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Steuergeld hilft Steuersündern

Konzerne wie Lufthansa und Tui profitieren in der Krise von staatlichen Rettungsprogrammen. Auf der anderen Seite unternehmen sie alles, um hierzulande so wenig wie möglich Steuer zu zahlen. Kann diese Praxis so weitergehen? Der Widerstand in der Politik formiert sich.

Beliebt als Urlaubsziel und Steueroase gleichermaßen: Malta. (Foto: In Green / Shutterstock)

Konzerne wie Lufthansa und Tui profitieren in der Krise von staatlichen Rettungsprogrammen. Auf der anderen Seite unternehmen sie alles, um hierzulande so wenig wie möglich Steuer zu zahlen. Kann diese Praxis so weitergehen? Der Widerstand in der Politik formiert sich.

Dürfen Konzerne, die alles tun, um Steuern zu vermeiden, mit Steuergeld gerettet werden? Diese Frage stellt sich angesichts von Milliarden an Steuergeld für die Rettung deutscher Konzerne wie die Lufthansa. Angesichts von Notkrediten, wie den an den Autovermieter Sixt oder den Reiseveranstalter Tui durch die staatliche Förderbank KfW. Oder mit Blick auf Millionen Euro an Fördergeld für den Diagnostik-Konzern Quiagen. Sie alle nutzen legale, aber grenzwertige Steuertricks über Tochterfirmen in Steueroasen, um ihre Steuerzahlungen in Deutschland zu verringern. Wenn es allerdings um Hilfe oder Förderung geht, verstecken sie sich nicht.

Alle zieht es nach Malta

Nach einer Auswertung der Bürgerbewegung Finanzwende des ehemaligen finanzpolitischen Sprechers der Grünen Gerhard Schick haben von 16 größeren Unternehmen, die staatliche Hilfen erhalten, 13 Verbindungen zu Schattenfinanzzentren. Unter den Betroffenen sticht die Lufthansa hervor, die mit neun Milliarden Euro Empfänger des größten Rettungspakets ist, das der Bund an ein einzelnes Unternehmen vergeben hat. Sie beschäftigte vor der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise rund 138 000 Mitarbeiter – zwei davon in einer Tochterfirma auf Malta. Die beiden sind höchst produktiv: Sie haben im vergangenen Jahr fast 200 Millionen Euro Gewinn für die Fluggesellschaft gemacht. Insgesamt kommt die Lufthansa auf an die einhundert Tochtergesellschaften, von denen viele in steuergünstigen Ländern ihren Sitz haben.

Ein anderes Beispiel ist der Autovermieter Sixt, der sich auf dem Höhepunkt der Krise im Frühjahr eine Kreditlinie über bis zu 1,5 Milliarden Euro bei der KfW sicherte. Der Autovermieter betreibt mit der Sixt International Services GmbH eine Tochterfirma auf Malta, die andere Firmen des Sixt-Imperiums mit Krediten versorgt. Der Vorteil einer solchen Konstruktion besteht darin, dass die Schuldnerfirmen ihre Zinszahlungen steuermindernd vor Ort geltend machen, während die maltesische Firma ihre Zinseinkünfte weitgehend steuerfrei behalten kann. Darüber hinaus wurden zwei Mitglieder der Sixt-Familie bei der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca als Mandanten geführt. Die internationale Kanzlei stand im Mittelpunkt der Ermittlungen rund um die sognannten Panama-Papers und hat ihren Klienten mit Briefkastenfirmen geholfen, ihr Steuerzahlungen zu verringern.

Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Blick auf den schwer angeschlagenen Touristik-Riesen Tui. Er kann über Kredite und Anleihen mit rund 1,2 Milliarden Euro vom Staat rechnen, die ihm das Überleben in der Krise sichern sollen. Auf der anderen Seite lässt Tui seine Schiffe der Flotte „Mein Schiff“ unter maltesischer Flagge fahren. Zudem gewähren deutsche Finanzbehörden der Tui-Tochter Tui Cruises eine günstige Pauschalversteuerung nach der sogenannten Tonnagegewinnermittlung, die eigentlich nur für Handelsschiffe gedacht war, seit Jahren aber auch von Kreuzfahrtschiffen in Anspruch genommen wird.

Auch die Krisengewinner profitieren manchmal doppelt, wie etwa der Diagnostik-Konzern Quiagen aus Hilden bei Düsseldorf. Er ist an der Frankfurter Börse notiert und die Aktie klettert munter nach oben. Der Kurs hat sich innerhalb der vergangenen zwölf Monate verdoppelt, weil Quiagen nicht zuletzt auch vom Geschäft mit Corona-Tests profitiert.  Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart würdigte Quiagen bei seinem jüngsten Besuch als „nordrhein-westfälische Erfolgsgeschichte“ und versprach Fördergeld in Höhe von 18,3 Millionen Euro für die Erweiterung der Produktionsanlagen. Sehr nordrhein-westfälisch geht es bei Quiagen allerdings nicht zu: Das Unternehmen hat Tochterfirmen in Steueroasen wie Luxemburg oder Malta. Die Muttergesellschaft sitzt in den Niederlanden. Zwischen den verschiedenen Niederlassungen fließen Millionenkredite. Das System Sixt lässt grüßen.

Legal aber fragwürdig

Die Methode der konzerninternen Kredite ist keine Besonderheit, sondern macht laut Studien ein Drittel aller Steuersparmodelle bei internationalen Unternehmen aus. Steuervermeidung ist legal und zielt darauf ab, Gewinne aus Hochsteuerländern wie etwa Deutschland in Steueroasen zu verschieben, wo sie kaum oder gar nicht besteuert werden. So betonen alle Unternehmen denn auch, dass sie sich an „Recht und Gesetz“ hielten, insbesondere an die Einhaltung des „geltenden Steuerrechts." Allerdings versuche man, so gibt es beispielsweise ein Sprecher von Quiagen zu Protokoll, - unter strenger Beachtung der Gesetze - seine globale Steuerposition zu optimieren.
Angesichts der Staatshilfen und der staatlichen Förderung in der Corona-Krise gerät diese Praxis aber zunehmend unter Beschuss. Die Bürgerbewegung Finanzwende spricht von „Steuer getriebenen Unternehmensstrukturen“ und verlangt, Hilfen und Fördergeld an mehr Transparenz in den Bilanzen zu knüpfen. „Die Steuerzahler haben ein Anrecht auf mehr Transparenz. Sie sollten wissen, ob Hilfe Unternehmen zugutekommt, die in Krisenzeiten gerne vom Staat profitieren, sich aber sonst ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen“, sagt Konrad Duffy, Referent für den Bereich Finanzkriminalität bei der Bürgerbewegung.

EU scheiterte mit Regulierung

Internationale Anstrengungen, unter anderem auch von der Europäischen Union, gegen Steuervermeidungsmodelle anzukämpfen, sind bisher weitgehend gescheitert. Im vergangenen November war die EU kurz davor, ein sogenanntes „Country by Country-Reporting“ einzuführen, dass die Firmen anhalten sollte, ihre internen länderübergreifenden Finanzströme offenzulegen. EU-Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Italien und Polen waren für den Vorschlag, denn sie profitieren, wenn Unternehmen dort ihre Steuern zahlen, wo sie sitzen - nämlich in der Regel in den großen Staaten. Kleinere Länder wie Malta, Irland und Luxemburg waren gegen die Regelung. Sie wollen die Steuern über Tochtergesellschaften bei sich verrechnen. Am Ende ging die Abstimmung knapp verloren. Unter anderem, weil Deutschland sich enthielt. Das „Country by Country-Reporting“ würde deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb benachteiligen, ließ Wirtschaftsminister Altmaier damals mitteilen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hält das für falsch. Unternehmen, so meint der ehemalige NRW-Finanzminister, die steuerliche „Ausweichmanöver“ nutzten, kämen für eine Förderung nicht infrage. „Erst wenn Unternehmen darauf verzichten und zu Hause ihre Steuern zahlen, dann sollen sie auch Förderprogramme beantragen können.“                

oli

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