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Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Geldanlage?

Manchmal könnte man denken, es handele sich um ein neues Thema: Zunehmend begegnet uns der Begriff der „Nachhaltigkeit“ in ganz verschiedenen Bereichen unseres Lebens. Und eben auch bei der Geldanlage. Ulrich Stephan eröffnet eine weite Perspektive.

BÖRSE am Sonntag

Manchmal könnte man denken, es handele sich um ein neues Thema: Zunehmend begegnet uns der Begriff der „Nachhaltigkeit“ in ganz verschiedenen Bereichen unseres Lebens. Und eben auch bei der Geldanlage.

Von Ulrich Stephan

Ob beim Einkauf von Lebensmitteln und Kleidung, beim Abschluss eines Stromvertrags oder bei der Geldanlage – Nachhaltigkeit nimmt in der öffentlichen Wahrnehmung einen immer größeren Platz ein. Anleger beispielsweise haben eine große Auswahl an Investmentprodukten, die ihre Anlagestrategie gezielt danach ausrichten, ob ein Unternehmen bestimmte Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt. Diese werden unter Begriffen wie Corporate Social Responsibility beziehungsweise in den sogenannten ESG-Kriterien definiert. Bei Letzteren handelt es sich um Umweltaspekte (engl. environment), soziale Faktoren (engl. social) sowie die Art der Unternehmensführung (engl. governance), die neben den finanziellen Faktoren bei Anlageentscheidungen betrachtet werden. Wie groß die Bedeutung nachhaltiger Geldanlagen mittlerweile ist, zeigt sich auch daran, dass die Europäische Union 2016 eine spezielle Expertengruppe allein für dieses Thema etabliert hat. Im Abschlussbericht der Gruppe, der im Frühjahr 2018 fertiggestellt war, werden Empfehlungen für die Implementierung von entsprechenden Kriterien bei Investitionsentscheidungen formuliert. Ob dem Bericht sogar regulatorische Vorgaben folgen werden, bleibt abzuwarten.

Dabei handelt es sich bei der Nachhaltigkeit keineswegs um ein neues Thema. Ganz im Gegenteil hat der Begriff bereits eine lange Geschichte: Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts nutzte ihn der Deutsche Hans Carl von Carlowitz in seinem Werk über die Forstwirtschaft „Sylvicultura oeconomica“. Dort heißt es etwa, man müsse bei der Rodung von Wäldern beachten, dass die Nachkommen ebenfalls Holz benötigen werden. Wenngleich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren also zunehmend in den Fokus gerückt ist: Sie ist beileibe kein neues Phänomen und wird von Investoren bei der Auswahl von Anlagezielen bereits seit Jahrzehnten berücksichtigt – der Begriff der Corporate Social Responsibility beispielsweise hat seinen Ursprung in den 1970er-Jahren.

Bei der Suche nach interessanten Investments ist es grundsätzlich wichtig, ein Unternehmen in seiner Gesamtheit zu betrachten. Das heißt: Neben Bewertungsmethoden wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis sollten stets weitere Faktoren berücksichtigt werden, die für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle spielen. Dazu gehören beispielsweise auch die ESG-Kriterien. Entsprechend achten Investoren bei den Investitionsentscheidungen schon seit Jahrzehnten auf das nachhaltige Wirtschaften eines Unternehmens. Bereits die Investoren Benjamin Graham und David Dodd, die als Begründer der fundamentalen Aktienanalyse in den 1930er-Jahren gelten, legten ihr Augenmerk auch auf Faktoren und Kriterien der Nachhaltigkeit – ebenso wie später „Börsenguru“ Warren Buffett.

Deutlich wird das Potential nachhaltigen Wirtschaftens vor allem für Unternehmen mit Blick auf den Umweltaspekt. Ein ineffizient hoher Energie- und Ressourcenverbrauch beispielsweise kostet Geld. Realisiert eine Firma trotz notwendiger Anfangsinvestitionen Einsparpotenziale – etwa über eine größere Energieeffizienz oder einen entsprechend geringeren Ressourcenverbrauch – dann könnten sich damit die Kosten langfristig senken und im Umkehrschluss die Gewinne nachhaltig steigern lassen. Das ist sowohl gut für die Umwelt als auch für die Entwicklung des Unternehmens und damit die Investoren – eine Win-win-Situation also.

Die sozialen Aspekte eines Unternehmens mögen aus Anlegersicht weniger offensichtlich sein – weniger wichtig sind sie für die Beurteilung eines Unternehmens dadurch aber nicht. Dabei gilt es, die Beziehung eines Unternehmens zur Öffentlichkeit sowie zu seinen Zulieferern und Kunden zu betrachten – und insbesondere zu seinen Mitarbeitern. Denn die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter – zum Beispiel als Folge fairer Arbeitsbedingungen – sollten sich positiv auf die Produktivität auswirken. Außerdem kann sich eine geringe Fluktuation innerhalb der Belegschaft positiv auf der Kostenseite niederschlagen, schließlich sinken dadurch die Ausgaben für die Mitarbeiterakquise.

Im Bereich der Governance spielt aus Anlegersicht das Verhalten der Unternehmensführung eine  übergeordnete Rolle. Handelt das Management integer und transparent? Kommuniziert die Unternehmensführung offen gegenüber ihren Investoren und decken sich die Interessen beider Seiten? Das sind die Fragen, die es hier zu beantworten gilt. Eine gute Governance bedeutet unter anderem, dass die Interessen des Managements und der Anteilseigner möglichst nahe beieinander liegen und mit Risiken adäquat umgegangen wird. Entscheidungen des Managements sollten sich dabei idealerweise an dem nachhaltigen Erfolg des Unternehmens orientieren. Studien zeigen, dass Unternehmen mit besseren Governance-Strukturen – beispielsweise durch stärkere Aktionärsrechte – in der Regel eine bessere Performance vorweisen.

Bei der Auswahl eines Anlageziels sollten Investoren immer auf die Qualität und alle relevanten Aspekte des Unternehmens achten – dazu zählen unter anderem die ESG-Kriterien. Dabei ist zwischen den finanziellen und nicht finanziellen Faktoren häufig ein direkter Zusammenhang zu erkennen. Durch ESG-konformes Wirtschaften kann ein Unternehmen Risiken reduzieren und dürfte in der Regel langfristig finanziell erfolgreicher sein als ein vergleichbarer, aber weniger nachhaltig agierender Wettbewerber. Sofern Investoren ihre Anlageziele sorgfältig auswählen, spielen Aspekte der Nachhaltigkeit grundsätzlich eine wichtige Rolle. ESG-konformes Investieren kann folglich eine Konsequenz der fundamentalen Unternehmensanalyse sein. Sofern entsprechend risikobereite Anleger ein starkes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit ihrer Investmentziele legen wollen, gibt es auch spezielle ESG-Anlagemöglichkeiten – etwa sogenannte Nachhaltigkeitsfonds. Ihr Fokus liegt auf Unternehmen, bei denen die Einhaltung zum Teil strenger ESG-Kriterien einen besonders hohen Stellenwert besitzt.

Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.