Deutsche Post: Die neue Unübersichtlichkeit
Es kommt, so sagen es die Weisen des Börsenmysteriums gern und oft, bei Aktienanlagen eher nicht so auf den Einstiegszeitpunkt an, sondern auf die Haltedauer. Das illustriert man mit Vorliebe an eher nicht so schwankungsbereiten Papieren, zu welchen früher einmal auch so etwas wie die Deutsche Post AG gehörte.
Es kommt, so sagen es die Weisen des Börsenmysteriums gern und oft, bei Aktienanlagen eher nicht so auf den Einstiegszeitpunkt an, sondern auf die Haltedauer. Das illustriert man mit Vorliebe an eher nicht so schwankungsbereiten Papieren, zu welchen früher einmal auch so etwas wie die Deutsche Post AG gehörte.
Von Reinhard Schlieker
Früher, ja das waren noch Zeiten. Da bewegten sich DAX und Co. im Laufe der Äonen hin und her und auf die Dauer nach oben, so dass es nach zehn, fünfzehn Jahren in der Tat wenig ausmachte, ob man in der Flaute eingestiegen war oder direkt auf dem Wellenkamm. In der Betrachtung verschwimmen dann auch solche Tiefpunkte wie das Ende der Dotcom-Blase oder die Finanzkrise 2008 als leichtere Zacken, aus der Krone gefallen, aber nicht weiter entscheidend. Trotzdem, wer in den zunehmend nervöseren Zeiten, mit plötzlich auftauchenden Börsenstars und verschwindenden dort nur Aufgeblasenen, nach beständigen Werten sucht, kann sich auch nicht unbedingt auf die Langweiler von einst verlassen. Da wirkt es dann schon ganz beruhigend, wenn man doch just im März 2020 die Ruhe weg hatte und so etwas wie die Post aufsammelte, wo sie halt lag, nämlich bei rund 19 Euro. Da machen sich die gerade erreichten knapp 45 Euro schon ganz gut, aber selbst bei einem Einstieg vor gut einer Woche waren volle zehn Prozent Zuwachs drin.
Das verstehe noch einer - Post/DHL ist immerhin ein gemächliches Papier im honorigen DAX-Index, und wer einmal den Geschichten und Legenden und den garantiert wahren Begebenheiten lauscht, die man sich am Lagerfeuer der Neuzeit, dem Sozialen Medium seiner Wahl so erzählt, der wird gern glauben, dass Gemächlichkeit geradezu das Steckenpferd im Wappen des Unternehmens sein muss, so lange kann man manchmal auf eine Postsendung warten, und der Postmann klingelt längst nicht mehr zweimal, sondern angeblich oft gar nicht, ehe ein Paket seinen Weg ins Regal einer manchmal diffusen Sammelstelle findet und dort abgeholt werden kann mit Glück und dem richtigen Riecher des hoffentlich verständigen Personals. Von Auslandssendungen wollen wir hier gar nicht anfangen, da herrscht die vollkommene neue Unübersichtlichkeit fast als wär’s ein Börsenstück: Die Digitalisierungsoffensive von Post/DHL hat da noch Potential, auch aus Sicht des privaten Kunden, der oft auch Aktionär ist. Und bei 1,6 Milliarden Paketen 2020 sind die Erlöse von kleinen Privatkunden und Kleinunternehmen immerhin ein schwer entbehrlicher Gewinnbeitrag. Nun aber legt der Konzern, mit immerhin noch über 20.000 echten Postbeamten in Lohn und Brot und noch mehr in Pension, plötzlich Tempo vor und pflegt auch seine Aktionäre: Die Dividende steigt von 1,15 Euro auf 1,35, womit sich die Dividendenrendite gemessen am heutigen Kurs zwar noch recht bescheiden ausnimmt, aber angesichts des Wertzuwachses der Aktie wohl nicht die entscheidende Rolle spielt.
Ein vor allem bei finanzkräftigen Technologiekonzernen aus dem Silicon Valley neuerdings wieder beliebtes Kurssteigerungsprogramm namens Aktienrückkauf will die Post jetzt auch einsetzen, allerdings wird eine beträchtliche Zahl von Papieren nicht völlig aus dem Verkehr gezogen, sondern für spätere Entlohnung der verdienten und verdienenden Topmitarbeiter gebunkert. Tatsächlich ist das Unternehmen inzwischen so international, dass der Heimatmarkt nur ein Gebiet unter vielen darstellt. Etwa in Sachen Impfstofflogistik: Nur zwei Bundesländer haben sich für die DHL-Pharma-Spezialisten entschieden, in Übersee hingegen ganze Nationen wie zum Beispiel Japan. Insgesamt wird es ganz generell im weltweiten Expressgeschäft darauf ankommen, ob sich die hohen Preise und damit auch die Erlöse weiter rechtfertigen respektive erzielen lassen, wenn manche Lieferung allein deshalb hakt, weil nicht genügend Lufttransport-Kapazitäten angeboten werden.
Der Ausfall zahlreicher Passagierflugverbindungen in der Corona-Pandemie hat auch die Frachtmitnahme beeinträchtigt, die Post schafft also folgerichtig weitere eigene Flugzeuge an. Es gilt in diesem Geschäft natürlich auch, den eigenen Kunden einen gut auf den Leib geschneiderten Service anzubieten, denn einige Großkunden expandieren nun selbst ins Transportgeschäft, allen voran Amazon, die ebenfalls eine eigene Luftflotte aufbauen und in Deutschland zumindest in Ballungsgebieten schneller selbst liefern als es die Paketpost derzeit kann. Und bei den großen Vorhaben, die international Maßstäbe setzen sollen, gerät leicht aus dem Blick, wie sehr das Unternehmen doch auf Dritte angewiesen ist: Vom kleinen Paketshopbetreiber auf dem flachen Land der Heimat bis hin zu Subunternehmern oder natürlich Zollbehörden und Regulatoren in 220 Ländern weltweit. Übersichtlich ist das nicht, aber ein Kursverlauf ist ja auch fürs erste eine aussagekräftige Sache.