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Nach Singles-Day-Rekorden: Ist die Alibaba-Aktie viel zu günstig?

An einem einzigen Tag setzt Alibaba via E-Commerce 38,4 Milliarden US-Dollar um. Mehr als Amazon im ganzen dritten Quartal. An der Börse jedoch sind die Amerikaner fast doppelt so viel wert wie die Chinesen. Wie kann das sein?

BÖRSE am Sonntag

An einem einzigen Tag setzt Alibaba via E-Commerce 38,4 Milliarden US-Dollar um. Mehr als Amazon im ganzen dritten Quartal. An der Börse jedoch sind die Amerikaner fast doppelt so viel wert wie die Chinesen. Wie kann das sein?

In diesem Jahr wollte der absurde Zahlenstrom einfach nicht abreißen. Es begann früh am Morgen – 68 Sekunden nach Anbruch des 11.11, wegen der vielen Einsen Singles Day genannt, lag der bestellte Warenwert bei einer Milliarde Dollar – und endete tief in der Nacht, als dieser schließlich 38,4 Milliarden Dollar maß. Dazwischen gab es gleichfalls wahnwitziges zu bestaunen. Nach einer Stunde summierten sich die Umsätze auf zwölf Milliarden Dollar, nach acht Stunden war mit 30 Milliarden Dollar bereits der Vorjahresumsatz des gesamten Tages erreicht. Zeitweise gingen 544.000 Bestellungen pro Sekunde ein.

Der 11. November ist für die Chinesen, was Black Friday und Cyber Monday für die Amerikaner und Europäer sind. Eine Shopping-Orgie epischen Ausmaßes, konzentriert auf einen einzigen Tag. Der Alibaba-Konzern ist einer seiner größten Profiteure. Die genannten Zahlen sind seine Zahlen.
Man muss sich das noch einmal kurz vor Augen führen: Ein einziger Konzern macht an einem einzigen Tag 38,4 Milliarden Dollar Umsatz. Das ist mehr als Deutsche Bank und Commerzbank zusammen im gesamten Jahr 2018 an Einnahmen generiert haben.

An der Börse ging es zuletzt schleppend voran

Umso erstaunlicher, dass Alibaba an der Börse im Vergleich mit dem US-Rivalen Amazon deutlich hinterherhinkt. Während die Amerikaner auf einen Börsenwert von knapp 800 Milliarden Dollar kommen, liegt der der Chinesen bei etwas unter 500 Milliarden Dollar. Dazu legte die Amazon-Aktie in den vergangenen fünf Jahren um 467 Prozent zu, die Alibaba-Papiere nur um 63 Prozent. Und für einen Wachstumswert liegt das KGV, gemessen am Ergebnis des vergangenen Geschäftsjahres, bei eher niedrigen 32,6. Gerade dann, wenn man es mit dem von Amazon vergleicht, das in seinem jüngsten abgeschlossenen Geschäftsjahr auf einen Wert von 72,6 kam.

Was so gesehen eine deutliche Unterbewertung nahelegt, relativiert sich im richtigen Kontext. Alibaba macht einen Großteil seiner E-Commerce-Umsätze an eben jenem Singles Day. Viele Chinesen schieben größere Anschaffungen bis zu diesem Tag hinaus, um von den dann gegebenen Rabatten zu profitieren. Derart extrem lässt sich dieses Phänomen trotz ähnlicher Angebote in den USA und Europa nicht beobachten. Alles in allem machte Alibaba so im vergangenen Geschäftsjahr 56 Milliarden US-Dollar Umsatz. Amazon mit 232 Milliarden Dollar mehr als viermal so viel. Das erklärt in Teilen die große Lücke in der Börsenbewertung. Nicht dagegen erklärt sich so, warum das KGV der Alibaba-Aktie im Vergleich so niedrig steht. Nämlich sogar deutlich unter dem Branchenschnitt von 37,6.

Alibaba hat im vergangenen Geschäftsjahr trotz der erheblich geringeren Umsätze mit 11,4 Dollar mehr verdient als Amazon (10,1 Milliarden). Da scheint das Potenzial riesig, gerade wo Alibaba ja auch schneller wächst als der Rivale aus Seattle, wenn auch freilich auf deutlich niedrigem Niveau. Steigerten die Chinesen den Umsatz im abgelaufenen, zweiten Geschäftsquartal um 40 Prozent auf 16,9 Milliarden Dollar, stieg der von Amazon um 24 Prozent auf knapp 70 Milliarden Dollar. Der operative Gewinn der Alibaba-Gruppe kletterte um 51 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar. Der Nettogewinn dank eines Einmalbetrags durch die anteilige Übernahme von Ant Financial auf 10,3 Milliarden Dollar.

Volumen des chinesischen E-Commerce Marktes könnte 2019 bei 640 Milliarden Dollar liegen

Umsatz und Gewinn lagen so deutlich über den Erwartungen der Analysten, während Amazon mit Blick auf letzteren jüngst enttäuschte, dazu der Umsatz im Schlussquartal nicht so stark steigen soll, wie von Experten prophezeit. Alibaba derweil konnte jüngst auch Nutzerzahl und Kaufaktivität kräftig steigern. Am Singles Day shoppten Schätzungen des Konzerns nach mit 500 Millionen Menschen zirka 100 Millionen mehr als noch zuvor über Alibabas Plattform. Dazu dürfte der chinesische E-Commerce-Markt 2019 mit einem geschätzten Volumen von 640 Milliarden Euro größer sein als die der USA und Europas zusammengenommen. Und Alibaba hat einen Marktanteil von über 50 Prozent, wächst dazu schneller als der chinesische Schnitt.

Zwar nimmt die heimische Konkurrenz zu, doch so lange der Markt insgesamt starke Wachstumsraten liefert, dürfte das wenig ins Gewicht fallen. Zudem steht Alibaba noch der gesamte europäische Markt offen. Abseits des E-Commerce hat der Internet-Riese ähnlich Amazon seine Finger noch in vielen weiteren zukunftsorientierten Sektoren im Spiel. So zum Beispiel im Cloudgeschäft oder mit Alipay im Bezahldienstleistungssektor. Dazu baut der Konzern mit Sitz in Hangzhou seine Videoplattform aus. Ins Lebensmittelgeschäft ist man auch eingestiegen. Die Liste ist lang und bietet erhebliche Potenziale. Gleichzeitig bietet der Online-Handel eine Art sicheren Hafen.

Kehrt die Wachstumsphantasie zurück?

Alibabas Wachstumsstory, so viel dürfte fest stehen, ist noch lange nicht zu Ende. Nun braucht es aus Anlegersicht auch wieder eine Wachstumsphantasie. Die war in den vergangenen Jahren vergleichsweise schwach ausgeprägt. Auch jetzt führten die starken Quartalsahlen und der Mega-Rekord des Singles Day, die Aktie betreffend, zu keiner spürbar positiven Reaktion. Wer jedoch das laufende Jahr betrachtet, der erkennt ein Kursplus von 43 Prozent. Der Kurs der Amazon-Aktie stieg lediglich um 18,4 Prozent. Mögen die großen Kursexplosionen bislang ausbleiben, eine langfristige Rally nach oben könnte schon in Gang gesetzt worden sein. Und die Wachstumsphantasie allmählich zurückkehren. Anleger sollten gespannt auf die kommenden Zahlenströme blicken.

Oliver Götz

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