Negativzins auf Privatvermögen: Immer mehr Banken schröpfen die Sparer
Immer mehr Sparer müssen dafür bluten, dass sie Geld auf die hohe Kante legen: denn Banken und Sparkassen belasten zunehmend ihre Kunden mit Negativzinsen für ihre Einlagen. Die Zahl der Geldhäuser, die sich so bedienen, hat sich im soeben vergangenen Jahr mehr als verzweifacht.
Immer mehr Sparer müssen dafür bluten, dass sie Geld auf die hohe Kante legen: denn Banken und Sparkassen belasten zunehmend ihre Kunden mit Negativzinsen für ihre Einlagen. Die Zahl der Geldhäuser, die sich so bedienen, hat sich im soeben vergangenen Jahr mehr als verzweifacht.
Inzwischen verlangen 423 Kreditinstitute in Deutschland Geld dafür, dass sie das Vermögen der Sparer aufbewahren. Ende 2020 waren es noch 178. Nach einer Erhebung des Vergleichsportals Verivox unter 1300 Geldhäusern belastet somit jede dritte Bank private Guthaben auf Tages- Giro- und Verrechnungskonten mit Negativzinsen. Die Dunkelziffer sei noch höher, denn nicht alle Banken würden ihre Strafabgaben offen ausweisen, so Verivox. Von den Kreditinstituten wird diese Praxis beschönigend als Verwahrentgelt umschrieben.
Schon kleine Guthaben belastet
„Negativzinsen sind zu einem Massenphänomen geworden und haben längst auch den Durchschnittssparer erreicht“, erklärt Oliver Meier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich. Während in einer früheren Auswertung im Januar 2021 nur 58 Banken ihren Kunden einen Freibetrag von weniger als 100.000 Euro einräumten, werden mittlerweile wesentlich häufiger auch kleine und mittlere Guthabenbelastet. Laut Verivox müssen Sparer bei einigen Banken schon für Guthaben von weniger als 10.000 Euro bluten. Mindestens 155 Banken berechnen das „Verwahrentgelt“ ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger. Im vergangenen Jahr haben 90 Bankenbestehende Negativzinsen noch weiter verschärft. Entweder senkten sie den Freibetrag oder sie drückten den Zinssatz noch weiter in den Minusbereich.
Abschotten gegen Geldzufluss
Die große Mehrheit der der Kreditinstitute orientiert sich bei der Berechnung des Verwahrentgelts am negativen Einlagezins der Europäischen Zentralbank (EZB). Seit die EZB im September 2019 den Einlagenzins für Banken, die Kundengelder bei ihr parken, auf minus 0,5 Prozent gesetzt habe, müsse man diese Kosten an Kunden weitergeben, argumentiert die Finanzwirtschaft. Allerdings gehen 19 Kreditinstitute über diesen Zinssatz hinaus und stellen zumindest einem Teil der Kundschaft Verwahrentgelte von 0,55 bis zu einem Prozent in Rechnung. „Mit solchen Abwehrkonditionen machen die Banken die Schotten dicht und versuchen, sich vor dem Zufluss weiterer Spargelder zu schützen“, stellt Meier fest. Nicht immer werden Negativzinsen als solche ausgewiesen. So berechnen 22 Banken und Sparkassen eine Gebühr für das üblicherweise kostenfreie Tagesgeldkonto. Aus der Sicht der Sparer ist das Ergebnis jedoch faktisch ein Negativzins, denn am Ende wird das einbezahlte Geld weniger, auch wenn die Bank einen Zinssatz von 0,00 oder 0,01 Prozent ausweist. Manche Kreditinstitute langen doppelt hin und verlangen Gebühren und Negativzins.
Erste Niederlage vor Gericht
Die Belastung der Privatkunden ist allerdings rechtlich umstritten. Wenn Banken Negativzinsen im Preisaushang veröffentlichen, greifen diese Konditionen zuerst für neue Giro- und Tagesgeldkonten. Wollen die Geldhäuser auch Ihre bisherigen Kunden zur Kasse bitten, dann geht dies über individuelle Vereinbarungen. Über eine Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen sei dies nicht möglich, so die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfahlen in Düsseldorf.
Das Landgericht Berlin stellt jedoch die Praxis der Negativzinsen grundsätzlich in Frage. Die Richter haben der Sparda-Bank Berlin untersagt, Negativzinsen zu erheben. (Az: 16 O 43/21) Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Am Ende wird wohl der Bundes¬gerichts¬hof entscheiden, ob Verwahr¬entgelte zulässig sind oder nicht, vermutet die Stiftung Warentest. „Für die Banken steht in dem Verfahren viel auf dem Spiel“, betont Meier. „Sollten die nachfolgenden Instanzen die Berliner Richter bestätigen, müssten zahlreiche Kreditinstitute unrechtmäßig erhobene Negativzinsen an die Kundinnen und Kunden zurückzahlen.“
Den Spieß umdrehen
Die Sparer können aber schon heute handeln. Dankbar ist, das Vermögen auf verschiedene Konten zu verteilen. Manchmal hilft auch die Drohung, alle Konten zu kündigen, berichtet die Stiftung Warentest. Das unabhängige Verbraucherportal Finanztip rät im Zweifel zum Wechsel der Bank oder das Geld auf ein Tagesgeldkonto umzuschichten, das frei von Zusatzbelastungen ist. Hierzu haben die Experten auf ihrer Webseite einen entsprechenden Vergleichsrechner eingerichtet. Auch die Portale Check24, Weltsparen und Verivox bieten entsprechende Rechner an. Denkbar ist auch, die Anlagen auf Konten bei Auslandsbanken zu verlagern, die keinen Negativzins verlangen. Bei Kreditinstituten mit Sitz in der Europäischen Union (EU) sind nach einer Richt¬linie der EU bis zu 100 000 Euro gesetzlich geschützt, so die Stiftung Warentest. Man könne aber auch den Spieß umdrehen und die Negativzinsen für sich nutzen, heißt es bei Finanztip. So gebe die staatliche Förderbank KfW Kredite manche Immobilienkredite für einen negativen Zinssatz aus. Dabei müssen die Vorschriften zur Energieeffizienz beachtet werden. Das sei oftmals ein guter Deal.
Andreas Kempf
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