Geobra Brandstätter: Playmobil-Figuren aus Franken erobern Kinderherzen
Für Krisen und Katastrophen ist zwischen Piratenschiff, Reiterhof und Ritterburg kein Platz: Die Welt der Playmobil- Männchen ist heil. Dabei verdanken sie ihre Geburt der Ölkrise der 1970er-Jahre. Die Firma Geobra Brandstätter aus dem fränkischen Zirndorf, die damals große Spielzeuge und andere Artikel aus Plastik herstellte, musste wegen der dramatisch gestiegenen Ölpreise nach preiswerteren Alternativen suchen. Eine 7,5 Zentimeter große Kunststofffigur mit markantem Zackenhaarschnitt und stark beschränkter Bewegungsfähigkeit erwies sich als absoluter Glücksgriff.
Die geniale Idee hatte Hans Beck, der seit 1958 für die fränkische Firma arbeitete und dort Kinderspielzeug entwickelte. Er entwickelte nicht nur das freundlich lächelnde Plastikmännchen, sondern dazu passendes Zubehör, das sich beliebig anpassen und austauschen ließ – Systemspielzeug nennt sich das. Firmenchef Horst Brandstätter, heute immer noch Inhaber des Unternehmens, war zwar zunächst nicht so recht vom Erfolg überzeugt.
1974 debütierten die Figuren aber dennoch auf der Nürnberger Spielwarenmesse und traten trotz der anfänglichen Skepsis der Spielwarenbranche in den folgenden Jahren weltweit einen Siegeszug an. Denn bei den wahren Spielzeugexperten, nämlich den Kindern, hatte Hans Beck einen Nerv getroffen. Das Playmobil-Sortiment wuchs rasch. Die anfangs ausschließlich männlichen Figuren erhielten ab 1976 weibliche Gesellschaft, später kamen Kinder- und Babyfiguren hinzu. Auch Haarstyling und Kleidung der Winzlinge wurde im Lauf der Jahre abwechslungsreicher. Über 2,2 Mrd. Playmobil-Männchen bevölkern inzwischen die Kinderzimmer in rund 70 Ländern der Erde. Allerdings sind sie inzwischen Waisen, denn ihr „Vater“, Hans Beck, starb im Januar 2009.
Grenzenlose Abenteuer
Das Erfolgsgeheimnis von Playmobil dürfte darin bestehen, dass sich immer neue Spiele und Themenwelten für die kleinen Figuren schaffen lassen. Gleichgültig, ob Nilschiff des Pharao, römische Galeere, Drachenburg, Zirkuszelt oder Betonmischer: Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos, und auch beim Spielen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ohne Probleme kann sich die Elfenprinzessin im Krankenhaus mit einem Gipsbein ausstatten lassen oder die Piratenbande mit dem Feuerwehrauto auf Afrika-Safari gehen.
Natürlich gibt es auch immer wieder Erweiterungen und Zusätze, die sich gut verkaufen lassen, sobald die Sammelleidenschaft der Kinder geweckt ist. Seit dem Jahr 2000 ist das Playmobil-Imperium um weitere Attraktionen reicher, nämlich um Freizeitparks, die einem großen Abenteuerspielplatz ähneln. Hier können Kinder beliebte Spielewelten, wie den Wilden Westen, Ritterburgen oder Goldminen im Großformat entdecken. Aktivität, also Klettern, Rutschen und Herumtoben steht dabei im Vordergrund. Neben dem Park im heimischen Zirndorf existieren auch Parks in Frankreich, Griechenland, Malta und den USA.
Mit Playmobil gelang es den Zirndorfern übrigens bereits zum zweiten Mal, einen Klassiker zu produzieren: Das Unternehmen hatte zuvor schon Hula-Hoop-Reifen hergestellt und war eigenen Angaben zufolge 1958 europäischer Marktführer auf diesem Gebiet. Die Firma hat eine lange Tradition als Spielwarenhersteller, war aber bei der Gründung 1876 durch Andreas Brandstätter zunächst ein Schlossereibetrieb. Ab den 1920er-Jahren wurde auch Spielzeug aus Metall hergestellt. 1954 trat der heutige Chef, Horst Brandstätter, ins Unternehmen ein und trieb die Umstellung auf Kunststoffspielzeuge voran, darunter auch den erfolgreichen Hula-Hoop-Reifen. Daneben wurden auch andere Kunststoffartikel hergestellt, wie Boote oder Wasserski und sogar Öltanks. Die Ölkrise der 1970er-Jahre nutzte das Unternehmen als Chance und legte mit der Idee von Hans Beck den Grundstein für den bis heute anhaltenden Erfolg. 2008 erreichte das Unternehmen einen Umsatz von 496 Mio. Euro, gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 8%.