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Autoindustrie, die Herzkammer der deutschen Wirtschaft: Es flattert

Volkswagen will nicht alles besser, aber manches anders machen. Könnte man meinen, wenn man die Suche nach einem neuen Namen für den Konzern so sieht. VW-Chef Diess bläst zur Jagd auf einen zündenden Funken, und viele machen mit (und nein, BMW ist schon vergeben). Zeitungsleser, Twitterer, Tippgemeinschaften: Deutschland sucht den Super-VW.

Volkswagen will nicht alles besser, aber manches anders machen. Könnte man meinen, wenn man die Suche nach einem neuen Namen für den Konzern so sieht. VW-Chef Diess bläst zur Jagd auf einen zündenden Funken, und viele machen mit (und nein, BMW ist schon vergeben). Zeitungsleser, Twitterer, Tippgemeinschaften: Deutschland sucht den Super-VW.
 
Cool muss er sein der Name, knackig, ja modern geradezu, denn immerhin kann Volkswagen auch Software, sagt man. Vieles ächzt und knarzt im Autosektor – die kommende E-Mobilität, das selbstfahrende Auto, alles ist hinlänglich beschrieben, die Folgen für die mittelständischen Zulieferer und die Mitarbeiter im Kfz.-Gewerbe, es wurde gewarnt und getwittert, und visioniert, und Tesla bleibt der Schreckensengel, und Apple kommt ja erst noch. Im Detail zeigt sich, wie weit es her ist mit all den revolutionären Plänen der Herzkammer der deutschen Industrie.
 
Nun hat zunächst einmal BMW sehr gute Quartalszahlen präsentiert: Das war vor allem in Hinblick auf die Finanzierungssparte des Konzerns eine positive Überraschung, aber auch das operative Geschäft brachte trotz aller Widrigkeiten etwas ein, denn man verkauft vorzugsweise die höherwertigen Limousinen, dort wird auch nicht an knappen Chips gespart, und höhere Rohstoffpreise verflüchtigen sich eher in der Marge. Die chinesische Tochter „BMW Brilliance Automotive“ trägt ebenso bei – und die BMW-Aktie verlor am jüngsten Schwarzen Donnerstag weniger als der Gesamtmarkt. Man muss auch mal zufrieden sein.
 
Bedenklich erscheint dem unbefangenen Beobachter allerdings eine Meldung, derzufolge BMW wie auch Mercedes heilfroh sein sollen, ihre gemeinsame Carsharing-Unternehmung namens „Share Now“ zu unbekannten Konditionen an den französisch-italienischen Konzern Stellantis verkauft zu haben. Der, mit solchen Marken wie Peugeot, Opel, Fiat und Chrysler, scheut vor dem Geschäft nicht zurück, welches in Stuttgart und München nur Mühsal, Sorge und Not gebracht hatte. 2019 erst hatte man die gemeinsame Unternehmung – Fachbegriff: „stationsunabhängige Autovermietung“ – aus den zuvor getrennten eigenen Sharing-Firmen zusammengeschmiedet. Aber das Geschäft war, trotz Marktführerschaft, kaum erfolgreich. Dabei hatte Dieter Zetsche (ehem. Mercedes) es damals als unbedingt notwendig erachtet, Fahrdiensten aller Art, auch neuartigen wie Uber und Didi, nicht das Feld zu überlassen.
 
Vielleicht aber ist es nicht so kostendeckend, einen Car-Sharing-Dienst mit Mercedes und BMW-Fahrzeugen auszustatten? Volkswagen (oder wie immer die Firma demnächst heißen mag) will dagegen mit der Erwerbung Europcar neue Weiten erschließen, man wird noch davon hören. Denn Europcar war schon mal bei VW, wurde 2006 abgestoßen mit der Begründung: Man wolle sich aufs Kerngeschäft konzentrieren. Nun ja, will man jetzt anscheinend nicht mehr so, oder das Kerngeschäft ist auch nicht mehr das, was es einmal war.
 
Jedenfalls: Der Kampf geht weiter. So wie man heute gegen Tesla anläuft und sich bei einigen deutschen Herstellern mit der ganz eigenen Software-Entwicklung für selbstfahrende Autos herumschlägt. Und Mobility auf allen Ebenen. Immer gibt es jemanden, der schon da ist, wo man hinwill. Auch mit der Produktion besonders guter Batterien für die Elektromobilität ist man nicht Weltspitze, um es mal zurückhaltend auszudrücken. Die Partnerschaft von Mercedes mit dem chinesischen Fertiger von Batteriezellen Farasis wirft Fragen auf – gerade scheiterte krachend der Plan, in Bitterfeld eine Produktion aufzubauen. Farasis ist dazu wortkarg, wie immer, Mercedes jetzt auch. Eine internationale Größe in dem Geschäftsfeld ist das Unternehmen, gegründet in den USA und dann nach China übergesetzt, bislang eher nicht.
 
Auf der Suche nach Lichtblicken taucht vielleicht die Mobilitäts-App „Free Now“ am Horizont auf. Die wollen Mercedes und BMW zu einer umfassenden Dienstleistung rund um die Bewegung (außer zu Fuß) ausbauen. Egal wo, mit wem, oder wohin: Das Programmchen für Smartphones kennt den Weg und weist ihn, per Taxi, Chauffeur, Scooter, oder E-Bike gleich um die Ecke. Partner hierbei ist Sixt.
 
Und dessen Aktie zeigt sich weitgehend ungerührt vom Aufruhr in der Autowelt. Die Gebrüder Sixt an der Spitze des (neuerdings) MDax-Unternehmens nutzten die Widrigkeiten der Coronazeit für einige Anpassungen, und konnten vor allem in der Knappheitsphase ihre Preise erhöhen. Sixt lebt vom Mietwagengeschäft, vom Gebrauchtwagenmarkt und natürlich dem Flottenmanagement, und kann sich ansonsten ruhig zurücklehnen, wenn die Lieferanten der Automobile ins Flattern geraten. Man kauft halt nur, was auch fährt. Und bietet eben auch Carsharing mit „Sixt Share“ und ein Auto-Abonnement „Sixt+“ mit Neuwagen, monatlich kündbar, und kooperiert mit Taxi- und Chauffeurdiensten. Der Clou: Sixt baut keine Autos.
 
Das beste Firmenergebnis aller Zeiten bestätigte die Strategie des Konzerns für 2021 – vom entsprechend gestiegenen Aktienkurs ist die Sixt SE inzwischen, wie so viele, wieder deutlich entfernt. Im Gleichklang mit dem Markt. Die gerade wieder erhöhte Ausschüttung erbringt ungefähr drei Prozent Dividendenrendite. Sozusagen zum Überwintern in der momentan kalten, zugigen Börsenluft.

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