GameStop: doch nicht Game Over?
Eine Zeit lang sah es danach aus, als wenn für den Computerspielehändler GameStop das Spiel beendet ist. Zuletzt meldete sich der potenzielle Pleitekandidat jedoch mit einer beeindruckenden Kursrallye zurück. Die Aktie erreichte sogar ein neues Rekordlevel. Ist das nur dem Short-Squeeze geschuldet? Oder bestehen berechtigte Chancen für einen nachhaltigen Aufstieg?
Eine Zeit lang sah es danach aus, als wenn für den Computerspielehändler GameStop das Spiel beendet ist. Zuletzt meldete sich der potenzielle Pleitekandidat jedoch mit einer beeindruckenden Kursrallye zurück. Die Aktie erreichte sogar ein neues Rekordlevel. Ist das nur dem Short-Squeeze geschuldet? Oder bestehen berechtigte Chancen für einen nachhaltigen Aufstieg?
Wenn man Zitronen ausdrückt, fließt Saft. Wenn eine Aktie in den Börsenentsafter gerät, fließen Tränen. Zumindest im übertragenen Sinn und bei denjenigen, die auf fallende Kurse setzen. Diese sogenannten Shortseller verdienen nur dann Geld, wenn der Preis zurückgeht. Dazu werden zu einem bestimmten Zeitpunkt Aktien verkauft, die man gar nicht besitzt, was als Leerverkauf bezeichnet wird. Das Kalkül dahinter ist, die Aktien später zu einem deutlich geringeren Preis rückzukaufen. Wenn diese Rechnung aber nicht aufgeht, kann es richtig teuer werden. Nämlich dann, wenn der Kurs durch die Decke geht. In diesem Fall kann sich eine Spirale in Gang setzen, die immer mal wieder zu spektakulären Entwicklungen an den Börsen führt. Denn wenn der Kurs, statt zu fallen, kräftiger steigt, kommen die Leerverkäufer in Zugzwang. Um noch größere Verluste zu vermeiden, wollen sie dann ihre Positionen schließen und müssen dazu die Aktien zurückkaufen. Wenn es aber keine Verkäufer gibt und viele Shortseller die Reißleine ziehen, müssen sie immer höhere Preise bieten. Das wiederum bringt andere Bären in Handlungsnot. Auch sie wollen oder müssen raus, was für weiteren Preisdruck nach oben sorgt. Ein Teufelskreis beginnt, es kommt zum Short-Squeeze. Legendär in diesen Zusammenhang ist der Short-Squeeze der Volkswagen-Aktie aus dem Jahr 2008.
Online-Konkurrenz und Servicewüste
Jüngst ein spektakuläres Beispiel ist die Aktie von GameStop. Das US-Unternehmen ist die größte Einzelhandelskette für Computerspiele und dazugehöriger Hardware. In ihren stationären Geschäften verkauft das Unternehmen Spielekonsolen sämtlicher Hersteller und die dazu passenden Spiele. Das Geschäftsmodell galt jedoch als Auslaufmodell. Auch hier nagte die Online-Konkurrenz an den Ergebnissen und den Perspektiven. GameStop gilt in eingefleischten Spielerkreisen zudem als Servicewüste. Das spiegelte sich lange Zeit im Aktienkurs wider. Das ursprüngliche Allzeithoch wurde 2007 mit knapp 65 US-Dollar markiert. Seither ging es abwärts. 2013 keimte zwischenzeitlich noch einmal Hoffnung auf. Der alte Rekord konnte jedoch nicht überwunden werden. Die geschäftlichen Probleme waren nicht in den Griff zu bekommen. Umsatz und Gewinne sanken. Filialen mussten geschlossen werden. Zuletzt war man sogar in die Verlustzone gerutscht. Die Folge war ein neuer Abwärtstrend an der Börse, der die Aktie bis zum Allzeittief im April 2020 auf unter 3 US-Dollar sinken ließ. GameStop galt als Pleitekandidat. In der zweiten Jahreshälfte 2020 setzte sich aber offenbar die Hoffnung auf eine nachhaltige Trendumkehr durch. Der Kurs zog deutlich an. Bis zum Jahresende kletterte er auf fast 20 US-Dollar. Das entspricht einem Plus seit dem Rekordtief von beinahe 700 %. Und damit war nicht Schluss.
Neuer Rekord
In den ersten Wochen des neuen Börsenjahres 2021 gegen die Rallye weiter. Allein am vergangenen Freitag war die Aktie in der Spitze um mehr als 78 % in die Höhe geschossen. Mit 76,76 Euro wurde damit der historische Höchststand aus 2007 übertroffen. Am Ende ging die Aktie mit 65,01 US-Dollar aus dem Handel. Auch hier sieht es nach einem gewaltigen Short-Squeeze aus. Das verwundert nicht. Denn von der Aktie wurden in den vergangenen Monaten mehr Stücke leer verkauft (geshortet) als vorhanden sind. Das Verhältnis der Short-Aktien zu den tatsächlich ausstehenden Papieren lag zwischenzeitlich bei 140 %. Durch den zuletzt immer stärker steigenden Preis setzte sich dadurch eine Lawine in Gang, die sich in einer spektakulären Kursexplosion manifestierte.
Chewy-Gründer will GameStop umkrempeln
Als ein Grund für den steigenden Aktienkurs gilt die Corona-Krise. Die Gaming-Branche hat dadurch einen Boom erfahren. Dies spiegelten auch die Verkaufszahlen von GameStop wider. Im wichtigen Weihnachtsgeschäft legte der Umsatz deutlich zu. Vor allem sorgte aber der Einstieg von Ryan Cohen (RC Ventures LLC) für Zuversicht. Der Mitbegründer des amerikanischen Online-Händlers für Tiernahrung Chewy war im September 2020 mit 10 % bei GameStop eingestiegen und wurde damit zum größten Einzelaktionär. Der Milliardär baute seinen Anteil inzwischen auf knapp 13 % aus. Im Januar wurden er und zwei weitere Mitstreiter von ihm in dem Aufsichtsrat berufen. Damit ist der Grundstein gelegt, um aktiv in die Geschicke von GameStop einzugreifen. Es wird nun gehofft, dass unter der Ägide Cohens, der sein einstiges Baby Chewy sehr erfolgreich machte und letztlich für 3,35 Mrd. US-Dollar an PetSmart verkaufte, auch GameStop auf ein neues Level führt. Der Investor will aus dem trägen Ladenhüter ein boomendes E-Commerce-Geschäft formen. Dazu sind einige Investitionen nötig. Es geht aber nicht nur um den Aufbau einer technologisch überzeugenden Plattform (inklusive Logistikinfrastruktur). Cohen setzt zudem auf erstklassigen Kundenservice, was ein wichtiger Baustein beim Erfolg von Chewy war. Er bringt es wie folgt auf den Punkt: „GameStop muss sich zu einem Technologieunternehmen entwickeln, das Gamer und Spieler begeistert und außergewöhnliche digitale Erlebnisse liefert.“
Volatilität dürfte sich fortsetzen
Ob seine Ambitionen von Erfolg gekrönt sein werden, wird die Zeit zeigen. Es wird sicherlich kein leichter Weg, auch weil die Konkurrenz groß ist und nicht schläft. Die neue GameStop muss deshalb schon ordentliche Geschütze auffahren. Der aktuell hohe Aktienkurs und der sich womöglich weiter fortsetzende Short-Squeeze könnte dabei eine gute Möglichkeit sein, durch die Ausgabe neuer Aktien frisches Kapital ins Unternehmen zu bekommen. Damit hätte man die finanziellen Mittel für die geplante umfangreiche Transformation. Bei GameStop ist scheint also noch nicht Game Over zu sein. Der Aktienkurs dürfte in den nächsten Wochen und Monaten aber volatil bleiben und weitere große Ausschläge in beide Richtungen zeigen. Kurzfristig könnte sich zudem der Short-Squeeze fortsetzen – ein Selbstläufer ist das jedoch nicht.
Thomas Behnke
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