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Künstliche Intelligenz: Hype mit Substanz

Führt uns künstliche Intelligenz in eine goldene Zukunft oder bloß in die nächste Spekulationsblase? Es gibt einen guten Grund dafür, dem neuen Hightech-Hype stärker zu trauen als früheren Internetblasen.

(Foto: Shutterstock)

Führt uns künstliche Intelligenz in eine goldene Zukunft oder bloß in die nächste Spekulationsblase? Es gibt einen guten Grund dafür, dem neuen Hightech-Hype stärker zu trauen als früheren Internetblasen.

Von Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege Fidelity International

Das Anlagejahr 2023 stand unter anderem im Zeichen der künstlichen Intelligenz. Der Boom rund um die KI sorgte für eine Sonderkonjunktur, die in weiten Teilen des US-amerikanischen Technologiesektors zu Kurssprüngen führte. Zu den größten Gewinnern gehört der US-Halbleiterriese Nvidia, der KI-optimierte Spezialchips produziert. Der Börsenwert des Unternehmens durchbrach Ende Mai die Grenze von einer Billion US-Dollar. Seit Jahresbeginn verzeichnet die Nvidia-Aktie eine Kurssteigerung von rund 240 Prozent1. Auch andere Konzerne, die künstliche Intelligenz einsetzen – zum Beispiel Amazon, Google, Meta und Microsoft – profitieren von der Euphorie.

Nun warnen einige Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer davor, dass die Begeisterung für KI eine weitere Spekulationsblase sein könnte, die irgendwann platzt. Schließlich war der Tech-Sektor schon in der Vergangenheit besonders anfällig für Hypes. Viele erinnern sich noch an die Dotcom-Blase, als die Kurse von Aktien, die das Thema Internet bespielten, zur Jahrtausendwende explodierten. In Deutschland entstand mit dem Neuen Markt ein völlig neues Anlagesegment. In den USA erzielte beispielsweise das frühe soziale Netzwerk theGlobe.com beim Börsengang im Jahr 1998 gleich am ersten Handelstag ein Plus von 606 Prozent2. Wie bei vielen Onlineunternehmen steckte hinter dem Titel mehr Hoffnung als Substanz. Im Jahr 2000 fiel die Aktie von 97 Dollar auf weniger als 10 Cent. Heute ist theGlobe Geschichte.

Mehr als Luft und Liebe

Tatsächlich gibt es durchaus Parallelen zwischen dem Dotcom-Hype und dem KI-Boom. In beiden Fällen handelt es sich um Frühstadien potenziell zukunftsweisender Technologien. Zur Jahrtausendwende ahnte noch niemand, wie das Internet der Zukunft aussehen würde. Folglich war weitgehend unklar, wie sich damit Geld verdienen ließe. Die Kommerzialisierung des World Wide Web nahm erst in den 2000er-Jahren Fahrt auf – mit der Erfindung des Smartphones, die das Internet jederzeit und überall verfügbar machte. Viele Geschäftsmodelle von Tech-Firmen haben sich entlang des Auf- und Ausbaus digitaler Infrastruktur entwickelt, vom Handel mit Daten über Cloud-Dienste bis zu App-Verkäufen.

Auch im Bereich der künstlichen Intelligenz wird momentan erst einmal die notwendige Infrastruktur aufgebaut, aber es ist noch unklar, wohin die Reise genau geht. Das zeigt ebenfalls der jüngste Richtungsstreit3 im Softwareunternehmen OpenAI, das den KI-Boom mit dem Textroboter ChatGPT maßgeblich befeuerte. CEO Sam Altman wurde vom Verwaltungsrat überraschend entlassen. Er hatte die kommerzielle Sparte von OpenAI repräsentiert, das ursprünglich ein Non-Profit-Unternehmen war. Letztlich gewann Altman das Kräftemessen und erhielt seinen Posten zurück. Weiteren Bestrebungen, Anwendungsmöglichkeiten für generative KI zu erschließen und diese auf Profitabilität zu trimmen, steht damit nichts im Wege.

Zwischen dem Hype um die Dotcom- und die KI-Unternehmen gibt es allerdings auch fundamentale Unterschiede – und das ist wörtlich zu nehmen. Denn bei KI geht es nicht um nebulöse Wachstumsversprechen junger Start-ups. Die Protagonisten dieses Booms sind überwiegend etablierte und hochprofitable Unternehmen mit bewährten Geschäftsmodellen. Künstliche Intelligenz ist bei ihnen meist nur ein Teilsegment, in das jedoch nennenswerte Investitionen fließen. Sollten sich die Hoffnungen in KI nicht erfüllen und die Begeisterung abebben, blieben Anlegerinnen und Anleger nicht auf wertlosen Papieren sitzen.

Fazit

Die Euphorie rund um das Thema KI weckt Erinnerungen an vergangene Tech-Hypes, insbesondere die Dotcom-Blase. Wie damals ist unklar, auf welche Art die Technologie unsere Wirtschaftswelt zukünftig prägen wird. Viele Anwendungs- und Monetarisierungsmöglichkeiten sind noch nicht erschlossen. Allerdings sind diesmal größtenteils etablierte Unternehmen mit starken Fundamentaldaten, hohen Cashflows und gut gefüllten Konten am Start – und nicht Unternehmen ohne Umsätze, allein mit einem Businessplan. Falls die vermeintliche KI-Blase platzen sollte, dürften die Auswirkungen dadurch begrenzt sein.