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Ist die Infineon Aktie langfristig ein Must-have?

Der deutsche Chip-Krösus wächst und wächst. Die Nachfrage nach Halbleitern ist riesig. Alle zwei bis drei Jahre wollen die Münchner von nun an ein neues Werk bauen. Der Aktienkurs jedoch steht fast so tief wie vor der Pandemie. Sollten Anleger zugreifen?

(Foto: Remus Rigo / Shutterstock)

Der deutsche Chip-Krösus wächst und wächst. Die Nachfrage nach Halbleitern ist riesig. Alle zwei bis drei Jahre wollen die Münchner von nun an ein neues Werk bauen. Der Aktienkurs jedoch steht fast so tief wie vor der Pandemie. Sollten Anleger zugreifen?

Seit April ist Jochen Hanebeck der neue Chef bei Deutschlands größtem Halbleiterhersteller Infineon und durfte bereits einmal die Prognose erhöhen. Der Umsatz des bis Ende September laufenden Geschäftsjahres soll inzwischen 13,5 Milliarden Euro erreichen. Das sind noch einmal 500 Millionen mehr als zuletzt. Für Infineon ist es bereits die zweite Prognoseerhöhung im Geschäftsjahr. Auch der operative Gewinn soll nun nicht mehr etwa, sondern mehr als 22 Prozent betragen.

Bei den Münchnern laufen die Geschäfte rund. Die Umsätze stiegen im zweiten Geschäftsquartal im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro, der Gewinn verdoppelte sich auf 761 Millionen Euro. Unter dem Strich blieben 469 Millionen Euro hängen. Damit übertraf Infineon in allen drei Bereichen die Analystenerwartungen. Der Konzern, früher einmal Teil von Siemens, erzielte Wachstum in allen Sparten, ausgenommen Power & Sensor Systems.

„Die Versorgung mit Halbleitern bleibt für viele Branchen der Knackpunkt“, sagte Hanebeck bei der Zahlenvorlage. „Die Nachfrage übersteigt das Angebot weiterhin deutlich, und das wird in den nächsten Quartalen so bleiben, in einigen Sektoren auch im neuen Geschäftsjahr“, so der Konzernchef weiter.

Eigentlich ist das so etwas, wie der perfekte Start für den neuen CEO. Hohe Nachfrage, global knappes Angebot, steigende Preise, eine starke Marktposition in Deutschland und eine insgesamt boomende Branche. Allein, für die Aktie des Halbleiterherstellers läuft es in diesem Jahr überhaupt nicht. In den ersten knapp fünf Monaten hat die Infineon Aktie fast 30 Prozent an Wert verloren. Das Hoch aus dem November bei 43,50 Euro ist in weite Ferne gerückt. Aktuell kosten die Infineon-Titel nur noch 28,70 Euro. Das ist in etwa so viel, wie vor Pandemiebeginn.

Geschäftsentwicklung und Aktienkurs passen also nicht zusammen. Chip-Aktien leiden aktuell branchenübergreifend. Zum einen reist der Abverkauf von Tech-Werten den Sektor mit nach unten. Zum anderen belasten die Ängste vor einem sich abschwächendem Wirtschaftswachstum. Halbleiter-Konzerne sind klassische Zykliker. Sie sind abhängig von einer prosperierenden Weltwirtschaft. Diesbezüglich haben sich die Zukunftsaussichten aber eingetrübt. Inflation, Ukraine-Krieg und die Corona-Lockdowns in China drückten zuletzt die Prognosen führender Wirtschaftsinstitute.
Trotzdem erstaunt der tiefe Kurs der Infineon-Aktie. Zwar sind die Kurse anderer und weit größerer Chip-Hersteller in den vergangenen Monaten auch stark gefallen, hatten aber zuvor auch teils unhaltbare Bewertungen aufgebaut. Die Nvidia-Aktie beispielsweise ist in den vergangenen sieben Monaten von 330 auf 182 US-Dollar zurückgekommen, steht aber immer noch doppelt so hoch, als noch vor der Corona-Pandemie. Die Infineon-Aktie dagegen steckt trotz des Wachstums der vergangenen beiden Jahre nun auf Vorkrisenniveau fest. Ist das berechtigt oder ist das eine Unterbewertung?

Infineon steckt tatsächlich in einem Dilemma. Der Konzern ist extrem abhängig von der Nachfrage aus der Automobilindustrie. Rund 44 Prozent der Umsätze hängen an der Branche. Das ist zum einen ein Segen: „Mit dem zunehmenden Fokus der Automobilhersteller auf die Entwicklung und Produktion von E-Fahrzeugen, Autonomes Fahren und Assistenzsysteme steigt die Nachfrage nach Halbleitern aus diesem Sektor kräftig an“, schreibt Richard Pfadenhauer von HVB onemarkets. Erst vor kurzem habe Infineon zwei chinesische OEMs als Neukunden gewinnen können. Der Fluch lautet: Um die aktuell riesige Nachfrage zu bedienen braucht es Milliardeninvestitionen. Infineon will deshalb nun alle zwei bis drei Jahre ein neues Werk bauen. 2021 ging ein neues in Villach ans Netz. Das Werk in Dresden wird momentan ausgebaut. Für zwei Milliarden Euro wird zudem das Werk im malaysischen Kulim erweitert und neu ausgestattet. Dann, wenn diese Investitionen greifen und die neue Werke unter Vollast produzieren, könnten plötzlich Überkapazitäten drohen, besonders mit Blick auf Chips für die Auto-Industrie. Gartner-Analysten erwarten, dass bis 2025 in etwa die Hälfte der größen Autobauer weltweit eigene Chips beginnt zu entwickeln, um Engpässe, wie aktuell, zu vermeiden. HVB-Experte Pfadenhauer zufolge hätten Stellantis, Tesla und VW bereits entsprechende Pläne angekündigt. Inwieweit Infineon Kunden oder Geschäftsbereiche verliert bleibt zunächst abzuwarten, urteilt er. „Die große Abhängigkeit von einem Sektor ist dem Management und den Investoren aber längst ein Dorn im Auge.“

Unter Analysten gehen die Meinungen entsprechend auseinander. Berenberg-Experte Tammy Qiu sieht die Aktie mittelfristig mit 48 Euro fair bewertet, sieht also eine Menge Aufwärtspotenzial. Infineon dürfte weiter von einer ungebrochen starken Nachfrage aus dem Automobilsektor profitieren, zudem sei der Konzern im Industriegeschäft gut aufgestellt, urteilt er. Jefferies-Analyst Janardan Menon hat sein Kursziel hingegen auf 23 Euro gesenkt. Er erwartet, dass der Markt in den kommenden zwei bis drei Quartalen potenzielle Gewinnkürzungen für das Geschäftsjahr 2023 noch stärker einpreisen könnte.

Anleger müssen abwägen. Grundsätzlich empfiehlt es sich wohl auf mehrere Chiphersteller zu setzen, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Auf dem derzeitigen Niveau erscheint die Infineon-Aktie aber auf jeden Fall chancenreich. Das Abwärtspotenzial dürft inzwischen begrenzt sein, dafür laufen die Geschäft zu gut.

OG

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