Lufthansa – Hoffnungsschimmer zwischen Streik und Terrorangst
Vieles spricht derzeit gegen die Lufthansa: Anhaltende Streiks und großer Imageverlust, Angst vor weiteren Terroranschlägen und eine immer stärker werdende Konkurrenz belasten das Unternehmen. Trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung, denn die Zahlen deuten wieder auf bessere Zeiten hin.
Vieles spricht derzeit gegen die Lufthansa: Anhaltende Streiks und großer Imageverlust, Angst vor weiteren Terroranschlägen und eine immer stärker werdende Konkurrenz belasten das Unternehmen. Trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung, denn die Zahlen deuten wieder auf bessere Zeiten hin.
Längster Streik der Unternehmensgeschichte. Streiks und Lufthansa sind zwei Worte, die man seit Jahren in einem Atemzug hört. Doch der jüngste Ausstand hat noch einmal alles getoppt. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO hat sieben Tage lang ihre Arbeit niedergelegt und so die Streichung von 4.700 Flügen erzwungen. Der Streik betraf insgesamt über eine halbe Millionen Passagiere und er ist der momentane Höhepunkt eines seit drei Jahren betreffenden Tarifkonflikts. Für die Flugbegleiter war vor allem die Altersvorsorge Kernpunkt ihres Ausstands.
Die andauernden Streiks, auch die Piloten seien hier durchaus genannt, gehen für die größte deutsche Airline richtig ins Geld. Durch die Anhäufung von Streiktagen ist ein Milliardenschaden entstanden. Der daraus entstandene Imageverlust dürfte dem Unternehmen aber noch mehr Sorgen bereiten, denn viele Lufthansa-Kunden gehen aus Angst vor weiteren Streiks zur Konkurrenz. Kurioserweise musste sogar Lufthansa-Chef Carsten Spohr wegen des Streiks im eigenen Haus mit dem Konkurrenten Air-Berlin fliegen. Nach sieben vollen Streiktagen wurde der Streik ausgesetzt, aber immer noch nicht endgültig beendet.
„Wenn sich nichts ändert, sind jederzeit Streiks möglich“, sagte der Chef der Gewerkschaft UFO, Nicoley Baublies, in der vergangenen Woche. Und so kam es auch: In dieser Woche sind erneute Streiks für Donnerstag und Freitag geplant. Zur endgültigen Entschärfung des Tarifkonflikts lädt die Lusthansa nun die Vertreter der in ihrem Haus tätigen Gewerkschaften ein, um die tiefgreifenden Diskrepanzen aus dem Weg zu räumen. Ob die Pilotenvereinigung Cockpit, die unabhängige Flugbegleiter-Organisation UFO und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sich mit der Lufthansa endgültig einigen und ob sich dadurch weitere Streiks erübrigen könnten, ist schwer einzuschätzen.
Schwierige Jahre wurden noch schwieriger
Fakt ist, dass die Streikproblematik schwierige Jahre für die Lufthansa noch schwieriger gemacht hat. Denn längst sind Airlines aus Westeuropa nicht mehr nahezu konkurrenzlos und das Maß aller Dinge. Vor allem Arabische Airlines weisen, in ihren Heimatländern mit Rückenwind versehen, beängstigend schnelle Wachstumsraten vor. Viele sehen bei der Lufthansa deswegen düstere Zukunftsaussichten. Denn Arabische Airlines wie Emirates oder Etihad haben durch staatliche Subventionen einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Durch den Einstieg von Etihad Airways in Air-Berlin gibt es damit auch im deutschen Markt direkte Konkurrenz. Die Branchenentwicklung unterstreicht dies eindrucksvoll: Im Zeitraum zwischen Januar und September konnten Airlines aus dem mittleren Osten, gemessen an den Passagierkilometern, ein Wachstum von 12,6 Prozent verzeichnen. Airlines aus Asien wuchsen um 9,1 und Lateinamerikanische um immerhin 6,4 Prozent. Für europäische und nordamerikanische Luftfahrtgesellschaften sieht es mit Wachstumswerten von 5,3 und 3,8 Prozent im Branchenvergleich deutlich schwächer aus.
Zwar reagierten die Börsen weltweit nach den Terroranschlägen von Paris sehr besonnen, doch ist zu vermuten, dass einige Branchen doch Schaden nehmen werden. Und da allen voran die Luftfahrtbranche – denn Flugzeuge und Flughäfen sind seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gewissermaßen die Versinnbildlichung von Terrorangst und möglichen Anschlägen. Befeuert wird diese Angst mit dem möglichen – dem fast sicheren – Anschlag auf ein russisches Passagierflugzeug zwei Wochen zuvor. Der sogenannte "Islamische Staat" zumindest behauptet, eine mit Sprengstoff manipulierte Getränkedose sei Ursache dieses Absturzes.
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Trotz alledem sollte man bei der Lufthansa nicht den Teufel an die Wand malen, denn es gibt aus der Frankfurter Konzernzentrale wieder viel Positives zu vermelden. Nach einem sehr durchwachsenen 2014 gab es zwischen Januar und September 2015 erfreuliche Zahlen. Der Umsatz stieg in diesen Zeitraum auf gute 24 Milliarden und damit über sieben Prozent höher als noch im Vorjahreszeitraum. Doch viel beeindruckender ist noch das Konzernergebnis: 1,7 Milliarden – das ist ein Wachstum von 263 Prozent – in nur einem Jahr. Diese Zahlen zeigen, dass die Lufthansa den schwierigen Zeiten trotzt und durch ruhige und besonnene Konzernpolitik wieder auf dem Weg in alte Höhen ist. Nichtsdestotrotz sind die guten Zahlen auch bedingt durch den niedrigen Ölpreis - verbunden mit viel weniger Kosten für die Airline. Speziell die Entwicklung des Ölmarktes, also des Kerosonpreises, ist in der Zukunft schwer abschätz- oder berechenbar.
Und erfreuliche Nachrichten können vor allem Anleger gebrauchen, denn die Aktie der Lufthansa machte letzthin wenig Freude. Während die DAX-Werte erfolgreiche fünf Jahre hinter sich haben und im Durchschnitt Kursgewinne von gut 60 Prozent erzielten, ging es für die Lufthansa um 15 Prozent in den Sinkflug. Alles in allem ist die größte deutsche Airline einer der großen Verlierer des DAX in den letzten Jahren. Dies allerdings kann zurzeit für Anleger gerade interessant sein, denn viele sehen das Papier als unterbewertet an. Analysten der Investmentbank Equinet haben die Lufthansa auf „Buy“ mit einem Kursziel von 20 Euro eingestuft. Grund für die positive Einstufung ist unter anderem, dass „das schwache Umfeld bereits in der Aktie mehr als ausreichend eingepreist sei“, hieß es in der Studie.
Etwas kritischer sehen dies Analysten der Investmentbank Goldman Sachs, die Lufthansa auf „Sell“ einstufen. „Generell sorgten die Branchenkonsolidierung und Umstrukturierung für verbesserte Wettbewerbspositionen einiger europäischer Fluggesellschaften, bei der Lufthansa dürften die Erträge im kommenden Jahr aber wieder sinken. Das Kurspotential sei begrenzt“, hieß es.
Dass die Lufthansa den Weg vom Problemkind zum Branchenprimus in einem Jahr nicht bewältigen kann, war allen klar angesichts der offensichtlich negativer Außeneinwirkungen: Terroranschläge in Paris und auf das russische Passagierflugzeug, Streiks innerhalb des Unternehmens, eine immer weiter zunehmender Konkurrenz vor allem im arabischen Raum: trotz alledem schlägt sich die Lufthansa erstaunlich gut, die Kranichlinie scheint die schwierigsten Tage überwunden zu haben. Dass die Lufthansa aber langfristig zu den Spitzenwerten des DAX gehört, ist ebenso unwahrscheinlich wie ein Jahr, in dem die Worte „Streik“ und „Lufthansa“ nicht mehr in ein und demselben Satz genannt werden. VAL