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Wie Robinhood von den Hedgefonds lebt

Die Gründer der Trading-App lassen sich ausgerechnet von denen bezahlen, denen die Anleger den Krieg erklärt haben: den Hedgefonds. Jetzt schreiten Justiz und Börsenaufsicht ein. Sie werfen Robinhood vor, die Risiken für Investoren zu verharmlosen.

(Bild: Shutterstock)

Die Gründer der Trading-App lassen sich ausgerechnet von denen bezahlen, denen die Anleger den Krieg erklärt haben: den Hedgefonds. Jetzt schreiten Justiz und Börsenaufsicht ein. Sie werfen Robinhood vor, die Risiken für Investoren zu verharmlosen.

Sie trägt den Namen eines berühmten Bogenschützen und Streiters für die gerechte Sache: Robinhood. Die US-Handelsplattform, über die Millionen von Kleinanlegern Aktien und andere Wertpapiere kaufen und verkaufen, will Sinnbild sein für die, die es den Schwergewichten an der Börse mal so richtig zeigen wollen: Den Banken, den Fonds und unter ihnen vor allem den Hedgefonds. Deren Treiben durchschauen schließlich die wenigsten. Viele aber spüren die Auswirkungen, wenn sich die Kurse von Unternehmen scheinbar völlig willkürlich in die eine oder andere Richtung entwickeln und damit Karrieren fördern oder Existenzen vernichten. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob Robinhood der richtige Mitstreiter in dieser Sache ist.

Es begann in einer Wohngemeinschaft

Lässt man Vladimir Tenev, genannt Vlad, und Baiju Bhatt, die beiden Gründer der Handelsplattform, die Geschichte ihres Unternehmens erzählen, klingt sie so: Es begann in Stanford, wo sie in einer WG hockten und Klassenkameraden waren. Nach ihrem Abschluss packten sie ihre Koffer für New York City und bauten zwei Finanzunternehmen auf, die ihre eigene Handelssoftware an Hedgefonds verkauften. Dort stellten sie fest, dass große Wall Street-Firmen so gut wie nichts für den Handel mit Aktien zahlten, während den meisten Menschen für jede einzelne Order eine Provision berechnet wird. Also beschlossen sie, dies zu ändern, und gingen zurück nach Kalifornien, um ein Finanzprodukt zu entwickeln, das allen - nicht nur den Reichen - den Zugang zu den Finanzmärkten ermöglicht. Herauskam Robinhood. Der Haken an dieser Geschichte, die inzwischen in Menlo Park, Kalifornien spielt: Sie ist ebenso wie die vom Bogenschützen aus dem englischen Sherwood Forest nur eine hübsche Legende.

Tatsächlich hilft Robinhood zwar Kleinanlegern zu günstigem Handel mit Aktien und Optionen, aber das Unternehmen verhilft auch ausgerechnet den Hedgefonds, denen die Kleinanleger ein Schnippchen schlagen wollen, zu dem, was die am dringendsten brauchen: viel Liquidität. Und das geht so: Robinhood übergibt die Order seiner Kundinnen und Kunden nicht an regulierte Börsen wie zum Beispiel die New York Stock Exchange, sondern reicht die Aufträge an private Handelsplattformen weiter. Nutznießer sind ausweislich interner Unterlagen von Robinhood elektronische Handelsunternehmen wie Citadel Securities, einer Plattform für Hochgeschwindigkeitshandel, die sich mehrheitlich im Besitz von Ken Griffin, einem milliardenschweren Hedgefonds-Manager, befinden. Citadel und andere bezahlen Robinhood dafür, dass das viele Geld der Kleinanleger durch ihre Mühlen läuft und sie so äußerst liquide dastehen. Anleger lieben liquide Börsen, weil dort auch hohe Handelsvolumen nicht so schnell zu großen Kursauschlägen führen.

Mit dem Optionshandel dreht Robinhood das größere Rad

Besonders profitabel ist es für Robinhood, wenn die Kleinanleger nicht nur Aktien kaufen oder verkaufen, sondern wenn sie sich auch an noch spekulativere Optionsscheine auf Aktien heranwagen. Diese Papiere sichern ein Kauf- oder Verkaufsrecht einer Aktie zu einem späteren Zeitpunkt zu. Sie kosten deutlich weniger als die eigentliche Aktie, der Gewinn kann höher ausfallen – der Verlust allerdings auch. Für Options-Order erhält Robinhood mehr Geld von Citadel und anderen Börsenbetreibern. Der Anreiz, Anleger in diese hochspekulativen Papiere zu treiben, ist also größer.

Der Weg über die nicht öffentlichen Handelsplattformen hat auch sonst seine Tücken. So musste Robinhood-Chef Vlad zuletzt Käufe von Gamestop-Titeln einstellen, Verkäufe jedoch hat er weiterhin zugelassen – ein Vorgang, der an einer regulierten Börse, wie der in Frankfurt nicht möglich gewesen wäre. Dort werden in Extremsituationen Aktien kurzfristig komplett vom Handel ausgesetzt, um den Markt zu beruhigen. Der seltene Schritt unterliegt aber strengen Regularien und kann nicht allein auf Initiative des Börsenbetreibers passieren. Robinhood griff zu der Maßnahme, weil das Unternehmen die Order seiner Kunden mit Eigenkapital unterlegen muss – und das war der Brokerplattform offenbar ausgegangen. Investoren stellten in den vergangenen Tagen frisches Geld in Höhe von 3,4 Milliarden Dollar bereit, damit so ein Engpass so schnell nicht wieder vorkommen kann.

Dennoch steht das Unternehmen unter Druck. Der Reiz von Robinhood besteht unter anderem in der spielerischen Gestaltung der App. Über geschenkte Aktien und niedliche Illustrationen, würden vor allem junge Anleger darüber im Unklaren gelassen, dass sie ihre Finanzen ungeahnten Risiken aussetzten, bemängelt die Wertpapieraufsichtsbehörde im US-Bundesstaat Massachusetts. Sie will das nicht länger akzeptieren und hat Robinhood deswegen verklagt. Konkret werden „unnötige Handelsrisiken“ an den Pranger gestellt und die Aufmachung „als eine Art Spiel, das man vielleicht gewinnen kann“ in Zweifel gezogen. Die Behörde hat Grund zur Sorge. Auch sie kennt den Fall des 20jährigen Studenten und Robinhood-Kunden Alex Kearns. Er hat sich im Juni des vergangenen Jahres das Leben genommen, nachdem er fälschlicherweise geglaubt hatte, er habe durch einen Optionshandel knapp 750.000 Dollar verloren. Tatsächlich hatte Robinhood seine Position kurzfristig noch nicht glattgestellt.

Kräftemessen mit der Justiz

Der juristische Ärger in Massachusetts ist nicht das einzige Problem. Das Kräftemessen zwischen einer Armee von Kleinanlegern und großen Hedgefonds ruft zumindest in den USA jetzt Politik und Justiz auf den Plan. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton teilte in der Nacht zum Samstag mit, Informationen von Robinhood und einer Reihe weiterer Onlinebroker angefordert zu haben, um herauszufinden, ob bei den Beschränkungen des Handels mit Aktien von Gamestop und anderen Firmen alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Er vermute Absprachen von Hedgefonds mit Handelsplattformen. „Es stinkt nach Korruption.“ Die US-Börsenaufsicht SEC hat angekündigt, „die Situation zu bewerten und die Aktivitäten von regulierten Unternehmen, Finanzvermittlern und anderen Marktteilnehmern zu überprüfen“. Im Februar und März 2020 plagten die Handelsplattform immer wieder technische Ausfälle, nachdem starke Preisschwankungen an den Börsen im Zuge der aufkommenden Pandemie zu großen Handelsvolumen geführt hatten. Eine Gruppe von Kunden hat deswegen eine Sammelklage gegen das Unternehmen in Kalifornien eingereicht. Sie argumentieren, dass sie empfindliche Verluste erlitten haben, weil sie keine Trades ausführen konnten.

Es sieht damit so aus, als habe Robinhood seinen Kampf noch nicht gewonnen. Klar ist aber: Robinhood ist nicht der Anführer der Kleinanleger, die endlich ihre Rechte einfordern. Das Unternehmen ist nicht einmal jene neutrale Handelsplattform, die endlich zu mehr Demokratie an der Börse führt, weil sie den Kleianlegern das kostenlose Handeln ermöglicht und ihnen damit eine Stimme gibt. Tatsächlich ist Robinhood allenfalls ein Makler, der beide Seiten im Blick hat, „Intermediär“ wäre das passende Wort im Börsenjargon. Wäre Robinhood allerdings Akteur in einem Spionagethriller, käme dem Startup aus Menlo Park in Kalifornien die Rolle des Doppelagenten zu.

oli

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