General Motors: Die große Angst vor Trump
Lange steckte General Motors in der Krise. Dann übernahm Mary Barra das Konzernsteuer und führte den ehemals größten Automobilhersteller der Welt zurück in die Erfolgsspur. Für 2017 stand am Ende ein Rekordgewinn von 13 Milliarden Dollar zu Buche. Ausgerechnet der eigene Präsident bedroht nun mit seiner Zollpolitik die bislang erfolgreiche Konzern-Restrukturierung.
Lange steckte General Motors in der Krise. Dann übernahm Mary Barra das Konzernsteuer und führte den ehemals größten Automobilhersteller der Welt zurück in die Erfolgsspur. Für 2017 stand am Ende ein Rekordgewinn von 13 Milliarden Dollar zu Buche. Ausgerechnet der eigene Präsident bedroht nun mit seiner Zollpolitik die bislang erfolgreiche Konzern-Restrukturierung.
Von Oliver Götz
Seit Januar 2014 ist Mary Barra Chefin von General Motors, einem der vor allem mit Blick auf seine Historie bedeutendsten Industriekonzerne der USA. Dass er seine Bedeutung nicht verlor, dass er nach der Finanzkrise 2008 und den verlustreichen Folgejahren wieder Boden unter die Füße bekam und, dass er inzwischen einer der zukunftsorientiertesten Automobilkonzerne der Welt ist, dürfte zu einem großen Teil an ihr liegen. Barra, die das US-Magazin Forbes im vergangenen Jahr als fünfteinflussreichste Frau der Welt listete, hat in viereinhalb Jahren einen schwerfälligen Konzernriesen klug verschlankt und so deutlich manövrierfähiger gemacht. Sie hat ihn auf Rendite getrimmt, gleichzeitig aber nie die Zukunft aus den Augen verloren und eifrig investiert. In die Elektrifizierung genauso wie ins autonom fahrende Auto.
Und damit einhergehend auch in Zukäufe. Bereits Anfang 2016 übernahm GM beispielsweise den Fahrdienst Lyft für 500 Millionen Dollar. Kurze Zeit später legte man eine Milliarde Dollar für Cruise Automation hin, ein auf selbstfahrende Autotechnik spezialisiertes Software-Start-Up mit Sitz im kalifornischen San Francisco. Inzwischen ist die Tochter 11,5 Milliarden Dollar wert. Vor kurzem stieg der japanische Softbank-Konzern für 2,25 Milliarden Dollar ein. Bislang also wohl definitiv ein lohnendes Investment.
Auf der anderen Seite verkaufte GM unter Barras Führung den deutschen Hersteller Opel, trennte sich damit endgültig von einer Tochter, mit der die Mutter über Jahrzehnte hinweg eine mindestens schwierige Beziehung pflegte. Darüber hinaus zogen sich die Amerikaner mit Chevrolet komplett aus Europa zurück und kehrten Australien, Russland, Indonesien und Thailand konzernübergreifend den Rücken zu.
Alles in allem schien das Mantra wie folgt zu lauten: Weniger Macht und Größe, dafür wieder mehr Rendite und Innovationskraft. Und bislang ging der Plan wunderbar auf. 2017 schloss GM mit einem Rekordgewinn von 13 Milliarden Dollar ab, steigerte damit einhergehend das dritte Jahr in Folge den Gewinn. Auch die wichtige Umsatzrentabilität verbesserte sich stetig. Und in Sachen autonomes Fahren scheint man nicht zuletzt der Konkurrenz aus Deutschland einige Schritte voraus.
Mary Barra könnte da eigentlich jeden Morgen freudestrahlend auf die Arbeit gehen. Vielleicht tut sie es auch, doch mit Blick auf den Aktienkurs ihres Unternehmens dürfte ihr das Lächeln bestimmt ab und an vergehen. Der nämlich hat sich seit ihrem Amtsantritt kaum verändert. Allerdings nur mit dem Blick auf Anfang und bisherigem Ende. In der Zwischenzeit ging es nämlich ziemlich flott die Kursleiter nach oben. Als sich zeigte, dass ihre mutigen Maßnahmen Wirkung zeigten, kletterte die Aktie von etwas unter 30 Dollar im Juni 2016 bis auf 46,50 Dollar im Oktober 2017. Ein Kursplus von rund 60 Prozent. Dann kam der Januar 2018 und seither bestimmt auch bei GM nur noch ein Thema den Tag: Die Zollpolitik von Donald Trump. Eine Sache, vor der sich auch Barra nicht schützen konnte. Zwischenzeitlich rutsche der Kurs der Aktie in die Nähe der 35-Dollar-Marke, nach einem kurzen Aufbäumen und einem im Zuge der Autozoll-Drohungen erneutem Rückgang steht das Papier nun bei 37,50 Dollar.
Bereits im zweiten Quartal waren es Trumps Zölle in Höhe von zehn Prozent auf Aluminium und 25 Prozent auf Stahl, die die Materialkosten in die Höhe trieben. Fast 2/3 eines GM-Automobils bestehen aus diesen beiden Grundstoffen. Der Gewinn fiel so im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar, der Umsatz ging um 0,6 Prozent auf 36,8 Milliarden Dollar zurück. Das lag nicht zuletzt auch an negativen Währungseffekten aufgrund des starken US-Dollar. Alles in allem waren die Ergebnisse zwar immer noch besser, als von Analysten befürchtet, der Ausblick aufs Gesamtjahr jedoch war dann einer, der schmerzte. Rechnete GM bislang mit einem Gewinn von 6,30 bis 6,60 Dollar je Aktie peilt man nun nur noch sechs Dollar an.
Der eigene Präsident also ist es, der GM mit voller Wucht in die erfolgreiche Wiederbelebung platzt. Eine Milliarde Dollar, rechnen sie in Detroit, dürfte ihnen Trumps Politik allein 2018 kosten. Und da sind die trotz eines versöhnlich anmutenden Treffens mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker immer noch möglichen Zölle auf Autos und Autoteile aus dem Ausland noch nicht eingerechnet. Sollten die kommen, würden die Kosten in den Folgejahren wohl noch deutlich steigen. GM nämlich besitzt sowohl in Mexiko als auch in Kanada Produktionsstätten und importiert von dort Jahr um Jahr rund eine Million Fahrzeuge in die USA, was einem Drittel des gesamten Produktion entspricht. Zölle in Höhe von 25 Prozent wären für GM ein Desaster. Wenn Finanzvorstand Chuck Stevens als davon spricht, dass die Schwierigkeiten größer als gedacht seien oder sagt: „Es ist derzeit sehr kompliziert“, dann drückt er die momentane Situation noch freundlich und gewählten Wortes aus. In ihm dürfte es brodeln, nach außen jedoch suchen sie bei GM freilich nach Deeskalation.
Ob es die gibt scheint für den Moment fraglich. Während Trump auf der einen Seite Kompromisse erzielt, beginnt er auf der anderen neue Streitigkeiten. Mit China wird derzeit nicht einmal mehr verhandelt, mit der EU hat man sich zwar mündlich darauf geeinigt weiterhin den freien und fairen Handel zu stärken, wirklich beschlossen wurde aber nichts. Eine Aufkündigung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA ist zudem längst nicht vom Tisch.
Es scheint also alles möglich. Von freundschaftlicher Aussöhnung bis hin zum knallharten Handelskrieg. Bei General Motors werden sie also noch eine Weile vor Trump zittern müssen. Anleger auch, könnten den niedrigen Kurs jedoch gleichfalls als günstige Einstiegsgelegenheit wahrnehmen. Schließlich wirkt GM strukturell gut aufgestellt, hat mit Barra an der Spitze zudem an Zielstrebigkeit gewonnen und scheint nicht gewillt die Zukunft fahrlässig passieren zu lassen. Als einer der größten Arbeitgeber des Landes könnte GM darüber hinaus mehr Einfluss auf Trump haben, als bislang von vielen angenommen. Vielleicht also haben sie bei GM nicht nur Angst vor Trump, sondern Trump – zumindest ein bisschen – auch vor GM.