arbeitsplätze dort in der Produktion, man plant ein futuristisches Gebäude mit Solarenergieversorgung, und wo auf dem Dach keine Solarpanels sind, da ist halt der Swimming Pool für Mitarbeiter, rundum wird aufgeforstet und was dergleichen mehr ist, was man in Brandenburg halt so tun kann.

Damit kommen die Tesla-Weckrufe näher, denn noch immer ist der Konzern führend in der Batterietechnik und ruht sich darauf nicht aus. Viele Ideen finden sich inzwischen in deutschen Normalautos, und auch wenn die Konkurrenz nicht willkommen ist, so muss man mittlerweile anerkennen, dass der Pfiffikus aus Kalifornien immer mehr Versprechen erfüllt, eine rasante Modellpolitik betreibt und bald vom Laster bis zum Roadster eben alles in der Mache hat. Teslas Aktienkurs bei inzwischen rund 1.300 Euro halten manche für zahlgewordenen Wahnsinn. Vielleicht tun das sogar die meisten. Einen wirklich triftigen Grund für einen dräuenden Crash jedoch hat kein Prophet in petto. Da bleibt dem privaten Anleger, so er denn seit einer kleinen Weile dabei ist und leichtes Bauchgrimmen verspürt, seine Position ganz traditionell abzusichern mit den bekannten Finanzinstrumenten, und ansonsten vielleicht Teilgewinne mitzunehmen, was bekanntlich nicht zur Verarmung führt. Das Tesla-Papier notiert in Regionen, wo herkömmliche Analyseinstrumente nicht mehr folgen können, aber eine Garantie für einen Absturz ist das ja nun auch nicht. Man stelle sich vor, was Daimler unternehmen müsste, um seinen Kurs baldigst zu verdoppeln...es fiele einem nicht viel ein. Bei Tesla hält man nichts für unmöglich (danke, Toyota auf Platz zwei der Weltrangliste). So ungerecht ist die Welt, und nicht nur die.

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