KI-Boom lässt nicht nur Kurse steigen, sondern auch den Stromverbrauch explodieren
Der KI-Boom elektrisiert nicht nur Rechenzentren, sondern auch die Börsen: Während der Energiebedarf explodiert, steigen auch die Aktienkurse von KI- und Halbleiterunternehmen. (Foto: BAS, Ki-generiert)
Laut IEA-Prognose wird sich der Strombedarf von KI-Rechenzentren bis 2030 vervierfachen. Energiesektor und Unternehmen stehen vor Herausforderungen.
Der Hype um Künstliche Intelligenz hatte Tech-Aktien weltweit in die Höhe getrieben – und mit ihnen die Investitionen in immer leistungsfähigere Rechenzentren. Unternehmen mit großen KI-Ambitionen wie NVIDIA, Microsoft oder Amazon feierten an der Börse neue Rekorde, bevor in den vergangenen Monaten Kurskorrekturen einsetzten. Während die Euphorie etwas nachlässt, gewinnt im Hintergrund ein weniger beachtetes Thema an Brisanz: der rapide wachsende Energiehunger der KI. Denn mit jedem neuen Modell und jeder zusätzlichen Anwendung steigt der Strombedarf – teils schneller, als neue Kapazitäten geschaffen werden können.
Ein einzelnes modernes KI-Rechenzentrum verbraucht heute bereits so viel Strom wie 100.000 Haushalte. Diese Zahl verdeutlicht den enormen Energiebedarf, den die rasante Entwicklung und Verbreitung von Künstlicher Intelligenz mit sich bringt. Laut einem aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) steht die Energiebranche vor massiven Herausforderungen, um den steigenden Strombedarf von KI-Anwendungen in den kommenden Jahren zu decken.
Prognosen zum KI-Energieverbrauch
Die IEA prognostiziert, dass sich der globale Strombedarf von KI-Rechenzentren bis 2030 mehr als vervierfachen wird. Während der Gesamtenergiebedarf von Rechenzentren sich in diesem Zeitraum voraussichtlich verdoppeln wird, steigt der Anteil der KI-spezifischen Anwendungen überproportional. Einige der derzeit im Bau befindlichen Rechenzentren werden laut IEA sogar das 20-fache des Strombedarfs heutiger Anlagen haben.
Diese Entwicklung stellt nicht nur die Energieversorgung vor Herausforderungen, sondern wirft auch Fragen zur Nachhaltigkeit auf. Laut IEA soll nur etwa die Hälfte des prognostizierten Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden können. Der Rest müsste demnach weiterhin aus fossilen Energieträgern oder Kernkraft stammen.
Auswirkungen auf Unternehmen und Infrastruktur
Für Unternehmen bedeutet der steigende Energiebedarf von KI-Anwendungen vor allem höhere Kosten und die Notwendigkeit, in energieeffiziente Technologien zu investieren. Patrick Vogel, Direktor für Nachhaltigkeit bei Salesforce, betont: "Anhand des AI Energy Scores können Unternehmen datenbasiert über den Einsatz energieeffizienter KI-Modelle entscheiden und dabei Leistungsmerkmale wie Genauigkeit, Latenz und Durchsatz mit Nachhaltigkeitszielen in Einklang bringen."
Auch die Infrastruktur muss an die neuen Anforderungen angepasst werden. In den USA prognostiziert man bis 2029 einen zusätzlichen Kapazitätsbedarf von rund 60 Gigawatt allein für Rechenzentren und KI-Anwendungen. Dies entspricht in etwa der Leistung von 30 großen Kohlekraftwerken. US-Stromversorger haben ihre Investitionspläne bereits deutlich nach oben korrigiert, um diesem Bedarf gerecht zu werden.
Potenziale von KI für Energieeffizienz
Trotz des hohen Energiebedarfs sieht die IEA in KI auch Chancen für mehr Nachhaltigkeit. Fatih Birol, Exekutivdirektor der IEA, erklärt: "KI könnte dazu beitragen, den Energieverbrauch effizienter zu gestalten und so insgesamt die Treibhausgasemissionen zu senken." Ein konkretes Beispiel ist der Einsatz von KI zur Optimierung von Stromnetzen, um diese besser an die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien anzupassen.
Auch in der Industrie kann KI helfen, Effizienzpotenziale zu identifizieren und zu nutzen. Rainer Rehak vom Weizenbaum-Institut weist jedoch darauf hin, dass der Gesamtenergieverbrauch durch KI trotzdem steigen wird: "Das Problem ist die Tendenz, KI überall einzubauen, losgelöst davon, ob es Sinn ergibt."
Unternehmensbeispiele und technologische Lösungsansätze
Einige Unternehmen arbeiten bereits an Lösungen, um den Energieverbrauch von KI-Anwendungen zu reduzieren. Salesforce setzt beispielsweise verstärkt auf Small Language Models (SLMs), die im Vergleich zu großen Sprachmodellen erheblich weniger Energie verbrauchen.
Auch Meta, der Mutterkonzern von Facebook, investiert in energieeffizientere KI-Modelle. Ihr neuestes Modell Llama 3 wurde mit 25.000 Nvidia-Chips trainiert, während für Llama 4 bereits 100.000 Chips geplant sind. Dies verdeutlicht den exponentiellen Anstieg des Energiebedarfs bei der Entwicklung immer leistungsfähigerer KI-Systeme.
Um den Energieverbrauch transparent zu machen und zu reduzieren, haben Salesforce, Hugging Face, Cohere und die Carnegie Mellon University den "AI Energy Score" entwickelt. Dieser bewertet die Energieeffizienz von derzeit 166 Sprachmodellen und soll Unternehmen bei der Auswahl nachhaltiger KI-Lösungen unterstützen.
Entwicklung des Energieverbrauchs
Die Entwicklung des Energieverbrauchs durch Künstliche Intelligenz lässt sich parallel zur Geschichte der Computertechnologie betrachten. In den 1950er Jahren, als die ersten KI-Konzepte entwickelt wurden, war der Energieverbrauch der damaligen Großrechner im Vergleich zu heute gering, aber in Relation zur Rechenleistung enorm hoch.
Mit der Entwicklung von Mikrochips und der Verbreitung von Personal Computern in den 1980er Jahren stieg der Gesamtenergieverbrauch der IT-Branche stark an. Die ersten neuronalen Netze dieser Zeit benötigten jedoch noch relativ wenig Rechenleistung.
Ein signifikanter Wendepunkt kam mit dem Aufkommen von Big Data und Cloud Computing in den 2000er Jahren. Große Rechenzentren wurden zum Rückgrat der digitalen Wirtschaft, was zu einem sprunghaften Anstieg des Energiebedarfs führte. Parallel dazu ermöglichten leistungsfähigere Prozessoren und GPUs die Entwicklung komplexerer KI-Modelle.
Der aktuelle KI-Boom, angetrieben durch Durchbrüche im Deep Learning und die Verfügbarkeit riesiger Datenmengen, hat den Energiebedarf nochmals drastisch erhöht. Historisch betrachtet ähnelt diese Entwicklung dem rasanten Anstieg des Energieverbrauchs während der industriellen Revolution.
Lehren aus der Geschichte zeigen, dass technologische Innovationen oft zunächst zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch führen, bevor Effizienzsteigerungen einsetzen.