Gestählt in die Zukunft
Als Konzernchef Heinrich Hiesinger vergangene Woche die aktuellen Quartalszahlen präsentierte, fielen den Aktionären ganze Stahlplatten von den Herzen. Erstmals seit zwei Jahren konnte Thyssen Krupp wieder einen Gewinn einfahren.
Als Konzernchef Heinrich Hiesinger vergangene Woche die aktuellen Quartalszahlen präsentierte, fielen den Aktionären ganze Stahlplatten von den Herzen. Erstmals seit zwei Jahren konnte Thyssen Krupp wieder einen Gewinn einfahren.
Deutschlands größtes Stahl- und Technologieunternehmen erwirtschaftete im zweiten Viertel des laufenden Geschäftsjahres 2013/2014 einen Überschuss von 269 Millionen Euro, nachdem es im vorangegangen Quartal noch mit einem Minus von 69 Millionen Euro rote Zahlen schrieb. Im Vorjahreszeitraum hatte der Fehlbetrag sogar happige 129 Millionen Euro betragen. Allen voran fehlgeschlagenen Investitionen in neue Stahlwerke in Übersee und Verlusten im Edelstahlgeschäft waren hierfür ursächlich. Großen Anteil an der positiven Entwicklung haben aktuell besonders Effizienzsteigerungen und das Wachstum im Industriegütergeschäft. „Wir haben erstmals seit sieben Quartalen wieder ein positives Nettoergebnis geschafft“, zeigt sich der seit gut drei Jahren amtierende Vorstandschef Hiesinger erfreut. Aufsichtsratschef Ulrich Lehner sieht den Konzern auf dem richtigen Weg, mahnt aber vor einem überhöhten Maße an Zufriedenheit: „Cash Flow und Ergebnis haben sich zwar deutlich verbessert, reichen aber noch nicht aus, um langfristig erfolgreich zu sein. Man darf sich angesichts erster Erfolge nicht zurücklehnen und gelassen sein. Das wäre fatal.“
Daher fordert der ehemalige Henkel-Chef weitere Sanierungsmaßnahmen, um das in der Geschichte der Industrialisierung Deutschlands verwurzelte Unternehmen nachhaltig aus der schlimmsten Krise seiner Geschichte zu führen. Die bisherigen Umbaumaßnahmen scheinen währenddessen erste Früchte zu tragen. In den vergangenen Monaten stieß der Essener Weltkonzern das verlustreiche Stahlwerk im US-Bundesstaat Alabama ab, gab das Geschäft mit der Gleistechnik auf, und vereinbarte mit dem Rüstungskonzern Saab den Verkauf der schwedischen Marinesparte. Besonders die Sondereinnahmen aus dem Verkauf des kriselnden US-Stahlwerks trugen maßgeblich zu den erfreulichen Quartalszahlen bei. Durch sie konnte ThyssenKrupp einmalig 300 Millionen Euro verbuchen.
Positiv für den Stahlriesen wirkte sich auch die im Dezember durchgeführte Kapitalerhöhung aus. So stieg das Eigenkapital bis zum Jahresende auf 3,3 Milliarden Euro, drei Monate zuvor hatte es bei 2,5 Milliarden Euro gelegen. Auch die Schulden schrumpften im gleichen Zeitraum von fünf Milliarden Euro auf 4,5 Milliarden Euro. Allerdings stoßen Hiesingers Umbauideen nicht überall auf Zustimmung. Gewerkschaften und der Betriebsrat wehren sich vehement gegen die Pläne, zahlreiche Arbeitsplätze in Bereichen wie dem Personalwesen und der Datenverarbeitung in Deutschland zu streichen oder zu verlagern. In der Stahlsparte sollen mehr als 2.000 Jobs wegfallen, in der Verwaltung rund 3.000.
Bei den Aktionären kommt der gegenwärtige Kurs des Weltkonzerns hingegen gut an. Seit März dieses Jahres befindet sich die Thyssen Krupp Aktie in einem steilen Aufwärtstrend, der nur von einer kurzen Erholungspause Ende April unterbrochen wurde. Auch die Analysten bewerten das Papier mehrheitlich positiv. Das Analysehaus Jefferies hat die Einstufung für ThyssenKrupp nach den Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal auf buy mit einem Kursziel von 23,50 Euro belassen. Der Industriekonzern habe ein solides Zahlenwerk vorgelegt, schrieb Analyst Seth Rosenfeld in einer Studie. Beeindruckend sei vor allem die Aufstockung der Unternehmensziele für das Gesamtgeschäftsjahr um 15 bis 17 Prozent, die nun über dem Konsens lägen. Die ThyssenKrupp-Aktie sei nach wie vor eines seiner Top Picks. Die Deutsche Bank hat die Einstufung für ThyssenKrupp nach Zahlen auf hold mit einem Kursziel von 19 Euro belassen.
Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) des Industriekonzerns habe im zweiten Geschäftsquartal etwas über den Markterwartungen gelegen, schrieb Analyst Bastian Synagowitz. Der Grund dafür sei eine bessere Entwicklung in der europäischen Stahlsparte sowie im Bereich Industrial Solutions. Zudem hob er die gestiegenen Jahresziele des Konzerns hervor. Die Commerzbank hat ThyssenKrupp nach Quartalszahlen auf buy mit einem Kursziel von 23 Euro belassen. Der Industriekonzern habe mit dem operativen Ergebnis (Ebit) seine Erwartungen übertroffen, schrieb Analyst Ingo-Martin Schachel in einer Studie. Angesichts des sehr positiven Ebit-Ausblicks auf das laufende dritte Quartal erscheine selbst die neue, höhere Prognose für das Geschäftsjahr konservativ.
Dennoch ist es offen, ob es am Ende des Geschäftsjahres im September für einen Gewinn reicht. Erwartet werde eine „deutliche Verbesserung in Richtung eines wieder ausgeglichenen Jahresergebnisses“, hieß es aus Konzernkreisen. Der operative Gewinn soll sich im Vergleich zum Vorjahreswert von 586 Millionen Euro nahezu verdoppeln. Im vergangenen Geschäftsjahr machte Thyssen Krupp einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro, ein Jahr zuvor waren es sogar fünf Milliarden Euro. Seither müssen die Anleger auf eine Dividende warten. Wie lange noch, bleibt unklar. "Ein Konzernumbau ist eben kein 400-Meter-Sprint. Ein tiefgreifender Wandel braucht seine Zeit", bittet Lehner um Geduld.