Otto Bock: Hightech für Menschen mit Handicap
Die Medizintechnikbranche wächst seit Jahren stark. Denn die Menschen in den Industrienationen werden nicht nur immer älter, sie können sich auch immer teurere Gesundheitsprodukte leisten. Davon profitiert der weltweit führende Prothesenhersteller Otto Bock. Das Familienunternehmen will 2010 den Umsatz deutlich steigern.
Die Medizintechnikbranche wächst seit Jahren stark. Denn die Menschen in den Industrienationen werden nicht nur immer älter, sie können sich auch immer teurere Gesundheitsprodukte leisten. Davon profitiert der weltweit führende Prothesenhersteller Otto Bock. Das Familienunternehmen will 2010 den Umsatz deutlich steigern.
Auf Curtis Grimsley ist der Orthopädiekonzern stolz. Der New Yorker Computerfachmann rannte am 11. September 2001 um sein Leben. 70 Stockwerke ging es abwärts. Trotz eines amputierten Beines, das er 1996 bei einem Autounfall verloren hatte, schaffte er es rechtzeitig aus dem World Trade Center. Dank C-Leg: Die Beinprothese verfügt über einen Computer im Kniegelenk, der die Gehbewegungen steuert. Den wenigsten Otto-Bock-Kunden wird C-Leg das Leben retten, aber den meisten erleichtern. Immerhin erlaubt das Hightech-Gerät auch Bergsteigen oder Inline-Skating. Obwohl C-Leg das wichtigste Produkt des Konzerns ist, hätte es wegen der hohen Entwicklungskosten in einem börsennotierten Unternehmen wohl keine Chance gehabt, ist Firmenchef Hans Georg Näder überzeugt.
Operativer Gewinn wächst rasant
Trotzdem dachte er in den Boomjahren 1999/2000 über einen Börsengang nach. Doch sein Vater, Max Näder, der Schwiegersohn des Gründers, redete ihm die Sache aus. In der Regel bestimmte aber Alleinbesitzer Hans Georg, der seit 1990 an der Spitze des Managements steht, die Geschicke des Konzerns. Von Gewerkschaften hält er wenig. Der Honorarprofessor der Privaten Fachhochschule in Göttingen verlängerte 2006 kurzerhand die Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden – ohne Lohnausgleich und trotz guter Ertragslage. Andererseits vermied er Entlassungen in der von der Rezession schwer gebeutelten Kunststoffsparte. Wegen dieses Geschäftsbereiches kletterte der Umsatz im vergangenen Jahr nur um 2% auf 622 Mio. Euro. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen durchbricht dennoch erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke. Aber 2010 soll es wieder schneller aufwärts gehen. Der Vorstand peilt einen Erlöszuwachs um acht Prozent auf rund 672 Mio. Euro an. Bis 2013 sollen es sogar mehr als 850 Mio. Euro sein.
Als Otto Bock kurz nach dem ersten Weltkrieg in Berlin-Kreuzberg beginnt, für die unzähligen Kriegsversehrten Holzprothesen in Serie zu fertigen, backt er kleinere Brötchen. Bürgerkriegsähnliche Zustände vertreiben ihn kurz nach dem Start ins thüringische Königsee. Der Zusammenbruch des Dritten Reichs ist bitter für Bock. Der gesamte Besitz in Thüringen wird entschädigungslos enteignet. Im niedersächsischen Duderstadt fängt er 1946 wieder von vorn an. Weil das bevorzugte Pappelholz für den Prothesenbau kaum zu beschaffen ist, kommen ab 1950 die ersten Kunststoffe zum Einsatz. Max Näder erkannte damals das große Potenzial dieser neuartigen Werkstoffe und gründete 1953 Otto Bock Kunststoff. Der Geschäftsbereich arbeitet intensiv mit der Medizintechniksparte zusammen. Außerdem stellt er Produkte für die Automobilindustrie her. Die dritte Säule der Unternehmensgruppe ist Sycor. Hervorgegangen aus der IT-Abteilung entwickelt sie Lösungen für Firmennetzwerke.
Pavillon auf der Expo 2010
Für die internationale Ausrichtung sorgt Hans Georg Näder. Heute exportiert der Konzern mit fast 4.700 Mitarbeitern Rollstühle und Spezialprothesen in 140 Länder und verfügt weltweit über ein Netzwerk von 40 Standorten. Näder kümmert sich auch um die globale Bekanntheit seines Unternehmens. So gestaltet der Prothesenhersteller den Themenbereich körperliche Mobilität im Pavillon der Weltausstellung in Schanghai, der Menschen mit Handicap gewidmet ist. Dabei stützt sich die Firma auf die positiven Erfahrungen mit dem Science Center Medizintechnik in Berlin. 20 Millionen Euro kostete das Informationszentrum, das in sechseinhalb Monaten 92.000 Menschen besuchten. Kalkuliert hatte man mit 50.000 pro Jahr. Für die Expo 2010 werden 100 Millionen Besucher erwartet.