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„KI auf dem Quantenrechner, das ist KI auf Steroids“

(Foto: WMG)

Auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel sieht eine Expertenrunde zur Künstlichen Intelligenz die nächste digitale Revolution unmittelbar bevorstehen.

Von Ansgar Graw

Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, von ChatGPT beeindruckt sind und Ehrfurcht oder Angst empfinden vor einem Computerprogramm, das Ihnen im Büro ein Rundschreiben für die Belegschaft in Sekunden formuliert und eine Zusammenfassung der aktuellen Ereignisse im, sagen wir: Pharmasektor, in Bruchteilen davon liefert, dann haben Sie die aktuelle Entwicklung nicht begriffen. Das jedenfalls ist die Quintessenz des Panels zur absehbaren Partnerschaft von Künstlicher Intelligenz und Quanten-Computing auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel der Weimer Media Group am Tegernsee.

„KI auf dem Quantenrechner, das ist sozusagen KI auf Steroids“, sagte dort Markus Pflitsch, CEO der Firma Terra Quantum. Und er erklärte seinen Vergleich überzeugend: Alles, was derzeit ChatGPT und die künstliche oder artifizielle Intelligenz, also KI oder AI betreibe, sei „regelbasiert und deterministisch“ und nur eine rasend schnelle Umrechnung dessen, was Menschen an Daten zur Verfügung gestellt haben. „Input – Output. Das kann ein Rechner besser als ein menschliches Gehirn, oder schneller, das hat aber mit Kreativität oder Intelligenz meines Erachtens nichts zu tun“, sagte Pflitsch. AI oder KI auf einem Quantencomputer hingegen sei etwas „ganz anderes, das kommt der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns sehr viel näher“. Wegen der exponentiellen Leistungssteigerung aus der Verbindung der zukünftigen superschnellen Hardware, nämlich Quantum-Chips, mit dem Riesenschritt, den Software-Programme wie ChatGPT ermögliche, KI lasse Dinge zu, die nicht mehr deterministisch seien und die sich „heute überhaupt noch nicht beschreiben ließen“.

Warum Quanten-Computing gut fürs Klima ist

Die Damen und Herren im Panel waren allesamt per Du, man kannte einander, ob in der Computerwissenschaft oder der Soziologie oder dem Unternehmertum oder der Staatsverwaltung zu Hause, der Moderator eingeschlossen, Rainer Seßner, Geschäftsführer von Bayern Innovativ. Eine solche Nähe kann den Eindruck vermitteln, da sprechen jetzt Insider im inner circle am Interesse ihrer Umgebung vorbei. Doch dieser Runde gelang es wohl wirklich, am Tegernsee einen Silicon-Valley-Effekt zu erzeugen, die pure Lust, bei diesem Moment einer weiteren digitalen Revolution unbedingt dabei zu sein.

Es gibt zählebige Mythen, etwa dass der Kapitalismus die Lebensgrundlagen gefährde. Dabei ist das Gegenteil richtig. Fortschritt war immer gut für die Wirtschaft. Fortschritt ist aber auch gut fürs Klima und für die Umwelt. Managerin, Gründerin und Professorin Sabine Jeschke räumte mit derartigen Mythen denn auch resolut auf. Der erste Mythos sei: „Quanten-Computing ist weit weg“, irgendetwas für die Zukunft. Doch schon 2026, so die Prognose von Hardware-Experten, seien Tieftemperatur-Systeme der Quantencomputer einsetzbar, die man auf sehr niedrige Grade runterkühlen muss (und zwar auf den absoluten Temperaturnullpunkt von minus 273,15 Grad Celsius). Und Raumtemperatur-Systeme folgten dann 2028. Darum sollten Unternehmer „schleunigst schnell anfangen, es ist nicht weit weg“, sagte Jeschke.

Das klang überzeugend, auch wenn Pflitsch einige Minuten zuvor gesagt hatte, es gebe bereits funktionierende Quanten-Chips, aber eher in einem Zustand, in dem man das eine oder andere mit ihnen probieren könne, ohne dass sie schon die echte Leistung lieferten, und darum sei man „sozusagen im Zeitalter Konrad Zuse, wenn man das mit dem klassischen Computing vergleicht.“ Zur Erinnerung: Zuse baute den ersten echten Computer, den berühmten Z3, 1941, und von da sollte es noch einige Zeit dauern, bis Computer echten Nutzen stiften konnten.

Pflitsch versicherte gleichwohl, die Algorithmen der künftigen neuen Chips ließen sich jetzt schon schreiben. Und zwar in Form von „hybridem Quantencomputing“ als simulierende Brückentechnologie mit der Quantum-Software, bis die echte Quantum-Hardware rundum einsetzbar sei. Dieser Ansatz verhelfe bereits Unternehmen durch schnellere Machine-Learn-Techniken oder Portfolio-Optimierungen im Investment-Bereich zu Kosteneinsparungen von „mehreren Hundert Millionen Euro“.

Zurück zu den von Jeschke widerlegten Mythen. Hier der für Nicht-Fachleute überraschendste Punkt: „Viele Menschen glauben, je höher die Rechnerleistung, desto mehr Energie brauche ich.“ Doch bei Quanten-Computing ist das Gegenteil der Fall: Bei Tieftemperatur-Systemen würde ungefähr ein Zehntel des Bedarfs herkömmlicher Rechner benötigt, und bei Raumtemperatur-Systemen nur noch 1,0 bis 1,5 Prozent, sagte die Professorin. Darum werde man sehr bald sehr viel auf Quantenrechner verlegen, nicht, weil man es in jedem Fall brauche, „sondern weil es nachhaltig ist“, sagte Jeschke.

Ewig negative Prognosen

Eine Soziologin ist nicht das Erste, was man auf einem Panel zu Quanten-Technologien erwartet, und wenn, dann eher als Mahnerin vor den Gefahren. Sabine Pfeiffer, Professorin für Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, brachte hingegen einen ausgesprochen konstruktiven Aspekt in dieser Runde ein. Sie legte den Fokus auf die Frage, wie sich die nächste Evolutionsstufe der Prozessoren „auch in die Breite“ bringen lasse. Die großen Unternehmen mit großen Entwicklungsabteilungen und großen Geldbeuteln würden die neue Technologie sicher bald adaptieren, sagte Pfeiffer. Aber auch die klein- und mittelständischen Unternehmen sollten die Chancen nutzen.

Nur mit echten Nutzanwendungen und Geschäftsmodellen, „die auch in der Breite funktionieren und nicht nur in wenigen Leuchttürmen, haben wir Effekte in der Wirtschaft“, sagte Pfeiffer. Bayern biete da sicher sehr gute Voraussetzungen. Gleichwohl könne sie sich eine landeseigene Genossenschaft vorstellen, die Quanten-Computing als Service auch für den Mittelstand und das kleine KMU anbietet.

Noch ein Punkt von Pfeiffer: In den vergangenen Jahren habe man bei jedem technologischen Fortschritt gefragt: „Wie viele Jobs fallen weg?“ In der Rückschau müsse man feststellen, dass die vielen pessimistischen Prognosen „sich gar nicht bewahrheitet“ hätten: „Da sollte man vielleicht auch mal draus lernen.“

Bayerische KI-Offensive

Markus Wittmann, Ministerialdirektor im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, betonte, dass der Freistaat große Summen in die bajuwarische High-Tech-Agenda zur Förderung der Spitzentechnologie investiert habe, bislang 5,5 Milliarden Euro. Das sei „viel, vielleicht nicht so viel, wenn man sieht, dass man in einem Jahr fünf Milliarden Euro für Asylbetreuung ausgeben muss, aber immer noch viel Geld, das andere Länder so nicht ausgeben können“.

Er setzte an zu einer kleinen Mia-san-mia-PR-Nummer für den Standort Bayern und zählte die großen US-Tech-Firmen auf, die allesamt dort mit Großinvestitionen im Bereich KI vertreten seien: „Apple, Google, IBM, Microsoft“, mit Beträgen im dreistelligen Millionen oder gar im Milliardenbereich, „ohne dass wir ihnen auch nur einen Euro-Cent Subventionen geben mussten“. Allerdings habe man sich das (fast schon realisierte) Ziel gesetzt, 100 KI-Lehrstühle in Bayern einzurichten, und das sei ein teures Unterfangen. Dadurch entstehe jedoch die „wissenschaftlich und wirtschaftlich interessanteste Startup-Szene“, sagte Wittmann. Und, ja, Berlin sei diesbezüglich „auch nett, aber Berlin ist nur nett und nicht relevant“.

Aiwanger vermisst Leistungsbereitschaft

Das passte zu der Stimmung, mit der Wittmanns Chef den Saal eingerockt hatte. Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der bayerische Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident, hatte in einem Impuls-Vortrag vorweg für Deutschland mehr Leistungswillen gefordert. Leider sei vielerorts „Eigentum unheimlich, Geld verdächtig, Leistung böse“, in Schule und Studium ebenso wie bei den neuerdings vielfach geschmähten Bundesjugendspielen, so der für seine direkte Sprache bekannte Politiker. Die Anforderungen würden überall zurückgeschraubt. Dabei dürfte es nicht bleiben, sagte der Chef der Freien Wähler. Und darum hoffe er, sagte er auf die Frage, ob er nach Berlin gehe, wenn seine Partei bei der nächsten Bundestagswahl erstmals außerhalb Bayerns über die Fünf-Prozent-Hürde komme. Ja, dann würde er wohl auch nach Berlin gehen, wenn es dann eine Koalition mit Union und der FDP (falls diese „überlebt und resozialisierbar ist“) geben sollte.

Was wäre wohl das folgenreichere Ereignis? Die flächendeckende Einführung von Quantum-Computing in der deutschen Wirtschaft? Oder der Export der Freien Wähler von München nach Berlin? Es bleiben, wie man sieht, viele Fragen zu diskutieren.

Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.