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Das Wunder von Pullach

Lufthansa am Boden und TUI muss zu Hause bleiben – während Reiseanbieter um ihre Existenz kämpfen, hat der Autovermieter Sixt auch 2020 noch schwarze Zahlen geschrieben. Der Verkauf des Leasinggeschäfts, der Handel mit hochwertigen Gebrauchtwagen und der Einstieg ins Auto-Abo-Modell, haben zum Wunder von Pullach beigetragen.

(Bild: Shutterstock)

Lufthansa am Boden und TUI muss zu Hause bleiben – während Reiseanbieter um ihre Existenz kämpfen, hat der Autovermieter Sixt auch 2020 noch schwarze Zahlen geschrieben. Der Verkauf des Leasinggeschäfts, der Handel mit hochwertigen Gebrauchtwagen und der Einstieg ins Auto-Abo-Modell, haben zum Wunder von Pullach beigetragen.

In der Branche ist die Rede vom „Wunder von Pullach“. Gemeint ist damit jener Vorort von München, in dem der Autovermieter Sixt sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Sixt – das Unternehmen ließ sich im vergangenen Sommer in einem Atemzug nennen mit Mobilitäts- und Reiseanbietern wie TUI und Lufthansa, oder mit dem direkten Wettbewerber Hertz. Letzterer ist pleite, die Lufthansa ist der größte Rettungsfall Deutschlands, und Tui hat die zweifelhafte Ehre in der Liste der vorerst Geretteten kurz dahinter zu stehen. Und auch Sixt musste sich im vergangenen Jahr eine Kreditlinie der staatlichen KfW sichern.

Doch jetzt das: Erich Sixt, 76jähriger Firmenpatriarch stellte sich in dieser Woche vor Analysten und Aktionäre und sagte: „Ich möchte nicht nach 50 Jahren abtreten und im letzten Jahr noch einen Verlust verzeichnen.“ Er habe sich „diesen Makel“ auf seine alten Tage erspart und übergebe im Juni ein Unternehmen, das schwarze Zahlen schreibt, an seine beiden Söhne Alexander (41) und Konstantin (38): Zwei Millionen Euro nach Steuern lautet der Gewinn aus dem vergangenen Jahr. Noch wichtiger für den stolzen Patriarchen: Die KfW-Kreditlinie wurde unbenutzt zurückgegeben und durch das Geld privater Investoren abgelöst.

Wie konnte das Wunder geschehen? Wer Alexander und Konstantin Sixt in der Phase des ersten Lockdowns in Pullach traf, erlebte zwei Krisenmanager unter Notstrom. Gleich rechts im orange leuchtenden Foyer der Sixt-Zentrale hängt ein Bildschirm. Er flackert immer dann, wenn irgendwo im weltweiten Reich des Autovermieters ein Wagen verliehen wird. In normalen Zeiten projiziert der Bildschirm ein Stakkato an Lichtblitzen. Ende Märe 2020 war es nur noch ein ganz schwach wahrnehmbares pulsieren. „Guck, das Herz schlägt noch“, habe er zu seinem jüngeren Bruder gesagt, als sie abends den Firmensitz verließen, berichtet Alexander Sixt. Reisebeschränkungen und Lockdowns hatten das Geschäft und den Konzernumsatz von 2,5 auf 1,5 Milliarden Euro einbrechen lassen. Das Unternehmen taumelte, die Manager reagierten: Sie verkleinerten die Autoflotte um ein Viertel, strichen 1200 Stellen, schickten Mitarbeiter in Kurzarbeit, konnten aber am Ende nicht verhindern, dass das Konzernergebnis vor Steuern mit minus 81,5 Millionen Euro in die roten Zahlen rutschte.

Das Wunder geschah an anderer Stelle. Vater und Söhne vollführten ein Manöver aus Vollbremsung und Vollgas gleichzeitig. Sie verkauften ihre Anteile an der börsennotierten Tochter Sixt Leasing. Ihre knapp 42 Prozent erwarb die Hyundai Capital Bank Europe. Sixt erlöste rund 156 Millionen und konnte unterm Strich einen Gewinn von mehr als 40 Millionen Euro verbuchen. Auch vom traditionellen Carsharing unter der Marke Drive Now hat sich Sixt  getrennt und stattdessen – und das gehört schon zum Vollgas-Teil des Manövers - die Mobilitätsplattform One gegründet. Sie bündelt Autovermietung (Sixt Rent), Carsharing (Sixt Share) und Fahrdienste (Sixt Ride) und ist über eine einzige App steuerbar. Statt aufs Leasing setzt Sixt jetzt auf Auto-Abo-Modelle. In den USA und mehreren europäischen Ländern biete das Unternehmen inzwischen erfolgreich Auto-Abos - also flexible Langzeitmieten - an, sagt Konstantin Sixt, der den Vertrieb steuert. Umsatzzahlen nennt er nicht, aber: „Es gibt schon 10.000 Abonnenten.“

Dazu kommt der Verkauf der Mietfahrzeuge, wenn sie ihr Lebensalter bei Sixt erreicht haben. Autos von mehr als 30 Marken, viele stammen von VW, aber auch ein Maserati für 45 000 Euro ist aktuell dabei. Sie sind über das eigene Portal Sixt Car Sales zu erwerben. Die Pullacher sind ist nicht die einzigen Autovermieter, die ihre Wagen selbst zum Verkauf anbieten. Größtenteils gehen die Fahrzeuge im Rahmen von „BuyBack“-Verträgen vom Autovermieter paketweise an Händler oder Hersteller zurück. Aber immerhin: Über den Car-Sales-Bereich gelangten international knapp zehn Prozent der Fahrzeuge an Endkunden, sagt eine Sixt-Sprecherin. Rund 2000 Autos sind es derzeit, die Sixt auf seiner eigenen Verkaufsplattform anbietet. Manchmal liegen die Preise selbst recht junger Autos unter 40 Prozent des ehemaligen Neupreises. Zudem sind die Autos gut ausgestattet. Tempomat und Navigation sind meistens an Bord.

Den Weg aus der Krise sollen auch Investitionen ins USA-Geschäft ebnen. Auf dem mit Abstand größten Markt der Welt investiert Sixt kräftig und erweitert sein Netz von 65 auf 100 Stationen. Das werde zu einem Umsatzschub führen, sobald die Corona-Beschränkungen gelockert würden - und das dürfte dank Impfungen in den USA schneller geschehen als in Europa, sagt Erich Sixt. „Außer uns gibt es dort nur noch drei große Spieler, von denen zwei wacklig sind. Da kann man natürlich angreifen.“

Der scheidende Patriarch und seine beiden Söhne wollen von einem Wunder nichts hören. Sie bleiben vorsichtig: Eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr wäre unseriös: „Wir wissen nicht, wann sich der internationale Flugverkehr erholt und ob es eine halbwegs normale Urlaubssaison geben wird“, sagt Erich Sixt. In der Branche überwiegt dennoch die Anerkennung. Die DZ Bank zum Beispiel hat die Sixt-Stammaktien von „Halten“ auf „Kaufen“ hochgestuft und nennt ein Kursziel von 122 Euro. Dirk Schlamp heißt der Analyst, der hinter dieser Einschätzung steht. Auch er glaubt nicht an Wunder, aber an die Tatkraft der Unternehmenslenker: Der Autovermieter, schreibt er, stehe in den Startlöchern für den erwarteten Aufschwung.  

oli

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