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Ionos will in den Börsenhimmel

Die United-Internet-Tochter arbeitet am Börsengang. Mit ihm könnte das Unternehmen zum wertvollsten europäischen Cloudkonzern aufsteigen

(Bild: United Internet AG)

Die United-Internet-Tochter arbeitet am Börsengang. Mit ihm könnte das Unternehmen zum wertvollsten europäischen Cloudkonzern aufsteigen

Das Unternehmen sei bekannt für moralisch fragwürdiges Geschäftsgebaren und falle durch unfaire Behandlungen der Belegschaft auf. „Die Firma hat quasi eine Monopolstellung auf dem Cloud-Markt und übt damit einen enormen Einfluss auf die mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen aus.“ So offensiv geht der deutsche Internetdienstanbieter Ionos keinen Geringeren als den Tech-Giganten Amazon an – und zwar auf der eigenen Website unter dem Punkt „AWS-Alternativen“.

Dass sich nicht nur die United-Internet-Tochter selbst als die „europäische Cloud-Alternative“ sieht, sondern auch auf dem Markt als solche wahrgenommen wird, zeigt unter anderem die Einschätzung des US-Analystenhauses ISG. In einer Ende des vorigen Jahres erschienen Analyse wird Ionos erstmals neben AWS, Microsoft, Google und T-Systems im Quadranten der Marktführer einsortiert. Die Experten attestieren ein „umfangreiches, attraktives Portfolio mit hoher Compliance-Sicherheit und unschlagbarem Preis-Leistungs-Angebot“. Vorherrschend in Europa ist bislang OVH Cloud aus Frankreich, die kürzlich den Schritt aufs Börsenparkett gewagt hat und auf eine Marktkapitalisierung von rund vier Milliarden Euro kommt.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium hält einiges von der „AWS-Alternative“ und setzt deshalb beim Projekt Gaia-X stark auf das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur. An gleich sechs von 16 Vorhaben ist die United-Internet-Tochter beteiligt, zudem soll es noch in zwei weiteren Fällen als assoziierter Partner Infrastruktur zur Verfügung stellen. „Damit haben wir selbst nicht wirklich gerechnet“, sagt Rainer Sträter, Cloud-Chef von Ionos. Die Telekom-Tochter T-Systems ist nur bei einem Projekt involviert. Gaia-X ist ein europäisches Projekt, um die Digitalisierung unabhängiger von den mächtigen IT-Konzernen aus den USA und China zu machen. Ziel ist es, Daten offen miteinander zu vernetzen. Dass Ionos der Telekom bei diesem Riesenprojekt den Rang abläuft, ist auch deshalb überraschend, weil die Bonner von Anfang an einer der wichtigsten Unterstützer aus der Wirtschaft für das vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angestoßene Projekt waren.

Ionos-Chef Achim Weiß gehört zu den Urgesteinen im deutschen Internetgeschäft. 1995 war Weiß an der Gründung von Schlund+Partner beteiligt, einem der ersten deutschen Dienstleister für Webspace und Domains. Bereits drei Jahre später wurde das Unternehmen von 1&1 übernommen und damit Teil des Konzerns United Internet. Als Technikchef von 1&1 entwickelte der Manager unter anderem die weltweit erste Webhosting-Plattform für den rasant wachsenden Massenmarkt.

Weiß kennt den Markt und er kennt seine Tücken. So ist vor allem das richtige Personal der limitierende Faktor. Es braucht ein schlagkräftiges Team, das die ambitionierten Wachstumsziele erreichen kann. Das nötige Geld dafür möchte man an der Börse einsammeln. Ionos werde eine europäische Hyperscaler-Alternative, betont Weiß selbstbewusst. Ein Hyperscaler ist ein Anbieter von IT-Ressourcen auf Basis des Cloud-Computings. Die führenden US-Unternehmen beherrschen auch den europäischen Cloud-Markt zu fast 70 Prozent. Geplant sei die Erstnotiz ab Ostern, heißt es aus dem Finanzumfeld. Dabei könnte das Unternehmen zur ersten deutschen Cloud-Firma mit einer Milliardenbewertung avancieren. „Aktuell arbeiten wir daran, ab dem Frühjahr 2022 technisch ‚IPO ready‘ zu sein, das heißt, zum passenden Zeitpunkt 2022 oder 2023 einen Börsengang durchführen zu können.“

Ein Börsengang sei ein naheliegender nächster Schritt in der Entwicklung des Unternehmens, heißt es. Er werde dann geplant, wenn die Marktbedingungen günstig seien. Einen genauen Zeitpunkt für den Schritt aufs Parkett möchte Ionos aber nicht nennen – was unter anderem an dem derzeit sehr nervösen Märkten liegen dürfte.

Cloud-Computing und Datenanalyse sind derzeit die Hauptthemen vieler CEOs. Die Nachfrage ist riesig. Während früher Festplatten selbstverständlich der Ort waren, wo Daten lagerten, nutzen immer mehr Unternehmen eine Cloud als Speicherort. Der Vorteil: Die Daten sind überall verfügbar, die Server, auf denen sie liegen, werden regelmäßig gewartet. Datenverlust durch Festplattencrash ist damit sehr unwahrscheinlich.

Mit einem geschätzten Marktwert von fünf Milliarden Euro könnte Ionos den bislang größten Börsengang dieser Art in Europa hinlegen. Das Unternehmen braucht das Geld für schnelles Wachstum, um Amazon im Cloud-Geschäft Paroli bieten zu können und zu einer echten „AWS-Alternative“ zu werden.

Florian Spichalsky

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