Deutschland: Und jetzt die Rezession?
Von Konjunktureintrübung oder gar Rezession ist hierzulande kaum etwas zu spüren. Dabei wird die Lage zunehmend ernst. Darüber sollten ein nach wie vor starker Arbeitsmarkt und Auftragsbestand der Unternehmen nicht hinwegtäuschen.
Von Konjunktureintrübung oder gar Rezession ist hierzulande kaum etwas zu spüren. Dabei wird die Lage zunehmend ernst. Darüber sollten ein nach wie vor starker Arbeitsmarkt und Auftragsbestand der Unternehmen nicht hinwegtäuschen.
Eine Analyse von Uwe Burkert, LBBW-Chefvolkswirt
Das haben wir in Deutschland lange nicht mehr gesehen: Eine „technische Rezession“ ist im Anmarsch. Darunter verstehen Ökonomen den Rückgang der Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Das zweite Quartal sah ein BIP-Minus um 0,1 Prozent zum Auftaktquartal. Für das eben beendete dritte Quartal haben wir bislang nur wenige harte Zahlen. Aber die Industrieproduktion (ohne Bau und Energie) war im Juli erneut rückläufig (um 0,8 Prozent zum Vormonat), was wenig Gutes verheißt. Mehr noch: Wichtige Frühindikatoren sind seit Anfang 2018 überwiegend im Rückwärtsgang.
In weiten Teilen der Öffentlichkeit haben sich diese Nachrichten noch nicht herumgesprochen. Das Lebensgefühl in Deutschland ist Aufschwung, nicht Rezession. Ein Grund hierfür: Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor auf Rekorde getrimmt. Im September blieb die bundesweite Arbeitslosenquote bei fünf Prozent, die Zahl der Beschäftigten stieg sogar um Zehntausend Personen an. Andernorts schlagen die Seismographen aber schon aus. Unlängst meldete die Bundesagentur für Arbeit, dass in Süddeutschland in Gegenden mit starker Abhängigkeit von der konjunktursensiblen Metall - und Elektroindustrie die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr steige. Namhafte Unternehmen der Branche haben an-gekündigt Stellen abzubauen.
Überraschend kommt dies nicht. Die Automobilproduzenten und ihre Zulieferer gehen oder besser fahren durch ein Säurebad aus selbstverschuldetem Imageverlust und umweltpolitischem Sperrfeuer. Zudem treffen protektionistische Querschläger aus den USA die Branche. Auch im Maschinenbau mehren sich die Warnrufe. Der Fachverband VDMA rechnet für 2020 mit einem Produktionsminus um zwei Prozent nach ebenfalls Minus zwei Prozent in 2019.
Nun ist beileibe nicht alles Industrie. Rund 75 Prozent der Wertschöpfung kommt aus anderen Wirtschaftszweigen. Aber in Deutschland treibt vor allem die Industrie das Auf und Ab der Konjunktur. Seit 1960 war es stets so, dass ein Einbruch der Industrieproduktion einen Rückgang des BIP nach sich zog. Meistens in der Größenordnung von einem Prozent des jährlichen BIP. Nur in der Finanzkrise 2008/09 wurde dieser Wert gleich um ein Vielfaches über-schritten. Das erwarten wir aber auch im ungünstigen Fall in der heutigen Situation nicht.
Eine Vollblutrezession mit Unternehmenspleiten, Arbeitsplatzabbau und Einkommensverlusten ist keineswegs zwangsläufig. Aber mit dem Politikversagen in Sachen Brexit, einer im Negativzinsumfeld wenig wirksamen Geldpolitik, der fiskalpolitischen Apathie und einer strangulierenden Regulierung wächst die Gefahr.
Einstweilen dürfte ihr hoher Auftragsbestand die Unternehmen schützen, so dass für 2019 und 2020 für die Gesamtwirtschaft bislang zwar von einer längeren Konjunkturschwäche, aber noch nicht von einer Rezession ausgegangen werden kann. Besser jedoch wäre es, in Form von Steuersenkungen oder verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten die konjunkturellen Auftriebskräfte zu stärken.
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