Siemens Healthineers: Aktie erklimmt neues Rekordhoch
Das Medizintechnik-Unternehmen aus dem Hause Siemens legt zum Abschluss des Geschäftsjahres ein insgesamt erfreuliches Zahlenwerk vor und erhöht die Dividende. Anleger jubeln. Viele Analysten dagegen zweifeln.
Das Medizintechnik-Unternehmen aus dem Hause Siemens legt zum Abschluss des Geschäftsjahres ein insgesamt erfreuliches Zahlenwerk vor und erhöht die Dividende. Anleger jubeln. Viele Analysten dagegen zweifeln.
Am Ende des ersten Handelstages der Woche strahlte ein dickes Plus von der Anzeigetafel. Um respektable 9,4 Prozent schoss der Kurs der Siemens-Healthineers-Aktie am Montag in die Höhe, dominierte damit M- und Tec-Dax mit großem Vorsprung. Und markierte beinah locker ein neues Rekordhoch bei 42 Euro. Erstaunlich ist das durchaus, blickt man auf die zuletzt wenig überzeugende Performance der Aktie zurück. Über ein Jahr lang dominierte eine ziemlich volatile Berg- und Talfahrt das Chartbild. Meist pendelte der Kurs zwischen 35 und 38 Euro hin und her. Lange Zeit stand er auf Zwölfmonatssicht im Minus. Mitte Oktober setzte dann die überraschende Wende ein. Aus 34,50 Euro wurden innerhalb kürzester Zeit 38,40 Euro. Daraufhin schubste die Zahlenvorlage den Kurs im Eiltempo erst über die psychologisch wichtige 40-Euro-Marke, dann auf 42 Euro. Alles in allem entspricht das einem Kursprung von 21 Prozent in nicht einmal einem Monat.
In der Mehrheit scheinen Anleger das Papier also auf einmal wieder für sich entdeckt zu haben. Das muss zunächst auch nicht verwundern. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/19 hat der Medizintechnikspezialist, an dem Siemens nach wie vor 85 Prozent der Anteile hält, im Großen und Ganzen stark gewirtschaftet. Der Umsatz stieg um 5,8 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro, der Gewinn um 24 Prozent auf 1,59 Milliarden Euro. Vor allem in der Bildgebungs- und Präzisionsmedizin-Sparte lief es prächtig, in der Labordiagnostik dagegen blieben die Erlanger hinter den eigenen Erwartungen zurück. Hauptgrund: Das Unternehmen um Vorstandschef Bernd Montag lieferte über das Geschäftsjahr hinweg 1.820 Exemplare seiner Atellica-Laborstraßen aus. Zu wenig, angesichts der eigens gesetzten Ziele von mindestens 2.200 Stück. Sogar 2.500 hielt Siemens Healthineers jüngst noch für möglich. Diese klare Zielverfehlung drückte insgesamt die operative Gewinnmarge, die mit 17,3 unter den anvisierten 17,5 Prozent und nur ganz knapp vor den 17,2 Prozent des Vorjahres blieb. „Wir sind mit Atellica zu optimistisch in den Markt gegangen“, sagte Montag im Rahmen der Zahlenvorlage.
Woher kommt die Diskrepanz zwischen Anleger und Analysteneinschätzung?
Das schmeckte dem Groß der Analysten überhaupt nicht. Möglich, dass sie deshalb auffallend zurückhaltend sind, was ihre Kursziele angeht. JPMorgan-Analyst David Adlington beließ die Aktie mit einem Kursziel von 32,30 gar auf „Underweight“. UBS-Experte Sebastian Walker hält 37 Euro für eine angemessene Bewertung, bei Goldman Sachs geht man von 35 Euro aus. Eine erstaunliche Diskrepanz, die sich da auftut zwischen Analysten- und Anlegermeinung. Wobei es auch positive Stimmen gibt. Commerzbank-Analyst Daniel Wendorff beispielsweise schrieb in seiner Studie von einem hervorragenden Umsatzwachstum und einem zufriedenstellenden Ausblick.
Der womöglich ist es auch, der Anleger zu Wochenbeginn bei den Healthineers-Papieren so beherzt zugreifen ließ. Bernd Montag will mit seinem Unternehmen weiter wachsen, dazu das Ergebnis in Zukunft stärker steigen lassen, als den Umsatz. In Zahlen heißt das pro Jahr: Fünf Prozent Umsatzwachstum und zehn Prozent Ergebniswachstum je Aktie. Letzteres liegt damit jedoch mittelfristig deutlich unter dem Wert des letzten Jahres (14 Prozent).
Doch vor allem das Umsatzwachstum dürfte Anlegern Mut gemacht haben. Dazu könnten sich die Gewinnschätzungen als konservativ erweisen, beseitigt Siemens Healthineers die Atellica-Startschwierigkeiten schneller, als angenommen. Montag sieht die Laborstraße weiterhin als „entscheidenden Wachstumstreiber“.
Also solche könnten sich auch weitere Zukäufe erweisen. Finanzvorstand Jochen Schmitz ließ durchblicken, dass dank einer finanziell guten Situation Raum dafür da wäre. Erst kürzlich übernahmen die Franken den US-Spezialisten Corindus für 1,1 Milliarden US-Dollar. Die Amerikaner stellen Robo-Systeme her, die für minimalinvasive Gefäßeingriffe genutzt werden. Die Eingliederung könnte zunächst ebenfalls auf die Marge drücken, sie jedoch langfristig gesehen aufpolieren.
Brauchen Anleger jetzt Geduld?
Bereits jetzt aufpoliert, hat Siemens Healthineers die Dividende. Um 14 Prozent auf 80 Cent je Aktie. Auch das war sicher mit Grund für die gute Stimmung unter Anlegern. Für die vorsichtige unter Analysten könnte dagegen ein KGV verantwortlich sein, dass die Aktie mit einem Wert von 20 nicht sehr günstig erscheinen lässt. Ob der vielen Unsicherheiten, die den Gesamtmarkt zwar derzeit kalt lassen, jedoch jederzeit zurückkehren können, könnte die Siemens Healthineers-Aktie schon eher hoch bewertet sein. Charttechnisch sieht es mit der klaren Überschreitung der 40-Euro-Marke jedoch gut aus. Dividende und Branche sprechen ebenfalls für die Aktie. So gibt es gute Gründe, um zu jubeln. Aber bestimmt genauso viele, die zur Zurückhaltung mahnen. Vielleicht gilt es nach dem nun erfolgten Anstieg Geduld zu haben und dann zuzugreifen, wenn die Bewertung wieder mehr Aufwärtspotenzial verspricht.
Oliver Götz
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