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Volkswagen-Aktie: Kein Kurssprung in Sicht

Die Aktie des VW-Konzerns läuft und läuft, wie einst der legendäre Käfer. Allerdings gilt auch für das Anteilspapier: Überraschungen nach oben sind nicht in Sicht. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Am Montagabend war es bei Volkswagen wieder soweit: Herbert Diess wurde entmachtet.

Die Aktie des VW-Konzerns läuft und läuft, wie einst der legendäre Käfer. Allerdings gilt auch für das Anteilspapier: Überraschungen nach oben sind nicht in Sicht. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Von ihrem Hoch ist die VW-Vorzugsaktie weit entfernt - der Dieselskandal lässt grüßen. Und der hausgemachter Ärger nimmt kein Ende: Knatsch in der Führungsspitze sorgte jüngst dafür, dass Konzernlenker Herbert Diess einen Teil seiner Macht abgeben musste. Dazu kommen Softwareprobleme bei neuen Modellen, die dazu führen, dass sich der Verkaufsstart verzögert.

Dass die Aktie nicht noch weiter nachgibt, liegt an der nach wie vor soliden Stellung des Konzerns im Wettbewerb. Was seine schiere Größe anbelangt, landet das Unternehmen auf dem Spitzenplatz. Ein operatives Ergebnis, das im Jahr 2019 um knapp 13 Prozent auf 19,3 Milliarden Euro gestiegen ist, macht ihm so schnell keiner nach. Corona bedingt haben sich im ersten Quartal Rückgänge gezeigt, aber noch immer stand ein Betriebsgewinn von 0,9 Milliarden Euro in den Büchern. Auch das ist in der Autowelt ein akzeptabler Wert, der hoffen lässt, dass das zweite Quartal ebenfalls besser laufen könnte, als bei der Konkurrenz. Die Auswirkungen der Corona-Krise dürften die Bilanzen bei den meisten Herstellern abstürzen lassen. Die Branchenexperten des Beratungsunternehmens EY gehen in einer aktuellen Analyse davon aus, dass die Mehrzahl der Autobauer im Juli rote Zahlen präsentieren muss. „Gerade Unternehmen, die vor allem auf dem europäischen Markt engagiert sind, wird es im zweiten Quartal hart treffen, denn hier war der Absturz besonders massiv", sagte der Leiter des Bereichs Automotive & Transportation bei EY, Constantin M. Gall.

Schon in den ersten drei Monaten des Jahres hat die Krise riesige Löcher in die Kassen gerissen. Zusammengenommen verbuchten die größten Hersteller im operativen Geschäft nur noch rund 7,5 Milliarden Euro Gewinn, wie EY in seiner regelmäßigen Branchenanalyse berechnet hat. Das ist ein Einbruch um mehr als die Hälfte im Vergleich zum ersten Quartal 2019 und der niedrigste Stand seit 2009. Die Verkaufszahlen gingen um 21 Prozent zurück, der Umsatz immerhin nur um 9 Prozent.

Dass VW bisher vergleichsweise solide abschneidet, steht im Widerspruch zu einer Unternehmenskultur, die in vier Punkten von allem abweicht, was sonst als Erfolgsrezept gehandelt wird:

Erstens: Keine Nachhaltigkeit in der Führung

Am Montagabend war es bei Volkswagen wieder soweit: Ein Konzernchef wurde entmachtet. Fünf Jahre nach dem Abgang von Martin Winterkorn und zwei Jahre nach dem Rückzug von Matthias Müller verlor VW-Chef Herbert Diess seine Zuständigkeit für die Kernmarke des Konzerns: VW. Der Aufsichtsrat hat es so entschieden. An seine Stelle rückt mit Ralf Brandstätter der bisherige operative Chef der Marke. Der CEO hat damit eine entscheidende Runde im Machtkampf bei VW verloren.

Zweitens: Die Macht liegt beim Betriebsrat

Während die Konzernchefs bei Volkswagen offenbar keine lange Halbwertszeit haben, bleibt die Führung des Betriebsrats konstant: Bernd Osterloh hat sich vor 15 Jahren an die Spitze manövriert. Die Entmachtung von Diess, den er wegen seiner karierten Jacketts gern „Onkel Herbert“ nennt, hat er durch einen Brief unterstützt, in dem er den Volkswagen-Chef öffentlich Versagen bei der Entwicklung neuer Modelle vorwarf: E-Auto und neuer Golf können derzeit beide wegen ungelöster Probleme nicht ausgeliefert werden.

Drittens: Skandale werden nur zögerlich aufgeklärt

Wenn bei Volkswagen etwas schiefläuft, dann zieht sich die Aufarbeitung der Fehler hin. Prominentestes Beispiel: der Dieselskandal, bei dem der Autobauer vorsätzlich seine Kunden betrogen hat. Aufgeflogen ist er 2015, einer der damals Verantwortlichen Audi Chef Rupert Stadler wird erst am 30 September dieses Jahres vor dem Richter dafür zur Rechenschaft gezogen. Der damalige CEO Martin Winterkorn wartet noch immer auf den Beginn des Verfahrens gegen ihn. Hans-Dieter Pötsch dagegen, der Finanzchef bei VW war, während der Dieselskandal seinen Lauf nahm, sitzt heute dem Aufsichtsrat vor und entscheidet beispielsweise über die Zukunft von Managern wie Diess.

Viertens: Das Land regiert mit

Was in guten Zeiten als Tabu gilt und auch in einer Krise, wie sie die deutsche Wirtschaft derzeit wegen der Corona-Epidemie erfasst hat, nur im Notfall ein Mittel ist, ist bei VW Standard: Das Land sitzt als wichtigster Aktionär im Aufsichtsrat des Unternehmens. Gegen die Stimmen des Landes Niedersachsen, vertreten durch seinen Ministerpräsidenten, geht bei VW nichts. Die EU hat über Jahre versucht, diese unter Wettbewerbsgesichtspunkten zweifelhafte Konstruktion zu verbieten. Sie scheiterte damit am Widerstand deutscher Spitzenpolitiker, wie etwa dem aus Hannover stammenden „Autokanzler“ Gerhard Schröder.
Branchenbeobachter wie Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer antworten dennoch auf die Frage, welcher Autobauer für die Zukunft die besten Karten habe: „Der VW-Konzern“. Tesla sei vielleicht sexy, aber VW am besten aufgestellt. Das Beispiel VW zeigt damit: Es muss längst nicht alles wie im Lehrbuch verlaufen, damit sich der Erfolg einstellt. Es gilt der Werbespruch für den VW-Käfer: „Er läuft und läuft und läuft.“ Für die Aktie bedeutet dies: Eine grundsätzliche Erholung ist bislang nicht in Sicht. Aber das Verlustrisiko ist ebenfalls begrenzt.

Oliver Stock

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