Airbus bald größter Flugzeugbauer der Welt?
Die neuesten Auslieferungszahlen deuten darauf hin, dass Airbus 2019 wohl zum ersten Mal seit acht Jahren vor Dauerrivale Boeing landet. Das könnte der Aktie weiter Auftrieb geben. Seit Wochen schon, fliegt diese von Rekordhoch zu Rekordhoch.
Die neuesten Auslieferungszahlen deuten darauf hin, dass Airbus 2019 wohl zum ersten Mal seit acht Jahren vor Dauerrivale Boeing landet. Das könnte der Aktie weiter Auftrieb geben. Seit Wochen schon, fliegt diese von Rekordhoch zu Rekordhoch.
Der erste Kunde ist schon weg. Dabei hatte ihn Boeing Airbus doch erst abgerungen. Nun jedoch machte der saudi-arabische Billigflieger Flyadeal ziemlich rasant eine große Rolle rückwärts, gab bekannt, den bestehenden Vorvertrag mit Boeing über 50 Jets der 737-Max-Reihe nicht zu einem verbindlichen machen und doch lieber mit 30 bis 50 A320neo fliegen zu wollen. Grund freilich ist das derzeitige Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet, nachdem kurz hintereinander zwei Flugzeuge der Modellreihe abgestürzt waren und 346 Menschen ihr Leben verloren. Nach wie vor herrscht Unklarheit über die genauen Absturzumstände, doch ein Softwarefehler gilt als sehr wahrscheinlich. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, die Amerikaner hätten aus zu großem Wettbewerbsdruck heraus, das neue Modell zu früh auf den Markt gebracht, ohne für ausreichend Sicherheit garantieren zu können. Das kratzt am Image, es dürfte schwierig werden solche Gedanken aus den Köpfen der Fluggäste zu bekommen. Selbst, wenn die 737 Max-Serie wieder fliegen darf, gilt es daher ganz bestimmt nicht als ausgemachte Sache, dass die Airlines wieder Vertrauen fassen. Die schließlich wollen ihrerseits das ihrer Kunden keinesfalls aufs Spiel setzen. Noch allerdings stellt sich diese Frage nicht, Boeings Neuerscheinung erscheint erst einmal weiter nur auf dem Boden und nicht in der Luft.
Neue Nummer Eins am Himmel?
Und das setzt dem amerikanischen Branchenprimus schon jetzt kräftig zu, womit es in diesem Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit zur Wachablösung am Himmel kommt. Nach acht Jahren dürfte es Ende 2019 Airbus sein, das weltweit die meisten neuen Maschinen ausgeliefert haben wird. Darauf zumindest deuten die jüngsten Auslieferungszahlen der beiden Luftfahrt-Giganten hin. So sind Boeings Verkäufe im ersten Halbjahr 2019 um 37 Prozent auf 239 Maschinen eingebrochen. Im zweiten Quartal lagen sie mit 90 Jets sogar um 54 Prozent unter dem Vorjahreswert. Aus der 737-Baureihe gingen statt 137 Maschinen nur noch 24 an den Kunden. Airbus dagegen steigerte seinen Absatz in den ersten sechs Monaten des Jahres um 28 Prozent auf eine neue Rekordzahl von 389 Flugzeugen. Und auch in Sachen Auftragseingang stach Airbus seinen US-Rivalen zuletzt aus. Auf der Pariser Luftfahrtmesse sammelten die Europäer Bestellungen und Vorverträge für mindestens 363 Maschinen ein, Boeing nur für 272 Flugzeuge. Vor allem die Langstreckenversion des A321neo sowie die A321XLR-Reihe – XLR meint „extra long range“ – mausern sich bedingt durch Boeings 737 Max-Desaster zu Verkaufsschlagern. Auch die Übernahme der A220-Flieger des kanadischen Konkurrenten Bombardier scheint sich auszuzahlen, das Modell erwies sich als besonders gefragt.
Gleichzeitig präsentiert Airbus starke Zahlen. Im ersten Quartal 2019 stieg der operative Gewinn auf 549 Millionen Euro, übertraf damit die Analystenschätzungen. Der Umsatz kletterte um 24 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro. Insgesamt, so das Konzernziel, soll das operative Ergebnis im laufenden Geschäftsjahr um rund 15 Prozent steigen. Aufschluss darüber, wie realistisch dieses Ziel ist, dürften die Ende Juli folgenden Zahlen zum zweiten Quartal geben.
Aktie fliegt von Rekordhoch zu Rekordhoch
Bis dahin reichen Anlegern wie Analysten aber offensichtlich die starken Absatzzahlen und Auftragseingänge, um der Airbus-Aktie Auf- und Rückenwind gleichzeitig zu geben. Gemessen an dem zu Beginn der Woche neu aufgestellten Rekordhoch von über 129 Euro hat das Papier des Flugzeugbauers 2019 nun schon 53 Prozent an Wert zugelegt. Das kurze Straucheln im Rahmen allgemeiner Markturbulenzen im zweiten Halbjahr 2018 – von Juli bis Dezember verbilligte sich die Aktie um 24 Prozent von 109 auf 83 Euro – ist damit längst abgehakt und vergessen. Auf Zehn-Jahressicht liegen die Anteilsscheine des Konzerns mit Sitz im niederländischen Leiden mit mehr als 1.000 Prozent im Plus. Auf Fünfjahresssicht haben sie sich um 170 Prozent verteuert, auf Dreijahressicht um knapp 150 Prozent. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 100 Milliarden Euro erreicht Airbus im EuroStoxx50 inzwischen den sieben Rang. Nur Linde, Total, Loreal, SAP, Anheuser-Busch INBEV und LVMH sind damit in Europa noch wertvoller als der Luftfahrtkonzern.
Wie lange hält der Höhenflug noch an?
Und geht es nach JPMorgan-Analyst David Perry ist der Höhenflug noch lange nicht vorbei. Mit einem Kursziel von 163 Euro gehört er mit Blick auf die Airbus-Aktie zu den großen Optimisten, entspricht jenes schließlich einem Aufwärtspotenzial von fast 30 Prozent. Eine mutige Prognose, darf man bei all den guten Nachrichten schließlich nicht vergessen, dass die Aktie mit einem KGV von 21 inzwischen recht hoch bewertet ist. Dafür allerdings bietet sie neben den jüngsten Kurssteigerungen auch eine solide Dividende in Höhe von 1,65 Euro. Gemessen am derzeitigen Kurs entspricht das einer Ausschüttungsquote von 1,96 Prozent. Für die kommerzielle Luftfahrtbranche seien darüber hinaus die Rahmendaten für 2019 weiter positiv, schrieb UBS-Analystin Celine Fornaro. Höhere Ölpreise würden zudem die Attraktivität neuer Flugzeugtypen erhöhen. Ihr Kursziel für das Airbus-Papier setzt Fornaro bei 141 Euro. Bei Goldman Sachs derweil steht die Aktie gar auf der „Conviction Buy List“. Analyst Chris Hallam nennt ein Kursziel von 149 Euro. Überhaupt raten insgesamt 74 Experten zum Einstieg, sieben dazu die Aktie zu halten und keiner zum Verkauf.
Alles in allem klingt das nach „lila Wolken“. Das Unwetter, das Airbus durch den A380-Flop drohte, ist über den Atlantik und zu Boeing nach Chicago weitergezogen. Eine große Chance für die Europäer. Beinahe selbst abgehängt, können sie Boeing nun wichtige Marktanteile stehlen. Gut möglich, dass es bei Boeing bald heißt: Der zweite Kunde ist weg. Ob das bei Airbus aber noch einmal für große Kurssteigerungen an der Börse sorgt, bleibt offen. Die Flughöhe schließlich ist bereits hoch.
Oliver Götz
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