Banken zittern. Kommt jetzt auch noch die Finanzkrise zurück?
Start ups, die kein Geld verdienen und Gewerbeimmobilien, die nicht wert sind, was drauf steht: In der Phase, als das Geld noch billig war, haben Banken vieles finanziert. Das rächt sich jetzt.
Start ups, die kein Geld verdienen und Gewerbeimmobilien, die nicht wert sind, was drauf steht: In der Phase, als das Geld noch billig war, haben Banken vieles finanziert. Das rächt sich jetzt.
Mit einmal ist es wieder da – das böse Wort von der Bankenkrise. Beinahe anderthalb Jahrzehnte ist es her, da hatte die leichtsinnige Kreditvergabe an mehr oder weniger zahlungskräftige Hauskäufer in den USA erst die Pleite von Lehman Brothers und anschließend ein weltweites Bankenbeben mit darauffolgender Finanzkrise ausgelöst. Sie steckt der Branche noch heute in den Knochen. Und nun ist es wieder eine US-Bank, diesmal eine im Silicon Valley, die das Geld mehr oder weniger zahlungskräftiger Start ups verwaltete, und am Wochenende in die Pleite gerutscht ist.
Die Sorge dahinter ist, dass es dabei nicht bleibt. Drei Gründe sind dafür ausschlaggebend. Der erste: Keine Branche ist weltweit so eng miteinander verbunden, wie das Bankensystem. Das Geld des einen, steckt auf dem Konto des anderen. Das Guthaben hier, ist der Kredit dort. Und wenn ein Dominostein fällt, gerät eine ganze Reihe ins Wanken. Das ist der Grund, weswegen eine insolvente kalifornische Bank, die hierzulande bis Freitag nur Insider kannten, die Kurse der gesamten Branche in den Keller rauschen lässt. Minus 14 Prozent bei der Deutschen Bank, das gleiche Bild innerhalb der vergangenen beiden Börsentage bei der Commerzbank – ebenfalls minus 14 Prozent. Bei den Aktionären schrillen offenbar die Alarmglocken.
Der zweite Grund: Die Silicon Valley Bank hat etwas gemacht, wofür in Zeiten billigen Geldes Investoren und Banken anfällig sind. Sie hat Wachstum um jeden Preis finanziert. Sie hat sich um jene tausende von Minifirmen mit maximalen Träumen gekümmert, die keinen Cent verdienen, das aber so in Ordnung finden, weil sie ja schließlich erstmal wachsen wollen. Das Geldeinnehmen verschieben sie auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, wenn sie mit dem geliehenen Geld ihren Markt erobert haben. Diese Strategie geht genau so lange gut, wie Geld zum Nulltarif zu haben ist. Wenn aber das Ausleihen wieder Zinsen kostet, sind Geschäftsmodelle, die etwas abwerfen, eindeutig im Vorteil. Vor diesem Hintergrund, ist es klar, dass eine Bank im Start up-Paradies Silicon Valley nun als erste dichtmacht, genauso klar ist aber auch, dass das Phänomen, Banken von New York über London, Zürich und Frankfurt bis nach Hongkong und Shanghai treffen kann. Eine zweite Bank erwischte es bereits am Montagmorgen, als die US-Bankenaufsichtsbehörde die New Yorker Signature Bank schloss.
Dabei waren es nicht einmal ausfallende Kredite, die der Silicon Valley Bank (SVB) das Genick brachen. Vielmehr war es ursprünglich das viele Geld, das gut finanzierte Start ups bei ihr geparkt haben. Da Investoren nicht mehr so bereitwillig nachschießen, müssen diese Jungunternehmen inzwischen öfter an ihre gesparten Guthaben aus bisherigen Finanzierungsrunden. Die SVB kam in Schwierigkeiten, weil das viele gleichzeitig gemacht haben. Auch solche aus Deutschland. Das Reise-Start Up Getyourgide ist beispielsweise eines davon. Als die Berliner am vergangenen Donnerstag Wind davon bekamen, dass die SVB eine Kapitalerhöhung plante, handelten sie geistesgegenwärtig und zogen ihr Geld dort ab. In der Fachsprache der Banker heißt so ein verständliches Verhalten von Kunden: Bank Run. Es ist gefürchtet, weil es eine angeschlagene Bank endgültig in den Ruin treibt. Die Berliner hatten aus ihrer Sicht Glück und konnten ihre Einlagen noch retten. Aber weil viele so gedacht und gehandelt haben, hat dies den Untergang der kalifornischen Bank beschleunigt. Die SVB in Frankfurt war bis zu ihrer Schließung durch die deutsche Bankenaufsicht am Montag auch Partner von anderen deutschen Start Ups, wie den Lieferdienst Hellofresh und den Mobilitätsanbieter Lilium. Rund 360 junge Firmen zählen hierzulande zum SVB-Kundenkreis. Sie alle haben jetzt ein Thema. Laut US-Regierung sind die Einlagen geschützt, allerdings nur bis zu einer Größenordnung von 250 000 Dollar, was für die allermeisten Firmenguthaben ein Pappenstiel ist.
Der dritte Grund, weswegen das Wort von der Bankenkrise wieder die Runde macht, ist nicht so offensichtlich. Aber auch er hat mit dem billigen Geld zu tun, das seit der Zinswende, die die Notenbanken im vergangenen Jahr vollzogen haben, eben nicht mehr so billig zu haben ist. Und er könnte sich als noch folgenreicher als die Pleite der Start up-Bank erweisen.
Es geht, und hier werden die Parallelen zur Finanzkrise von 2008 offensichtlich, um Immobilienkredite. Genauer gesagt um Geld für Gewerbeimmobilien - für Bürohochhäuser, Shoppingmals und Fabriken. Seit Mitte des vergangenen Jahres nehmen die Kontrolleure der Europäischen Zentralbank das Risiko, das den Banken im Euro-Raum aus ihren Krediten für Gewerbeimmobilien blüht, genauer unter die Lupe. Es gibt Vor-Ort-Inspektionen bei den Banken und die Ergebnisse werden immer heikler: Sie fänden es „besorgniserregend, dass viele Probleme bereichsübergreifend seien und über Gewerbeimmobilien hinausgingen“ schrieben die Kontrolleure bereits im vergangenen August. Der Sektor, in den im Zuge der langanhaltenden Niedrigzinsphase erhebliche Investitionen geflossen waren, gilt unter anderem durch die Folgen der Corona-Pandemie als besonders verwundbar. In Europa entfallen derzeit rund 30 Prozent aller Kredite, bei denen die Schuldner nicht mehr zahlen können, auf Gewerbeimmobilien. „Da die Inflation anzieht und die Zentralbanken mit einer Straffung der Geldpolitik reagieren, können höhere Zinsen den Druck auf den Immobiliensektor erhöhen“, warnten die Aufseher im vergangenen Spätsommer.
Jetzt, ein halbes Jahr später kommt die deutsche Bankenaufsicht BaFin in ihrer Vorausschau für 2023 zu dem Ergebnis, dass sich „die Risiken auf den Gewerbeimmobilienmärkten weiter erhöht haben“. Die Nachfrage sinke, die Preise purzelten. „Zukünftig könnten insbesondere ein struktureller Nachfragerückgang nach Büro- und Einzelhandelsimmobilien, steigende Energiekosten und ein Anstieg der Insolvenzen oder Zahlungsschwierigkeiten bei Mietern von Gewerbeimmobilien Risiken darstellen.“ Sollte sich diese Trendwende fortsetzen, werden Kreditausfälle wahrscheinlicher, sagen die Kontrolleure voraus. Da Gewerbeimmobiliendarlehen eine hohe Bedeutung für den deutschen Bankensektor haben und das Kreditvolumen über die vergangenen sieben Jahre kontinuierlich zugenommen hat, seien davon „weite Teile des deutschen Bankensystems betroffen“.
Der Mechanismus dahinter geht so: Landen viele Büroimmobilien auf dem Markt, fallen die Preise. Es droht eine Abwärtsspirale. Sinken die Preise der Anlagen unter den Restwert der Finanzierungen, finden Eigentümer immer schwerer neues Geld. Keine Bank finanziert gerne einen 500-Millionen-Anschlusskredit für ein Gebäude, dessen Restwert auf 250 Millionen Euro gefallen ist. Landen dadurch noch mehr Gewerbeimmobilien auf dem Markt, fallen die Preise weiter. Banken und Investoren verlieren viel Geld - ein Teufelskreis, auf den auch der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) vor wenigen Wochen warnend hingewiesen hat.
Dass solche Warnungen nicht aus der Luft gegriffen sind, wird in Deutschland an zwei prominenten Fällen deutlich. So prüfen die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank derzeit die Engagements europäischer Banken bei der Signa Holding des österreichischen Unternehmers René Benko sehr genau. Der Immobilieninvestor, der mit der Galeria Kaufhof bereits zweimal eine Pleite hingelegt hat, ist weltweit ausgerechnet in Büroimmobilien und Shoppingmals engagiert. Vom Chrysler-Building in New York bis zum Kaufhaus des Westens in Berlin reichen die Investitionen seiner Firmen. Die Bankenaufseher wollen nun Details zu Kreditengagements wie etwa deren genaue Besicherung in Erfahrung bringen.
Betroffen von der heraufziehenden Krise am Gewerbeimmobilienmarkt ist auch die Commerzbank – allerdings weniger ihr eigenes Geschäftsmodell, als vielmehr das eigene Dach über dem Kopf: Die Commerzbank-Zentrale in Frankfurt nämlich, eines der höchsten Gebäude Europas gehört der südkoreanische Samsung Assets Management und der Augsburger Patrizia Vermögensverwaltung. Sie haben das Gebäude im Jahr 2016 gekauft, der Kredit läuft dieses Jahr aus. Deutlich gestiegene Zinsen verteuern einen neuen Kredit und setzen die Eigentümer finanziell unter Druck. Sie verschrecken gleichzeitig Kaufinteressenten für das 675-Millionen-Euro-Bürogebäude. Ein Verkaufsversuch scheiterte bereits im vergangenen Herbst. Die Koreaner und die Augsburger suchen weiter neues Geld und neue Investoren.
All dies sind keine guten Nachrichten für die Bankenbranche. Und sie erreichen inzwischen auch die Politik. Die Bundesregierung wehrt sich allerdings, die Lage mit der globalen Finanzkrise von 2008 vergleichen. „Ich glaube nicht, dass wir in einer vergleichbaren Situation sind wie seinerzeit“, sagt ein Regierungssprecher Es sollten jetzt keine weiteren Probleme herbeigeredet werden.
Oliver Stock
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