Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen >

Siemens – Zu wenig für den Bärenmarkt

Trotz eines starken Auftragseingangs und soliden Umsatzwachstums zu Beginn des neuen Geschäftsjahres, schickten Anleger das Siemens-Papier unter der Woche auf den tiefsten Stand seit Juli 2016. Schuld war die schwächer als erwartet ausgefallene Marge. Und ein weiter schwer angeschlagener DAX, der Verfehlungen – wenn auch noch so klein – nicht mehr zu verzeihen in der Lage scheint.

BÖRSE am Sonntag

Trotz eines starken Auftragseingangs und soliden Umsatzwachstums zu Beginn des neuen Geschäftsjahres, schickten Anleger das Siemens-Papier unter der Woche auf den tiefsten Stand seit Juli 2016. Schuld war die schwächer als erwartet ausgefallene Marge. Und ein weiter schwer angeschlagener DAX, der Verfehlungen – wenn auch noch so klein – nicht mehr zu verzeihen in der Lage scheint.

Solide reicht nicht mehr. Die Bären, sie scheinen Deutschlands Leitindex fest in ihren Tatzen zu haben. Ein negativer Medienbericht, eine nicht ganz den Erwartungen entsprechende Zahl, eine etwas zu vorsichtige Prognose, und schon purzeln die Kurse. Die Verunsicherung unter Anlegern, sie ist deutlich spürbar. Lieber zweimal zu früh verkauft, als einmal zu spät, das scheint derzeit die Devise. Eingekesselt von Unsicherheiten, ob nun mit Blick auf europäisch-britisches Brexit-Chaos, italienische Schuldenlasten, chinesische Wachstumsschwäche, globale Handelsstreitigkeiten oder die ganz im allgemeinen und damit einhergehend wachsenden Sorgen vor einer deutlichen Abkühlung der Weltwirtschaft, fehlen dem Dax die positiven Impulse und Ausbrüche nach oben.

Und so geriet auch Siemens erste Quartalszahlenpräsentation zum laufenden Geschäftsjahr zu einer – salopp formuliert – einigermaßen traurigen Veranstaltung. Nicht das Ergebnis und Ausblick schlecht gewesen wären, vor allem langfristig ließ sich durchaus positives herauslesen, doch alles in allem war es eben wieder nur solide. Kein Ausbruch nach oben, eher ein Bericht, der vielen Marktbeobachtern als Bestätigung ihrer Besorgnis gelten dürfte, dass das laufende Jahr wohl ein schwieriges werden könnte.

Aktie verliert doppelt gegenüber europäischem Industriesektor

Und so kehrte eine Mehrzahl der Anleger dem Siemens-Papier unter der Woche erneut den Rücken zu, schickten seinen Kurs mit rund 95,70 Euro gar auf seinen tiefsten Stand seit Juli 2016. Auf Jahressicht hat die Aktie der deutschen Industrie-Ikone nun bereits 18 Prozent an Wert verloren. Und damit fast doppelt so viel wie der europäische Industriesektor im Schnitt.

Und das liegt freilich nicht nur an trüben Konjunkturaussichten und angeschlagenen Märkten, sondern auch an hausgemachten Problemen, die an Siemens Marge knabbern. Zuvorderst geht es da um die weiter kriselnde „Power- und Gas“-Sparte, deren operatives Ergebnis sich im ersten Geschäftsquartal auf 119 Millionen Euro halbierte. Und das bei mit einem Minus von neun Prozent auf 2,8 Milliarden Euro ebenso schwindenden Umsätzen. Die Marge des Kraftwerkbereichs betrug damit gerade einmal noch 4,2 Prozent, was wiederum auch die von Siemens insgesamt unter Druck setzte. So lag diese von Oktober bis Dezember 2018 nur bei 10,6 anstatt wie im Vorjahr noch bei 11,4 respektive irgendwo zwischen elf und zwölf Prozent, wo sie CEO Joe Kaeser eigentlich sehen will im neuen Geschäftsjahr.

Auch rein mit Blick auf das operative Ergebnis kann er kaum zufrieden sein. Um sechs Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gab dieses nach, lag damit „am unteren Rand“ der Erwartungen, wie es Kaeser ausdrückte. Auch Analysten hatten mit mehr gerechnet. Die Margenentwicklung gestalte sich enttäuschend, schrieb Gael de-Bray von der Deutschen Bank. Es seien neue Kostensenkungen notwendig, doch mangelnde Flexibilität im Konzern ebenso wie die unternehmensinterne Abneigung gegen Veränderungen dürften den laufenden Dezentralisierungsprozess zu einem langwierigen werden lassen, nörgelte de-Bray weiter. Sein Kursziel beließ er aber dennoch bei 110 Euro.

Stärkster Auftragseingang in zehn Jahren

Jefferies-Analyst Peter Reilly nahm die Ergebnisse dagegen deutlich positiver auf, sprach von einem gemischten Bild, welches unter dem Strich aber doch ermutigend sei. Und meinte damit sicherlich auch den mit einem Plus von zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr ausgestatteten und 25,2 Milliarden schweren Auftragseingang. Für Siemens der stärkste in zehn Jahren. Dieser, so Vorstandschef Kaeser, zeige das Vertrauen der Kunden in die Leistungsfähigkeit des Konzerns. Hinzu kommt ein Umsatzwachstum von knapp einem Prozent auf 20,1 Milliarden Euro. Siemens bleibt also trotz schwächelnder Konjunktur auf Wachstumskurs, scheint mit hervorragenden Auftragseingängen zudem gut gerüstet für eine Phase des Abschwungs. Sein Kursziel für das Siemens-Papier beließ Analyst Reilly bei 140 Euro, was bei dem momentanen Kurs immerhin einem Aufwärtspotenzial von fast 50 Prozent entspricht.  

Den Münchnern ist aber durchaus bewusst, dass noch einiges an Arbeit vor ihnen liegt. Es gebe noch viel zu tun, um in allen Geschäften führende Margen zu erreichen, sagte Boss Kaeser. Umso spannender, wie sich die neue Konzernstruktur auswirkt, die ab April startet. Die „operativen Unternehmen“, wie Intelligent Infrastructure, Digital Industry und die Power- und Gas-Sparte sollen dann neben Siemens Gamesa, Siemens Healthineers und womöglich Siemens Alstom, sprich den „strategischen Unternehmen“, den industriellen Kern bilden. Der Plan: Mittelfristig so das Wachstum beschleunigen und die Profitabilität steigern, auch indem den einzelnen Sparten mehr unternehmerische Freiheit zugesprochen wird. Kaeser will den großen Tanker Siemens also weiter manövrierfähiger machen, seine Last auf kleinere, spezialisierte Schiffe umverteilen.

Siemens-Alstom-Fusion vor dem Aus

Eigentlich etwas, das im Sinne der Investoren sein müsste. Doch vielen geht die Umstrukturierung offensichtlich zu langsam vonstatten. Die Siemens-Alstom-Fusion mit Blick auf deren Zugsparten steht zudem quasi vor ihrem Aus, da EU-Wettbewerbshüterin Margrethe Vestager wohl unter den gegebenen Bedingungen nicht mitmachen will, und Siemens-Chef Kaeser an den Bedingungen nur bedingt rütteln will, die Fusion jedenfalls nicht „um jeden Preis suchen“ mag. Wenn die EU-Kommission den Zusammenschluss ablehne, dann werde man sich damit abfinden und einfach weitergehen, so Kaeser weiter.

Hoffnungsträger Digitale Fabrik

Bleibt die Frage, wohin und in welche Richtung. Die Kraftwerkssparte wird für Siemens immer mehr zum Problem, und ohne einen entsprechenden Personalabbau dürfte sich daran auch kaum etwas ändern. Aber auch von ihr abgesehen bleiben Zahlen und Ergebnisse durchwachsen, womit kurz-bis mittelfristig der Aktie die Impulse fehlen könnten. Langfristig dagegen ist es vor allem Siemens Digitale Fabrik, die Hoffnung macht. Mit einem Umsatzplus von sechs Prozent auf 3,2 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnisanstieg von ebenfalls sechs Prozent auf 646 Millionen Euro, hat sich die Sparte im vergangenen Quartal gut entwickelt. Die Umsatzrendite lag darüber hinaus bei sehr guten 20 Prozent. Etwas, das schon eher nach Kaesers Geschmack sein dürfte. Und auch nach dem der Anleger. Solide schließlich, reicht nicht mehr.

Oliver Götz