Gold, Öl, Kohle und Co. – wie wird 2023?
Im zu Ende gehenden Jahr war Gold für Anleger eine relativ sichere Bank – aber wie wird 2023? Und was blüht den Investoren auf dem Rohstoffmarkt? Man kann es natürlich nicht wissen, aber es gibt Signale und Wahrscheinlichkeiten.
Im zu Ende gehenden Jahr war Gold für Anleger eine relativ sichere Bank – aber wie wird 2023? Und was blüht den Investoren auf dem Rohstoffmarkt? Man kann es natürlich nicht wissen, aber es gibt Signale und Wahrscheinlichkeiten.
Wer 2022 mit Goldaktien im Depot oder Barren auf der Bank verbracht hat, war gegenüber den meisten anderen Anlegern leicht im Vorteil: Das Edelmetall gehörte zwar nicht zu den ausgesprochenen Gewinnern der Krisen, aber im allerschlimmsten Fall hat man etwa zwanzig Prozent eingebüßt, nämlich zwischen dem teuersten Monat März als Kaufdatum und dem Tief im Oktober als Verkaufszeitpunkt. Ein so unglückliches Händchen hat statistisch kaum jemand, und so dürften die meisten Eigner des Goldes wohl mit geringen Verlusten oder gar leichten Gewinnen davongekommen sein. Da haben Aktionäre bei Dax und Dow anderes hinter sich. Vom Höchststand bei etwa 2.050 Dollar je Feinunze (28,35g) ging es bergab bis auf 1.650, seit Oktober allerdings wieder in die Gegenrichtung – bei 1.800 steht es wenige Handelstage vor Jahresausklang.
Die Auguren erwarten für den ersten Teil des neuen Jahres keine Trendumkehr. Für Anleger außerhalb des Dollarraums wurde das Metall in den letzten Monaten stets teurer, was die Nachfrage von dort dämpfte und auf den Preis drückte. Dieser Effekt ist vorerst abgeschwächt, der Euro zum Beispiel holt gegenüber dem Dollar wieder auf. Diese Entwicklung dürfte sich anfangs 2023 fortsetzen. Ein weiterer Grund für eine Gold-Erholung: Die Zinsschritte der Notenbanken werden nach und nach kleiner, was Anlagen mit Zinserträgen vergleichsweise weniger verlockend erscheinen lassen wird, jedenfalls verglichen mit den vergangenen neun Monaten: Da schuf der neu erwachte Zins eine Konkurrenz zur direkten Goldanlage, die bekanntlich keinen regelmäßigen Ertrag bringt.
Zum ersten Mal seit langem übrigens fungierte Gold nicht als automatischer Zufluchtshafen bei steigender Inflation, früher ein verlässlicher Indikator. Wenn sich der Trend fortsetzt, dürfte es umgekehrt bei nachlassender Inflation auch nur geringe negative Effekte für den Goldpreis bringen, also ein Zeichen für mögliche Stabilität 2023. Ein weiterer Indikator für eine Absicherung nach unten ist die erwartete Rezession, zumindest aber Stagnation, der wirtschaftlichen Entwicklung in den Industriestaaten. Der Wertverlust bei schwankenden Anlagen sollte angesichts dessen die Nachfrage nach Gold erhöhen und damit eine Wertsteigerung im Laufe des kommenden Jahres mit sich bringen. Unter den Analystenschätzungen vertritt die schweizerische UBS einen verbreiteten, eher konservativen Ausblick: Die Experten sehen den Preis für die Feinunze im Laufe des nächsten Jahres um die 1.900 Dollar, also eine geringfügige Steigerung. Aus heutiger Sicht also das Fazit: Die absehbare wirtschaftliche und politische Entwicklung in den OECD-Staaten sichert den Goldpreis nach unten ab, verspricht aber zugleich Erholungschancen für 2023.
Etwas undurchsichtiger ist allerdings die Entwicklung bei Rohstoffen, allen voran Mineralöl. Die Interessen der Anleger in Rohstoffaktien liegen hier natürlich anders als die der Kunden von Heizöl und Kraftstoffen – letztere, eindeutig die gewaltige Mehrheit, hoffen auf einen Rückgang der Preise, sobald die krisenhaften Entwicklungen 2022 vielleicht nicht beherrschbar, aber zumindest kalkulierbar geworden sein werden. Dazu gehört ein modus vivendi mit den Russland-Sanktionen, die auf dem Öl- und Gasmarkt unter anderem zu den bekannten Verwerfungen geführt haben. Lieferketten und Routen passen sich inzwischen an, allerdings bleibt das Preisniveau insgesamt hoch. Bei Heizöl waren jüngst Preisrückgänge zu beobachten. Dies muss sich allerdings 2023 nicht fortsetzen, auch wenn angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung der Nachfragedruck nachlassen dürfte.
Demgegenüber malen die OPEC-Staaten ein anderes Bild. Die weltweiten Kapazitäten erreichten noch nicht wieder das Vorkrisenniveau, und das werde vorerst so bleiben, heißt es. Die Verschärfung des Russlandembargos seit 5. Dezember für Rohölexporte inklusive Preisdeckel und ab Februar für Rohölprodukte könnte weltweit preissteigernd wirken. Rohstoffanalysten erwarten im Frühjahr spätestens einen deutlichen Preisschub für Öl. Der bereits auf dem absteigenden Beliebtheits-Ast gesehene Energieträger erholt sich auch dank Konsumnachfrage. Die Preisexplosion beim Gas machte das Ausweichen auf Heizöl plötzlich wieder attraktiv. Dessen ungeachtet hat die OPEC ihre Fördermenge nicht ausgeweitet, im Gegenteil: Offiziell gilt eine Kürzung um zwei Millionen Barrel täglich bis Ende 2023. Wie meistens, wird diese nicht in voller Höhe befolgt, aber die Tendenz deutet auf eine Kürzung von 500.000 Barrel.
Das sind beruhigende Aussichten hingegen für Rohstoff-Anleger. Die Aktien von mineralölverarbeitenden Unternehmen dürften profitieren. Für Rohstoffe insgesamt erwartet die US-Bank Goldman Sachs 2023 ein Potential von vierzig Prozent. Derart kühne Prognosen basieren auf der Annahme, dass die Versorgung angespannt bleibt und gleichzeitig in der zweiten Jahreshälfte die Konjunktur in den Industriestaaten bereits wieder anzuziehen beginnt. Anleger und Sparer haben ja schon 2022 mit ausgewählten Fonds und ETF gute Erfahrungen gemacht. Das Engagement in Einzelwerte trägt demgegenüber deutliche Risiken – angesichts der geschilderten Unwägbarkeiten steht den allgemein günstigen Entwicklungen bei Rohstoffen insgesamt bei Einzelaktien dann doch ein denkbarer, unvorhersehbarer Verlust entgegen.
Insgesamt stehen fossile Brennstoffe weit stärker im Fokus des wirtschaftlichen Geschehens als dies zu erwarten war. Der russische Krieg gegen die Ukraine war auch hier der Ausgangspunkt vollkommen neuer Planungen und Prozesse. In Europa führte die Entwicklung etwa zu einer unausgesprochenen Rehabilitierung der Kohle. Gerade in Mitteleuropa, so etwa in Deutschland, und traditionell in Polen, wird derzeit Kohle als Energieträger vor allem zur Stromerzeugung nachgefragt. Während allmählich die Versorgung mit Gas via Tanker und LNG-Terminals anläuft und die Knappheiten durch Russland-Sanktionen und ausfallenden Pipelines auszugleichen beginnt, dürfte für Kohle der Weltmarktpreis hoch bleiben – die Ersetzung eines Energielieferanten durch einen anderen ist kein schneller Prozess. So soll 2030 Kohle als Energieträger in Deutschland möglichst vollständig obsolet werden – dies ist in anderen Ländern bei weitem nicht der Fall. Vor allem China, das nach dem faktischen Ende der Lockdown-Politik wirtschaftlich viel nachzuholen hat, setzt bei der Erholung neben Kernkraft vor allem auf Kohle. Für den durchschnittlichen Konsumenten in Deutschland ist der schwarze Heizstoff zwar nicht von Bedeutung, aber als Träger der Verstromung ein Preisfaktor auch im Privathaushalt. Ob man mit Wertpapieren diese Entwicklung ausgleichen kann, ist mehr als ungewiss – am Ende zahlt man womöglich doppelt. Kohle wird zumeist in Form von Terminkontrakten gehandelt, die im Jahr 2022 zum Beispiel für Newcastle-Kohle einen Kursgewinn von gut 130 Prozent verbuchen konnten, aber nichts für schwache Nerven sind.
In Deutschland tritt für Konsumenten unter bestimmten Bedingungen die Gaspreisbremse ab März in Kraft, rückwirkend zum 1. Januar. Für den überwiegenden Teil des Verbrauchs ist damit der Preis der Kilowattstunde auf zwölf Cent gedeckelt, bestimmte Anteile allerdings bleiben von den staatlichen Wohltaten, also denen des Steuerzahlers, um genau zu sein, ausgenommen. Und schon gar nicht wirkt dies auf den Weltmarktpreis, eher im Gegenteil: Ein staatliche Preisdeckelung für Konsumenten zwingt den Staat gleichzeitig, jeden aufgerufenen Preis zu zahlen und die internationalen Lieferanten werden dies nicht übersehen. Das alles führt nicht zu berechenbaren Entwicklungen. Der Weltmarktpreis dürfte sich weiter generell nach oben bewegen, auch hier sind China und die Schwellenländer unter den Antreibern. Für Investoren bieten sich auch beim Gas eher Wertpapiere mit Themenstreuung an. Generell dürfte man davon ausgehen können, dass der Energiehunger der Welt zunimmt, und die Versorgungslage nicht Schritt halten wird. Für Privatanleger ein aussichtsreiches, aber sehr schwankendes Betätigungsfeld für 2023.
Reinhard Schlieker
Lesen Sie auch: „Die Kurse werden 2023 weiter fallen“