Von Bäumen, Hitzebeauftragten und Versiegelung
Es gibt einiges zu tun, sobald das Quecksilber im Sommer in den Städten steigt und steigt. Oder sintflutartige Regenfälle wie an der Ahr mehr als 130 Menschen töten. Der Klimawandel ist da: Was also tun?
Von Matthias Lauerer
Am Anfang steht die Katastrophe im Ahrtal. Lisa Broß fragt sich: „Wie kann man mitten in einem Hochrisiko wie der Ahr wieder neue Gebäude errichten? Das kann ich nicht verstehen.“ Dann sagt die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall: „Es wäre nicht so schlimm geworden, wenn wir das Gewässer zuvor nicht so stark verändert hätten.“ Buchautorin Susanne Götze, Redakteurin beim Spiegel, weitet das Thema, als sie sagt: „Wir haben als Bürger nach dem Notfall 30 Milliarden Euro für das Ahrtal gegeben. Dann erwarte ich, dass dort auch etwas anders gemacht wird.“ Was sie damit genau meint: „Wir müssen Prävention betreiben.“ Diskutiert werden auf dem Panel beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee widerstandsfähige Wege für Städte und Kommunen.
Schutz durch Bäume
Nur was soll das bedeuten, wenn es um das Thema Klimaanpassung geht? Reichen 1000 neu gepflanzte Bäume wie in Mannheim dafür aus, um der städtischen Erwärmung Herr zu werden? Oder müssten es nicht doch eher 10.000 oder besser gleich 100.000 Bäume sein? Immerhin, die 9000 zusätzlichen Bäume kosteten Mannheim nur die lächerliche Summe von 9000 Euro. Was auch hilft? Die Entscheidung, wo eben jene Bäume gepflanzt werden, die sowohl Schatten spenden als auch die Luft abkühlen, weil das Wasser durch ihre Blätter verdunstet. Und sicher, es gibt viele Dinge, die jetzt zu tun sind. Eine Idee dazu: Herauszufinden, wo die am meisten gefährdeten Menschen leben.
Diana Pretzell, Bündnis 90/Die Grünen ist Erste Bürgermeistern der Stadt Mannheim. Zum Thema Ahrtal hört man von ihr: „Die Versicherungen bezahlen nur, wenn die zerstörten Häuser wieder an derselben Stelle aufgebaut wird.“ Ein weiteres Problem: Die meisten Menschen am eigentlich lieblichen Gewässer hätten keine Elementarschadenversicherung besessen.
Chief Heat Officers für deutsche Städte
Welche Ideen könnten dabei helfen, eine Neuauflage des Dramas zu verhindern? Welche Abstände zu einem Fluss brauchen wir? Wie gelingt ein agiles Hochwasserschutzsystem wie der passende Zeitplan? Nur, ändert sich nicht alles viel schneller, als die nötige Anpassung gelingen kann? Hier hilft ein Minibeispiel auf das, was geht. Bereits im Jahr 2000 bepflanzte man das Dach des Rathauses in Chicago mit Sträuchern, Reben und kleinen Bäumen. Ergebnis: Der Energiebedarf für die Kühlung des Gebäudes im Sommer sank, bei Regenfällen wurde das Wasser aufgefangen, wie der „Economist“ berichtet. Was auch für Deutschland denkbar ist: Chief Heat Officers, Hitzebeauftragte, wie in US-Städten. Die koordinieren den Schutz vor der tödlichen Hitze in den Metropolen.
Sicher ist: Klimaschutz kostet Geld, wie auch die Klimaanpassung. Wie lässt sich die Infrastruktur in Zeiten knapper Kassen anpassen? Dazu sagte Lamia Messari-Becker: „Städte und Kommunen müssen hier über ihren eigenen Tellerrand schauen.“ Sie arbeitet seit Februar 2024 als Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum. Was sie bei der Thematik noch umtreibt: „Unserer Städte sind sehr stark versiegelt.“ Nur wie gelingt die Freigabe von Flächen, damit die im Falle eines Hochwassers Regenwassermengen aufnehmen? Denn auch im Ahrtal waren die Flächen stark verdichtet. Dann sei auch die Frage gestattet: Was will man Menschen sagen, deren Häuser viel zu nah am Fluss stehen? Zieht um? Darf man das oder steht das Politikern überhaupt nicht zu, weil man so in die persönlichen Freiheitsrechte der Bürger eingreift?
Problem Monokulturen
Was beim Thema Ahr keiner anspricht: Die vertikale Pflanzung der Weinreben an den Hängen, die das Wasser blitzschnell ins Tal abrauschen lassen. Oder die Maismonokulturen in der Grafschaft, die den Starkregen nicht aufnehmen, wie es in der „New York Times“ hieß. Deren Experte zum Thema: Wolfgang Büchs. Der Biologe wuchs in der Region auf und schrieb über die dortige Geografie und Vegetation. Demnach gäbe es an den Berghängen auch Fichtenmonokulturen. Die Idee dahinter: schnell Holz zu produzieren. Doch deren „flache Wurzeln binden die Erde nicht gut und nehmen heute kein Wasser mehr auf, weil sie durch eine Borkenkäferplage, die durch die wärmeren Sommer verursacht wurde, abgestorben sind.“
Zurück zur Situation in den Städten: Sicher gilt es nun kluge Entscheidungen bei der Bebauung zu treffen. Und selbst an weiße Hausdächer in Städten ließe es sich denken. Vielleicht auch ein nächster Schritt: die Bauvorschriften so zu aktualisieren, damit alle Arbeiter, selbst die Mittagshitze an einem 42 Grad Tag überleben. Wie es schon bei Fontanes Werk „Effi Briest“ hieß: „Es ist ein weites Feld.“
Sie können den Ludwig-Erhard-Gipfel live unter www.leg-live.de verfolgen. Den Ticker zum Gipfel finden Sie hier.